Ähnlichkeiten zwischen Mathe und Philosophie?

4 Antworten

Hallo lena1815,

mich hatte damals sehr überrascht, als einer unsere Mathelehrer meinte, dass Mathematik eine Geisteswissenschaft sei. Ich war doch eher Naturwissenschaftler und hatte die Mathematik dort wegen ihrere Exaktheit eingeordnet. Dahingegen waren mir damals Philosophie wie auch Sprachen nur wachsweiche Themenbereiche.

Heute gebe ich im Recht, denn die Mathematik ist etwas Theoretisches und logisch Exaktes, was in vielen anderen Bereichen, z.B. in der Physik oder im Engineering bedeutend und modellierend ist. Und so mögen wir die Mathematik auch eher als Handwerkszeug kennenlernen.

Philosophie erscheint mir auch heute immer noch etwas wachsweich - und oft so verklausuliert, dass ich Texte vielfach lesen muss, um nur annähernd etwas zu verstehen. Auch geht mir - als immer noch Naturwissenschaftler - die Modellbildung ab. Doch die kann Philosophie genauso leisten - und ein Beispiel kenne ich selbst, auch wenn einiges sich auf Plausbilitäten stützen mag.

Stellen wir deshalb gern die Philosphie und Mathematik auf eine gleiche Ebene und gehen in beidem wissenschaftlich vor. Wo wir in der Mathematik Beweise benötigen, aber auch plausible Vermutungen bestehen bleiben können, dürfen wir in der Philosophie plausibel vermuten aber auch mal etwas beweisen, wenn wir das können.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass die antiken Philosophen sich auch mit Mathematik beschäftigten.

Insbesondere Platon wies daraufhin, dass man sich in der Geometrie eigentlich mit idealen Formen beschäftigt, z.B. der Abstraktion, dem Urbild eines Kreises und nicht dem Abbild, dem gezeichneten Kreis, der niemals perfekt rund ist. Die Geometrie war deshalb ein gutes Beispiel für seine Ideenlehre.

In seinem Liniengleichnis, in dem er seine Erkenntnistheorie veranschaulicht, weist Platon daher der Mathematik, inbesondere den geometrischen Figuren und den Zahlen, der diánoia, der durch den Verstand aus vorausgesetzten Begriffen abgeleiteten Erkenntnis, zu, und damit dem unteren Bereich der nóesis, der eigentlichen Erkenntnis. Diese steht höher als die dóxa, die Meinung, die sich auf Grundlage der sinnlichen wahrnehmbaren Dinge bildet.

Mathematik galt für Platon also als das Gebiet, in dem zwar Verstandeswissen möglich ist, aber nicht die höchste Form des Wissens, die Vernunfteinsicht:

Die Mathematiker setzen ihre Begriffe (wie geometrische Figuren oder Winkelarten) als bekannt voraus und legen sie ihren Beweisgängen zugrunde, als wüssten sie darüber Bescheid. Sie klären ihre Begriffe aber nicht auf und sind außerstande, sich und anderen darüber Rechenschaft zu geben, was die damit bezeichneten Dinge in Wirklichkeit sind. Da sie ihre Voraussetzungen nicht prüfen, gehen sie nicht auf den „Anfang“ (ein Prinzip) zurück und erlangen über ihn kein Wissen; ihre Ausgangspunkte sind nur Annahmen, von denen sie zu Folgerungen fortschreiten.
Außerdem verwenden die Mathematiker sichtbare Abbildungen der Objekte, über die sie nachdenken. Sie zeichnen, obwohl die Gegenstände ihrer Bemühungen sinnlicher Wahrnehmung gänzlich entzogen sind; sie schauen auf die sichtbaren geometrischen Gestalten, denken aber an die Ideen, die von diesen Gestalten unzulänglich repräsentiert werden. Beispielsweise zeichnen sie eine Diagonale als sichtbare Linie, womit sie einen Bezug zur vertrauten Erfahrungswelt herstellen, obwohl die ideale Diagonale, um die es ihnen geht, unanschaulich ist. Sie kennen die Dinge, von denen die Mathematik handelt, nicht, denn sie haben es nur mit Abbildern dieser Dinge zu tun. Somit ist ihre Vorgehensweise der eigentlichen Natur dessen, womit sie sich befassen, nicht angemessen. Sie stützen sich rechtfertigungslos auf angebliche Evidenz, auf nicht hinterfragte Annahmen. Das begriffliche Denken der Mathematiker zählt also nicht zur Vernunfteinsicht, sondern steht als Mittelding zwischen ihr und der bloßen Meinung, die bei der Auswertung von Sinneseindrücken zustande kommt. Der mathematische Gegenstandsbereich ist zwar geistig und daher grundsätzlich dem Wissen zugänglich, doch besitzen die Mathematiker kein wirkliches Wissen über ihn.

Eine interessante Frage wäre, ob das nur für die Mathematik aus Platons Zeiten, oder immer noch nach Euklids Elementen und dessen axiomatischen Aufbau und für die Entwicklung der Mathematik bis heute gilt.

Die Philosophie nimmt ja bis heute in Anspruch, die einzige Wissenschaft zu sein, die permanent ihre eigenen Voraussetzungen hinterfragt, was insbesondere Naturwissenschaften nicht vermögen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – B.Sc., M.A., M.Sc. & Doktorand

Zum Beispiel in der formalen Logik kann man Mathematik und Philosophie manchmal kaum auseinanderhalten

Tannibi  22.01.2023, 17:27

Die Mathematik fängt nicht mit einer beliebigen
Meinung an und verwendet auch keine Begriffe,
die nicht eindeutig definiert sind. Das kann man schon
ganz gut unterscheiden.

0
BalthasarFauge  22.01.2023, 20:08
@Tannibi

Wenn es darum geht, etwas zu beweisen, dann beginnt die Mathematik auch erstmal mit einer Behauptung. Natürlich kann man das unterscheiden, ich schreibe bewusst "manchmal kaum".

Man darf nicht den Fehler machen, Logik als philosophische Disziplin unabhängig von anderen Disziplinen zu betrachten. Formale Logik an sich schert sich nicht über den Inhalt und kann deshalb natürlich auch totaler Quatsch sein.

0

Mathe und Philosophie bzw. Religionswissenschaften werden sehr oft kombiniert, weil für beides gleiche Denkmuster gelten.