Welche Nachteile „Beamter zu werden? Finanzwirt Duales Studium?

10 Antworten

Solange @Meandor mich nicht korrigiert: meines Wissens startest du im gehobenen Dienst mit der A 9, hast ein Steigerung nach Jahren, und Beförderungen richten sich nach dem Budget des Resorts und deiner Beurteilung.

Ende (sofern du nicht weitermachst) ist mW die A13 - ob und wie lange du für diesen Weg benötigst? Je mehr Bewerber sich im Resort in deiner Laufbahngruppe tümmeln, desto schwieriger.

Aufgabenmäßig kann ich nichts beitragen. Das Juristische kann ich mir nur in etwa vorstellen, wenn ich den Abspann meiner Steuererklärung lese. ;-)

Daher vermute ich: das Rechnen macht ein Programm, du musst die Grundlagen kennen, welche Zahl wohin kommt, und nach welcher Vorschrift du was, wie zu rechnen hast.

https://www.finanzverwaltung.nrw.de/de/studium-im-finanzamt

Ich denke das größte Pro ist der sichere Arbeitsplatz, die Besoldung bei längerer Krankheit, die geregelte Arbeitszeit.

Die Pension ist höher wie die Rente plus VBL eines vergleichbaren Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Inwieweit man heute noch sagen kann, im öffentlichen Dienst gehen die Uhren langsamer, ist die Schlagzahl nicht so hoch wie in der freien Wirtschaft-weiß ich nicht. Ich sehe nur, dass diese Bereiche in meinem Bundesland seit Jahren Stellen abbauen.

Und ja ich kenne auch Beamte, die nicht glücklich mit ihrer Beihilfe sind und lieber in einer gesetzlichen Krankenversicherung wären. Der Ärger ging hier über eine Reha Maßnahme und eine Mutter- Kind-Kur, ob begründet oder nur falsch angepackt-weiß ich nicht.

Meandor  07.01.2020, 21:51

Muss ich kaum was korrigieren. Nominelles Ende für den gD ist A13. Je nach Bundesland ist es aber unterschiedlich schwer dies zu erreichen. A11 ist normalerweise in allen Bundesländern für Sachbearbeiter zu erreichen. A12 erfordert meist herausgehobene Tätigkeiten und A13 Führungsverantwortung oder eine sehr herausgehobene Tätigkeit.

Im Regelfall rechnet das Programm. Man sollte aber 7% oder 19% ausrechnen können, und zwar sowohl bezogen auf Brutto als auch auf Netto. Den Rest macht der PC oder Excel bzw. LibreCalc.

Im Finanzamt gibt es auch "Schlagzahlen", aber sie stehen gleichrangig neben der Arbeitszeitverordnung. Wer Überstunden macht, bekommt sie. Wer sie nehmen will, darf es.

Reha bzw. Kur scheinen wirklich Beihilfe-Probleme zu sein. Die einen Kollegen sagen, die Beantragung sei kein Problem. Andere Kollegen sagen, man bekommt die Maßnahmen niemals genehmigt.

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Ich bin selbst im gehobenen Dienst bei der Steuerverwaltung, daher die erste kleine Warnung: Steuerrecht hat mit Mathematik und Rechnen nur am Rande zu tun. Es ist in erster Linie Rechtskunde.

Nachteile:

Du nimmst an keiner Gehaltsentwicklung teil. Du bist in einer Laufbahn, erhältst nach festgelegten Jahren Deine Erfahrungsstufen und sonst war es das. Je nach Haushaltslage kommen die Beförderungen früher oder später; die Beurteilungen sind nicht unwichtig, aber auch nicht das wichtigste. Der Verdienst ist zu wenig zum Leben und zu viel zum sterben; das stimmt natürlich nichts, aber der Verdienst ist weniger als andere mit vergleichbarem Studium verdienen, dafür ist er sicher, und der Dienstherr versorgt Dich auch im Rentenalter weiter; dort kommt dann der Bonus.

Es gibt auch Beamte, die empfinden das System aus Beihilfe und privater Krankenversicherung als Nachteil, die wollen lieber in die gesetzliche. Ich kann es nicht nachvollziehen; ich hab ein gesetzlich versicherte kranke Frau und die Zuzahlungen dort finde ich böse; in Teilen der Elternzeit hat meine Frau einen Behilfeanspruch; das hat die Sache etwas erleichtert.

Generell darf der Migrationshintergrund bei der Einstellung keine Rolle spielen; selbst eine Bevorzugung bei gleicher Befähigung scheint mir (auf Anhieb) nicht gerechtfertigt, zumindest nicht im Bereich Steuer. Die Polizei hat(te) mal gute Gründe den Anteil von Beamten mit Migrationshintergrund zu erhöhen; Berlin nutzte auch mal die Öffnungsklausel um Polizeibeamte mit ausländischer Staatsangehörigkeit einzustellen; aber für die Steuerverwaltung sehe ich da eigentlich keine Notwendigkeit. Wir wären in der Steuerfahndung zwar froh über ein paar Fremdsprachler, aber die Steuerverwaltung stellt nicht gezielt für die Fahndung sein.

skillful911 
Fragesteller
 07.01.2020, 17:30

Deine Erfahrung stimmt nicht mit anderen obwohl du in der Beschäftigung bist! Daher soll ich dich jetzt fragen, wie viel verdient man dort nach der Ausbildung?

bzgl der Fächer die ein Auszubildende innerhalb der Ausbildung nimmt, sind meistens über Steuerrecht und Theorie? Ich dachte man lernt, übt und rechnet ☹️

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Meandor  07.01.2020, 21:16
@skillful911

Nach dem Studium steigst Du mit A9 ein; www.oeffentlicher-dienst.info spuckt dann bei Steuerklasse I, unverheiratet und ohne Kinder ein Netto von 2.368,66 Euro aus. Ich bin aber aus BW und hab keine Ahnung was in NRW Strukturzulage Lfbgr. 2 bedeutet. Davon gehen noch grob 250 Euro private Krankenversicherung ab, so dass also rund 2.000 bis 2.100 Euro bleiben.

Dein "Fächer" richten sich nach Anlage 10 zu § 19 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten (StBAPO). Du hast also an der FH

  1. 159 Stunden Abgabenrecht,
  2. 62 Stunden Bewertungsrecht,
  3. 192 Stunden Steuern von Einkommen und Ertrag
  4. 132 Stunden Umsatzsteuer
  5. 142 Stunden Bilanzsteuerrecht
  6. 25 Stunden Internationales Steuerrecht
  7. 130 Stunden Gesellschaftssteuerrecht
  8. 92 Stunden Privatrecht
  9. 60 Stunden Öffentliches Recht
  10. 48 Stunden Wirtschaftswissenschaften
  11. 23 Stunden Informations- und Wissenmanagement
  12. 55 Stunden Arbeits- und Selbstorganisation
  13. 95 Stunden Sozialwissenschaftliche Grundlagen
  14. 20 Stunden Methodische Kompetenz
  15. 120 Stunden Wahlpflichtfach
  16. 30 Stunden Schwerpunktthema (keine Ahnung was das ist).

Auf 100% richtiges Rechnen kommt es maximal in Umsatzsteuer und Bilanzsteuerrecht an. Beim Rest gilt Iudex non calculat, d.h. es ist wichtiger, dass der richtige rechtliche Schluss gezogen wird, als dass es tatsächlich berechnet wird; die Punkte gibt es fürs subsumieren und nicht fürs rechnen.

Jedes Bundesland hat abweichende Wege seinen gehobenen Dienst auszubilden. In BaWü ist die Hochschule dem Kultusministerium unterstellt und es herrscht nominell Lehrmittelfreiheit; auch die Anzahl der Professoren die eine Karriere in der Steuerverwaltung hinter sich haben, werden immer weniger. Man studiert dort Steuerrecht und nicht nur die "Anwendung des Steuerrechts nach der Verwaltungsmeinung". In anderen Bundesländern ist die Hochschule gar keine "freie" Hochschule, sondern "nur" die Hochschule der Steuerverwaltung und die Lehrenden sind Angehörige der Steuerverwaltung. Dort gibt es nur Verwaltungsmeinung und konkrete Rechtsanwendung.

Dafür tauchen in BaWü im Hauptstudium auch die Recruiter der Big Four auf und laden zu Abwerbeveranstaltungen ein. Wer Ludwigsburg mit mehr als 11 Punkten verlässt, bekommt fast sicher eine Anstellung bei den Big Four. Und von den Ludwigsburg Absolventen die drei Jahre später zur Steuerberaterprüfung antreten bestehen im Schnitt 88% beim ersten Versuch und 97% beim zweiten Versuch. (Die Durchfallquote bei der Prüfung liegt bei rund 70%).

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skillful911 
Fragesteller
 08.01.2020, 12:39
@Meandor

Vielen Dank noch mal für deine hilfreiche Antwort. Das hört sich gut an. Man kann dann mit fast 3300 € brutto monatlich rechnen. Ich bin verheiratet mit drei Kindern daher rechne ich ungefähr mit 2400€ netto monatlich. Wichtiger ist, die Fächer nochmal angucken und richtig prüfen ob die für meine Vorstellung passen (:. Wenn Du mehr infos zur Fächer, Studienplan, gesamter Aussicht, hast, wie verteilt sich eine Jahr? Sind auch da 2 Semester jährlich wie in der Uni? Man bekommt da nur Vorlesungen oder praktiziert das Job? Dankeschön nochmal ...

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Meandor  08.01.2020, 13:35
@skillful911

Du kannst ja schon mal üben stbapo googlen; dort in der Anlage 10 gibt es eine klare Aufteilung, wie viele Stunden in welchem Studienabschnitt statt finden. Ich glaub, die länge der Studienzeit ist auch vorgeschrieben. Man verbringt 21 Monate an der Hochschule, aufgeteilt auf ein Grund- und ein Hauptstudium; 15 Monate hat man auf dem Amt zu verbringen.

Grund- und Hauptstudium dürfen geteilt werden; das Hauptstudium muss aber mindestens sechs Monate dauern.

Irgendwo auf den Ausbildungsseiten von NRW findest Du bestimmt genaueres. BaWü teilt das Grundstudium in drei Blöcke und zieht das Hauptstudium auf einen Schlag durch.

Und Gehalt... leicht verrechnet. Für die Ehefrau und die Kinder gibt es Familienzuschläge. Verheiratet und mit drei Kindern kommst Du bei Steuerklasse IV auf ein netto von 3.419,46 Euro, und das Monatsbrutto sind 4.618,48 Euro.

Und das schöne ist, als Anwärter auf A9 hast Du nur (brutto) Anwärterbezüge von 1.355,68 Euro, bekommst aber trotzdem die vollen Familienzuschläge. Du kannst also bereits in der Ausbildung mit 1.887,98 Euro netto rechnen.

Ich weiß leider nicht wie alt Du bist, und ich kenn es nur von Kollegen in der Justiz, aber wenn die als Anwärter älter als 25 sind und bereit einen eigenen Hausstand haben, dann erhalten die noch eine Zulage. Ich weiß nicht, ob es das bei der Steuer auch gibt.

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TheodoreTbag  04.11.2023, 01:58

Hi Sind sie noch aktiv ?

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TheodoreTbag  05.11.2023, 22:06
@Meandor

Hi, Erinnern sie sich vielleicht noch wie das Vorstellungsgespräch lief und was für Fragen im Einstufungstest waren ?

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Meandor  06.11.2023, 07:17
@TheodoreTbag

Das Vorstellungsgespräch lief gut und sowas wie einen Muster-Fragekatalog gibt es nicht.

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TheodoreTbag  07.11.2023, 13:17
@Meandor

Stimmt es das man mit anderen bewerben über ein Thema diskutieren muss

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Meandor  07.11.2023, 15:33
@TheodoreTbag

Nein, aber dafür gibt es keine bundeseinheitlichen Regeln. In manchen Bundesländern werden alle Einstellungsgespräche auf den Ämtern geführt, in manchen Bundesländern macht das die Oberbehörde.

Ich kenne kein Finanzamt, dass irgendeine Art förmliches Auswahlverfahren hat.

Zuerst werden die Noten geprüft, ob Du befähigt bist, den Dienst anzutreten. Im persönlichen Gespräch wird dann geprüft ob Du geeignet bist den Dienst anzutreten. Und das war es dann auch.

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Ich hab mich da öfter mit beschäftigt, auch weil Freunde vor der Frage standen

Letztlich hat es viele Vorteile.. das Gehalt ist klar definiert, auch die Erhöhungen, krankenkassentechnisch ist es Gold wert (das wird einem erst klar, wenn man nicht mehr (so) gesund ist).

Urlaub ist klar, Jahressonderzahlungen.. dem ganzen Schmarrn musst Du nicht mehr hinterherlaufen oder ihn verhandeln.

Daraus ergibt sich aber auch der evtl. Nachteil: für wildes Gehaltspoker ist da kein Platz.

Ob man das posi- oder negativ findet, muss man selbst entscheiden.

Und warum Ämter Leute mit Migrationshintergrund suchen?

Weil sie zeigen wollen, dass sie den Bewerbern aufgeschlossen ggü. stehen.

Dass sie offen für jeden sind, der in dieser Gesellschaft angekommen ist,

Blöd gesagt: es freut doch Herrn und Frau Sentürk oder Nicolau oder Campoy, wenn sie feststellen, es gibt da auch Mitarbeiter jenseits von ller und Meier.

Und warum auch nicht? Sie wollen ja auch aus vielen Bewerbern die besten wählen können.

Also wenn Dich das reizt.. mach.

Und auch als Behörden-Mitarbeiter kannst Du später in die freie Wirtschaft gehen. Ich kenne beide Fälle.

Einer ist Gymnasiallehrer, wechselte aus eigenem Interesse an ein Privat-Internat.

Und der Geologe aus unserem Ingenieurbüro hat sich vor paar Jahren auf eine Stelle bei der Stadt beworben, Verbeamtung in Aussicht gestellt.. der war voll happy, weil er sagte, endlich kein Gehaltsgeschacher mehr und auch kein dauernd wechselnder Einsatzort, endlich mal Zeit für eine Beziehung.

Für ihn war laut seiner Aussage der einzige Nachteil: kein privat nutzbarer Dienstwagen.. aber dafür auch keine 80.000km mehr im Jahr für wechselnde Einsatzorte

skillful911 
Fragesteller
 07.01.2020, 12:34

Besten Dank für die volle hilfreiche Antwort! und die Beispiele sind ja ganz klar deutlich. Vielen lieben Dank

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Nachteil als Beamter:

Dein restlicher beruflicher Weg ist vorgezeichnet. Manche langweilen sich bis zur Pension so sehr, dass sie "Boreout" bekommen (soll nicht sarkastisch klingen, das gibt es wirklich).

Zudem kann dein Dienstherr mit dir machen, was er möchte. Wenn er dich in die Provinz versetzen will und dir stinklangweilige Aufgaben geben möchte, kann er das machen (Widerspruch möglich, doch ob der erfolgreich ist?).

Beamte dürfen nicht streiken. "Müssen sie auch nicht" werden jetzt manche sagen, was aber nur bedingt richtig ist. Du darfst quasi keinen Mucks machen sondern musst Anweisungen befolgen.

Du musst bis zur Pension "beruflich" in Deutschland bleiben. Es sei denn du hast Glück, und darfst eine der wenigen begehrten Beamtenstellen im Ausland antreten.

Eine Karrierestation im Ausland ist aber äußerst unwahrscheinlich.

Und und und.

Klar kann man als Beamter später immer noch in die freie Wirtschaft wechseln. Das bringt allerdings allerlei Scherereien mit sich (Nachversicherung in den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen etc.).

Jeder muss für sich selbst abwägen, ob das "mehr Netto vom Brutto" und die "Sicherheit bis zum Lebensende" ihm/ihr das wert sind. Nicht selden bedeutet das in der Praxis öööööde Langeweile.

Nach dem dualen Studium kannst du immer noch entscheiden, ob du im Staatsdienst bleiben möchtest oder ob du lieber in die freie Wirtschaft gehen möchtest.

Du könntest nach dem Studium nämlich auch die Steuerberaterprüfung ablegen.

In einigen Bundesländern musst du dich verpflichten 5 Jahre danach zu bleiben oder du musst Studiengebühren zumindest teilweise zurückzahlen.