Warum sind begabte Künstler selten auch große Mathematiker?

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(1) Weil Kunst und Mathematik alle beide Zeit und Mühe kosten und deshalb selten ein Mensch die Gelegenheit dazu hat, sich zugleich auf mehreren Gebieten jahrelang intensiv zu üben. Und nur dann, wenn er das tut, wird er, begabt oder nicht, auch durch Spitzenleistungen von sich reden machen.

(2) Sagt man über ein Kind, daß es "künstlerisch begabt" sei, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß es eher in künstlerischer als in anderer Richtung gefördert und gefordert wird. Daher ist die These, "dass ein künstlerisch begabter Mensch nicht zu Großtaten in der Mathematik fähig sei" eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Zu der dahintersteckenden Ideologie: Uns sagte man damals auf dem Gymnasium, es gebe zwei verschiedene menschliche Begabungstypen: die sprachlich Begabten und die mathematisch Begabten, und wir wurden aufgefordert, den zu uns passenden Schulzweig zu wählen. Da mir Mathematik und Physik leicht fiel, schloß ich daraus, dies sei die Ursache dafür, daß ich in Englisch und Latein wenig erreichte und investierte deshalb dort auch keine Energie mehr. Was man uns gesagt hatte, war völliger Schmonzes. Um die Zeit des Abiturs begann ich, intensiv Englisch zu lernen, weil ich englische technische Fachliteratur lesen wollte, die mich persönlich sehr interessierte. Bald waren meine Englischkenntnisse denen aller meiner Bekannten überlegen. Ich kann nur jedem raten, Laß Dich von Urteilen über Deine "Begabung" oder "Nichtbegabung" nicht von irgendeinem Ziel abhalten.

Dem Erfinder Edison wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Genie ist 1% Inspiration und 99% Transpiration". Eine Begabung ist wichtig--aber noch wichtiger ist, was man aus ihr macht. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Geschichte des schwedischen Mathelehrers Stavros Louca: http://diepresse.com/home/bildung/schule/463248/Schulsystem_Eine-Klasse-fuer-sich Entgegen aller Erwartungen ist es ihm gelungen, auch bei Schülern mit geringer Begabung für Mathematik den Notendurchschnitt zu verbessern. Da stellt sich die Frage: Ist ein guter Lehrer mit der richtigen Didaktik nicht wichtiger als die Begabung.


mathgeek007  25.06.2013, 12:29

Zitat aus dem Artikel:

Wären Schulen Unternehmen, würden Headhunter nach Leuten wie Czerny und Louca suchen.

Leider sind Schulen aber staatliche Zwangsanstalten, denen es kilometerweit am Allerwertesten vorbeigeht, was aus Kindern wirklich wird. Wichtig ist, dass der Schnitt erfüllt wird.

Aufwachen wäre nicht schlecht! Das staatliche Schulsystem hat nicht vor, das Volk zu bilden!

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Gerade Herrn von Goethe als Beispiel für eine einseitige "sprachlich-künstlerische" Egabung zu nennen, ist m. E. ziemlicher Quatsch.

Über seine mathematischen Fähigkeiten kann ich mich nicht äußern. Aber er ist auf Jeden Fall nicht "nur" künstlerisch tätig gewesen: Er hat die Anatomie durch die (Wieder-)Entdeckung des Zwischenkieferknochens bereichert, mit seiner Farbenlehre hat er sich ein weiteres nicht-dichterisches Denkmal gesetzt: "Goethe selbst schätzte die Ergebnisse seiner Forschungen zur Farbe höher ein als die seines gesamten literarischen Schaffens." (http://de.wikipedia.org/wiki/Farbenlehre_(Goethe)).

Und in seiner politischen Laufbahn als Wegbauminister, Kriegsminister und Finanzminister des Herzogtums Sachsen wird er ganz ohne mathematische Fähigkeiten denn doch nicht ausgekommen sein ...

Dass "der Künstler mehr Herz und der Mathematiker mehr Kopf" braucht, ist m. E. nicht richtig. Ein studierter Grafiker sagte mir einmal, zu einem guten Grafiker gehörten 10% Begabung und 90% erlernbare Technik. Und genauso kommt ein guter Mathematiker ohne Intuition nicht aus. Z. B. braucht man für einen Beweis immer erst mal eine Idee - ein gut geführter Beweis ist ein echtes Kunstwerk ...

Und gerade Musik und Mathematik hängen eng zusammen - das wussten schon die alten Pythagoräer. Beispielweise lassen sich alle Intervalle, die wir als angenehm empfinden, auf ganzzahlige Verhältnisse der Schwingungen (Frequenzen) zurückführen. Bach soll in seinen Kompositionen zahlreiche Zahlenspielereien versteckt haben u. a. m.

Also. kurz gesagt, die grundsätzliche Behauptung, "dass ein künstlerisch begabter Mensch nicht zu Großtaten in der Mathematik fähig sei, und umgekehrt", halte ich für Unsinn. Allenfalls stimme ich zu, dass jemand, der sich auf ein Gebiet spezialisiert hat, meistens nicht mehr die Zeit hat, sich ausreichend in ein anderes Gebiet einzuarbeiten, um dort "Großtaten" zu erbringen.

(Beispielsweise habe ich auch niemals erwartet, dass Boris Becker ein guter Fernsehmoderator sein würde, schließlich war das nicht "sein Job" - dass es trotzdem klappen kann, sieht man an Rudi Cerne.)

Es ist natürlich Quatsch, eine solche These an einzelnen Personen festzumachen.

Da Vinci wäre ein Beispiel, daß eine Goethe locker aufwiegt.

Tatsächlich ist ja z.B. Musik der Mathematik nicht ganz unähnlich

https://de.wikipedia.org/wiki/Quintenzirkel

Es wird aber einfach so sein, daß nur die Allerwenigsten mit mehr als einem überdurchschnittlichen Talent gesegnet sind. Und wenn jemand das für sich entdeckt, widmet er diesem Zeit und Aufmerksamkeit.

Nur wenige haben multiple Hochtalente. Und selbst ein Da Vinci, der viele Hochtalente hatte, konnte in einem Leben nur wenigen davon die nötige Aufmerksamkeit schenken.

Ich nehme also an, daß es allein ein Ergebnis normaler statistischer Verteilung ist.

weil man/frau nicht beiden dienen kann, Gott und dem Mammon,.!

Picasso war übrigens in Wirtschaftsfragen recht begabt, und wenn man die braucht, dann kan man sich Geschäftsleute "kaufen", übrigens,