Warum seid ihr gegen eine aktive Sterbehilfe?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Salue

Ich bin Mitglied der grössten Sterbehilfeorganisation der Schweiz.

Die aktive Sterbehilfe ist in der Schweiz verboten. Erlaubt ist die passive Sterbehilfe, die inzwischen ja auch in Deutschland möglich ist. In Deutschland ist diese in der Praxis allerdings schwierig anzuwenden, weil eine gesetzliche Grundlage noch fehlt.

Die Schweiz hat übrigens keine gesetzliche Grundlage. Es braucht keine. In der Schweiz ist man der Meinung, dass es nur ein Gesetz geben muss, wenn man etwas verbieten will. Alles andere ist erlaubt.

Tellensohn


Rosenheimerin 
Fragesteller
 07.10.2023, 14:04

Exit bietet eine sogenannte Freitod begleitung an

https://www.exit.ch/verein/exit-auf-einen-blick/

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HappyMe1984  07.10.2023, 14:08
@Rosenheimerin

Das ist allerdings passive Sterbehilfe. Aktiv bedeutet, dass zum Beispiel ein Arzt dem Patienten aktiv ein Mittel spritzt, was diesen tötet. Passiv bedeutet, dass der Arzt dem Patienten ein Mittel verschreibt und übergibt, was dieser dann selbst einnimmt.

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Rosenheimerin 
Fragesteller
 07.10.2023, 14:12
@HappyMe1984

Ich dachte das wäre auch schon aktiv...

Aber zumindest ist das in Deutschland leider auch schon verboten.

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HappyMe1984  07.10.2023, 14:30
@Rosenheimerin

2015 wurde als Reaktion auf die Gründung dieser Schweizer Anbieter für Sterbehilfe der § 217 StGB erlassen, der "Hilfe zur Selbsttötung" strafbar gemacht hat, insbesondere für diejenigen, die "geschäftsmäßig handeln". Darunter fielen dann nicht nur solche Anbieter, sondern auch Ärzt*innen, da diese ihren Beruf und somit die Verschreibung, Verschaffung und Abgabe von Medikamenten nun mal "geschäftsmäßig" ausüben.

2020 hat das Bundesverfassungsgericht dann entschieden, dass dieser Paragraph in dieser Form verfassungswidrig ist. Allerdings gab es seit dieser Entscheidung nur Diskussionen über eine neue Fassung, aber bis jetzt - soweit ich im Bilde bin - noch keine Entscheidung oder neue Regelung.

Somit ist es momentan etwas in der Schwebe, ob das nun erlaubt ist oder nicht und unter welchen konkreten Umständen. Bis 2015 war es allerdings noch völlig legal.

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Weil sich niemand den Tod wünscht. Ein Irrglaube der aufklärerischen Zeit.

Es ist eine Störung, dann sollte die Gesellschaft sich drum kümmern, die Schmerzen zu lindern und das geht auch mit Palliativmedizin recht gut.


Sanni295  07.10.2023, 17:11

Das ist kein Irrglaube. Es gibt viele Menschen die sterben möchten wenn sie schwerkrank sind und wissen das ihre Zeit gekommen ist. Es ist auch der Grund warum einige genau dann sterben wenn die Hinterbliebenen gerade nicht im Zimmer sind, weil die dann nicht loslassen können. Ich habe es selber so erleben müssen.

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Ich bin nicht pauschal dagegen, sehe allerdings durchaus einige Fallstricke, Gefahren und ethisch-moralische Probleme bei diesem Thema. Und dabei, daraus dann Gesetze zu formulieren, die einerseits das, wo sicherlich große Einigkeit bei diesem Thema besteht, zulassen, ohne aber gleichzeitig Schlupflöcher für das zu lassen, wo wiederum sicherlich auch Konsens besteht, dass man DAS dann wieder nicht will.

Konkreter: Ich denke, wir alle wollen nicht, dass aktive Sterbehilfe dafür missbraucht wird, die pflegebedürftigen Eltern und Großeltern schneller "loszuwerden" oder früher zu erben.

Ich denke, wir alle wollen auch nicht, dass Teenager in der Pubertät, wo das Hirn ja einmal komplett umgebaut wird und dann wirklich sehr tiefgehend negative Emotionen auftreten können, von Sterbehilfe Gebrauch machen.

Oder auch, dass jemand mit einer Depression zur aktiven Sterbehilfe greift, anstatt zumindest vorher wirklich mal intensiv zu versuchen, eine Therapie zu machen.

Und ich denke, viele würden es auch nicht so toll finden, wenn irgendjemand durch das Anbieten von Sterbehilfe Millionen und Milliarden verdient, oder? Würde sich doch schon mächtig falsch anfühlen, oder?

Ein Aspekt, der auch oft vergessen wird, sind die Personen, die das dann wirklich ausführen sollen. Will man hier medizinische Fachkräfte grundsätzlich dazu verpflichten? Oder lässt man analog zu Schwangerschaftsabbrüchen Raum für das persönliche Gewissen - eventuell mit dem Resultat, dass man dann wieder wie eben bei Abbrüchen massiv den Zugang erschwert, weil sich zu wenige finden, die es auch wirklich tun? Gleichzeitig fällt es aber eben auch wieder schwer, diese Menschen dazu zu zwingen, denn wer einen Beruf in dieser Richtung wählt, macht das ja eher, um Menschen zu helfen und zu heilen, nicht, um sie direkt oder indirekt zu töten...

All das sind so die Punkte, wo es echt schwer werden kann, Gesetze ohne Schlupflöcher, aber auch ohne übertriebenes Erschweren und somit Verhinderung der Zugänglichkeit, zu verfassen, denke ich. Weil ja Gesetze nicht abschließend jede Fallkonstellation vorab nennen können, sondern allgemein gehalten werden müssen, aber dabei eben trotzdem abschließend und eindeutig regeln sollen, wo die Grenzen zwischen legal und illegal verlaufen.

Ansonsten hab ich mit der Diskussion zur aktiven Sterbehilfe aufgrund meiner eigenen Biografe noch das Problem, dass dabei immer so vollständig ausgeblendet wird, dass es eben nicht nur die eine Person, die sich dafür entscheidet, betrifft, sondern auch alle Personen in deren Umfeld, die mit dieser drastischen Entscheidung dann weiterleben müssen. Mein Vater hat sich nämlich suizidiert, als ich 16 war. Ich bin also das Kind einer Person, die diese Entscheidung für sich getroffen hat. Und ich muss mit dieser Entscheidung und den Wunden, die das gerissen hat, seit nunmehr 23 Jahren leben...


Rosenheimerin 
Fragesteller
 07.10.2023, 14:15

Das tut mir leid, dass du darunter so gelitten hast.

Aber ich ich weiß nicht, ob es für Angehörige besser zu verkraften ist einen lieben Menschen leiden zu sehen und dabei zu wissen, dass er lieber an einen schöneren Ort gehen würde

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HappyMe1984  07.10.2023, 14:22
@Rosenheimerin

Nicht "gelitten hast", sondern leidest. Präsenz, nicht Vergangenheit. Auch wenn ich selbstverständlich gelernt habe, mein Leben trotzdem weiter zu leben, zu genießen und sehr zu mögen, ist das eine Wunde, die immer bleiben wird.

Und nein, damit bin ich definitiv kein Ausnahmefall. Suizid hinterlässt bei Angehörigen sehr, sehr oft genau diese schweren, tiefen, bleibenden Wunden.

Möglich, dass das weniger schwerwiegend wäre, wenn im Rahmen eines Gesetzes klare Vorgaben hinsichtlich des Ausschöpfens therapeutischer Möglichkeiten bestünden und somit wirklich Sterbehilfe erst zum Einsatz kommt, wenn es auch für die Angehörigen nachvollziehbar wird, dass es für den geliebten Menschen eben keine andere Option mehr gab. Aber das ist dann eben auch nur ein weiterer Aspekt, den man in so einem Gesetz berücksichtigen und vernünftig regeln muss!

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