Warum gab es früher im vergleich zu heute so viele Kriege?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das, was du hier erfragst hat durchaus etwas mit Globalisierung zu tun, aber nicht unbedingt mit dem Internet. Denn die Ursache, warum es heute nur noch "selten" Kriege gibt, ist älter als das Internet.

Die Ursache dafür ist nämlich der Zweite Weltkrieg.

Zunächst aber einmal: Was hat dafür gesorgt, dass es früher so viele Kriege gab?

Erstmal waren die Leute anders drauf. Man merkt schnell, dass das Leben früher einen anderen Stellenwert hatte und dass Provokationen und Angriffe, egal ob physisch oder verbal, deutlich härter aufgenommen wurden.

Zudem war die breite Masse der Leute ungebildet. Schule gab es nur für die Reichen und Geistlichen. Und die Kenntnissstand in der Wissenschaft war, nachdem die Kirche 1000 Jahre lang die Wissenschaften unterdrückte, auch noch recht eingeschränkt.

Die persönliche Ehre hatte einen hohen Stellenwert.
Und wenn du Kindergartenkindern nicht beibringst, sich ohne Gewalt zu vertragen, dann schlagen die sich auch bei der ersten Gelegenheit. So ist einfach das ureigene Wesen des Menschen aus der Zeit bevor es Zivilisation gab.
Wenn du einem Raubtier erklären willst, warum es dein Leben für dich wertvoll ist, dann stirbst du schneller, als bei einem Kampf.
Und so ist das auch zwischen Menschen. Wer sich runtermachen und erniedrigen lässt, verliert die Dominanz in einer Gruppe. Emotionen verleiten einen dann dazu, diesen Platz zu waren und der sicherste Weg um seine Position zu verteidigen war wahrscheinlich, die andere Seite einfach auszulöschen.

Evolutiv also ein Erfolg.
Kultur hat aber eben nichts mehr mit der Natur zu tun. Die Natur muss nicht fair sein, sie muss nur funktionieren.
An die Kultur wurden andere Ansprüche gestellt.

Und wenn ein König nun seine Dominanz über andere zeigen wollte, dann führte er Krieg. Sonst hätte er sein Ansehen und in Folge dessen am Ende seine Position und Macht verlieren können.

Nach der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Wissenschaften aber stärker und Kirche, Autokraten und Monarchen schwächer.

Die Schule wurde bis zum 20. Jahrhundert für immer mehr Menschen zugänglich und jeder konnte eine ähnliche Grunderziehung erfahren, die auf ein friedlicheres Miteinander abzielte.

Nationalstolz war aber eben eine große Sache.
Es gab durchaus viele Patrioten, also Leute, die ihr Land sehr mögen, ohne dabei andere einzuschränken.

Der wachsende Nationalismus, also sein eigenes Land über andere in eine Ordnung zu stellen, war letztlich das, was zu Kriegen führte.

Und daraus entstand der Erste Weltkrieg: Jeder beteiligte Kämpfte im Grunde für die Ehre und die Position des eigenen Landes in der europäischen Weltordnung.

Die Leute waren Kriegsbegeistert.
Die Franzosen, weil sie Deutschland die Erniedrigung des Krieges von 1870/71 heimzahlen wollte, die Deutschen hingegen, weil ihr Land durch den Krieg endlich entstand.

Die Briten konnten die Deutschen davon abhalten, ihnen die Weltordnung streitig zu machen.

Jeder glaubte praktisch, dass eigene Land sei das beste auf der Welt und alle anderen sind Untermenschen.

Wie das ausging, wissen wir ja.

Allerdings war der Erste Weltkrieg ein Schock für die Welt.
Und man unternahm die ersten Versuche, eine friedliche Weltordnung anzustreben, in der es keine Machtmonopole mehr gab.

Die Eroberung der Welt kam vorerst zum Ende.

Aber die Deutschen empfanden ihre Strafe für die Kriegsniederlage als zu schwer und kamen mit der neugewonnen Demokratie, die in einem schlecht ausgewogenen System gelebt wurde, nicht zurecht.
Letztlich war es eine Frage der Zeit, wann eine demokratieverabscheuende Partei an die Macht kam.
Ob es nun die Nazis oder die Kommunisten waren.
Und es wurden die Nazis.

Aber nicht nur bei den deutschen hatte der Ausgang des Ersten Weltkriegs eine Auswirkung auf die Zufriedenheit und die zukünftigen Bündnisse.

Japan wurde mehr oder weniger über den Tisch gezogen. Viele Länder hatten Versprechungen von der Entente (den Alliierten des Ersten Weltkrieges) erhalten, aber viele wurden nicht erfüllt. Das verärgerte die Leute und dadurch, dass viele Monarchien abgeschafft wurden, waren die Leute verunsichert, wie sie ihr Land geführt haben wollten.

Hauptsächlich gab es die Kommunisten und die Nationalisten.

Und in Deutschland, Japan und Italien erlangten die Nationalisten zu große Macht.
Deutschland wurde immer mächtiger und letztlich kam es zum Zweiten Weltkrieg.
In vielen Ländern marschierten die Nazis ein und nutzten die nationalistischen Bewegungen, um das Land unter Kontrolle zu halten.

Nur wurde der Zweite Weltkrieg schnell zum schrecklichsten Krieg, den die Welt je erlebt hatte.

Im Ersten Weltkrieg leideten vor allem die Soldaten, im Zweiten Weltkrieg aber die Bevölkerung.

Deutschland kapituliert erst nach fast 6 Jahren, wovon 4 Jahre lang Vernichtungskrieg im Osten betrieben wurde. über 25 Millionen sowjetische Staatsangehörige wurden getötet, nur die Hälfte davon waren Soldaten.

Leningrad wurde fast 900 Tage land belagert, um die Bevölkerung ohne direkte Kampfhandlung auslöschen. Das Ziel war, die Menschen verhungern und erfrieren zu lassen und über 1 Mio. Zivilisten sind in der Stadt gestorben.
Wenn du dir durchliest, was für Umstände alleine im ersten Winter bestanden, erhältst du einen kleinen Eindruck davon, was der Krieg für viele Millionen Menschen bedeutete.

Fast ganz Europa wurde von den Nazis und dessen Getreuen in anderen Ländern terrorisiert.

Und die ganze Welt war eben Teil dieses Krieges.

Die Globalisierung ermöglichte das und im Nachhinein eben auch die Nachrichtenverbreitung.

Der Zweite Weltkrieg veranschaulichte der ganzen Welt, zu was sich Kriege mittlerweile entwickelt hatten. Deshalb entstand eine Haltung, nie wieder Krieg zu führen. Europa zog sich während des Kalten Krieges zunehmend aus Kriegen zwischen Ländern zurück.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es dann noch einen Zwischenfall, der maßgeblich dafür ist, warum es heute besonders zwischen den früher ständig kriegführenden Parteien keine bewaffneten Konflikte mehr gibt:

Am 6. und 9. August 1945 wurden über Japan zwei Atombomben abgeworfen und sorgten dafür, dass der reale Schrecken vor diesen Waffen entstand.

Nachdem 1949, 1952 und 1960 dann auch noch die UdSSR, Großbritannien und Frankreich zu Atommächten wurden, hatten sich Kriege mit diesen Ländern praktisch verboten.

Heute gibt es noch ein paar Länder mehr, zudem haben Deutschland, Italien, die Niederlande, Belgien und die Türkei die nukleare Teilhabe an amerikanischen Atomwaffen. Das heißt, im Notfall dürfen sie diese Waffen im Einverständnis der USA verwenden.

Zudem gibt es völkerrechtlich nur einen Fall, der den Kampfeinsatz von Atomwaffen zulässt (also diesen erlaubt): Wenn das betreffende Land selbst kurz vor der Auslöschung steht.

Und dazu könnte es im Kriegsfall eben kommen.

Zusammenfassend also nochmal:
Der Zweite Weltkrieg hat der ganzen Welt gezeigt, was Kriege anrichten können und dass es immer schlimmer wird.
Atomwaffen schrecken Länder davor ab, Kriege zu führen.
Und eine allgemeine Erziehung hin zu gewaltfreier Konfliktlösung ist immer mehr Menschen zugänglich.

Hans19996 
Fragesteller
 27.10.2020, 21:51

Vielen Dank für diese ausführliche Antwort :D

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Oder kann es daran liegen das es früher kein Internet gab und man deshalb kaum die Möglichkeit hatte seine Nachbarländern zu "beobachten"

Glaube mir, um das jeweils andere Land zu beobachtern benötigt man kein Internet. Der Gegner wurde immer schon beobachtet. Mit allen erdenklichen Mitteln.

Was meinst Du, wo die Spionagefilme herkommen, was der Hintergrund des Ganzen ist?

Warum gab es früher im vergleich zu heute so viele Kriege?

Weil es auch wesentlich mehr potentielle kriegsführende Akteure gab, bei den ganzen Zwergstaaten.

In den Besten Zeiten hatte ja etwa allein das Heilige Römische Reich an die 200 Fürstentümer, Bistümer etc. die bis zu einem gewissen maß eigenständig waren.

Kannst mal ausrechnen, wie viele Kriege die zeitgleich gegeneinander führen konnten ohne auch nur eine europäische Macht außerhalb des Reiches da hinein zu ziehen.

Entsprechend war, was früher für einen Krieg galt, dann auch nur etwas, was man vom Außmaß her heute als "Scharmützel" abtun würde.

die kriege gibt es doch immer noch, nur werden sie weniger mit physischen waffen ausgetragen.

wir haben heute einfach andere möglichkeiten krieg zu führen und müssen dafür weniger zur physischen waffe greifen.

zudem sind die ländergrenzen heute weitgehend stabil.

man muss nicht mehr viel land besitzen um macht zu haben, das geht heute anders.

Damals gab es zum Beispiel solche Kriege wo zwei Könige oder Fürsten ihre Armeen auf einer großen Wiese gegenüber gestellt haben und sie dann gegeneinander kämpfen lassen haben.

Man muss dazu wissen dass die Geburtenrate damals noch deutlich höher war als heute und dass die Nahrungsproduktion weit weniger effektiv war und dass Soldaten zu dem untersten Stand gehörten.

Die anderen Menschen waren Bauern, Handwerker und auch Tagelöhner. Die Soldaten waren Leute die keinen anderen Job gefunden haben.

Wenn der Landesfürst dann gesehen hat dass die Nahrungsvorräte aufgrund einer miesen Ernte wohl nicht so groß sind, dann konnte er damit rechnen dass es im Winter/Frühling dazu kommt dass die Leute hungern/sterben werden oder es dann zu Konflikten innerhalb der Bürgerschaft kommt.

In weiser Voraussicht hat er dann den untersten Stand gesammelt um die Leute mit Hilfe eines anderen Landesfürsten zu dezimieren. Solche Kriege waren in der Regel nach Stunden oder wenigen Tagen vorbei.

Diese Leute wurden aber natürlich nicht nur sinnlos eingesetzt um sich gegenseitig abzuschlachten, sondern auch um das Gebiet zu vergrößern oder zu verändern. Diese Kriege waren aber sehr kleine Kriege und die stehen oftmals auch in keinem heutigen Schul-Geschichtsbuch.

Heutige Kriege sind aufgrund der technologischen Entwicklung und auch aufgrund einer anderen politischen Situation in der Regel viel größer oder langanhaltender.

Es gibt in Afrika Konflikte die schon seit Jahrzehnten anhalten, nur gibt es niemanden aus der westlichen Welt der darüber berichtet oder sich dort einmischt.