Gibt es ein Ereignis in deinem Leben?

15 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich habe den Tod eines Jugendfreundes, bei dem ich wirklich bis zum letzten Atemzug am Bett gesessen bin, miterlebt. Ich hielt bis zum Schluss seine Hand und sprach mit ihm, ich war damals 21. Das war tragisch: Man hat ihn falsch behandelt. Sein Einlieferungsgrund hätte nicht zum Tod führen müssen. Das Thema beschäftigte damals Gerichte, es gab viele Tränen und viel Ärger, die Gattin eines beteiligten Arztes hat sich während dem Prozess das Leben genommen. Irgendwo habe ich noch ein paar alte Zeitungsberichte und die Todesanzeigen. Das Foto des Freundes steht bis heute in meinem Wohnzimmer, er war ein guter Mensch und fehlt mir immer noch sehr.

Habe schon unmittelbar nach seinem Tod gemerkt, dass es auch Menschen gibt, die scheinbar "drittklassig" sind. Ich bin bis heute der Meinung, dass man ihn bewusst sterben bzw. regelrecht verrecken ließ oder seinen Tod von ärztlicher Seite zumindest billigend in Kauf nahm. Hintergrund: Er wurde in einem kleinen Landkrankenhaus behandelt, dessen Ruf es ist, dass dort Patienten die Mitglied eines obskuren Fördervereins sind, besonders sagen wir "liebevoll umsorgt" werden - und wer da nicht drin ist oder gesellschaftlich keine Rolle spielt, der wird entsprechend vernachlässigt. Ich weiß aus erster Hand von einem ehemaligen Arzt und einem früheren Vorstandsmitglied dieses Vereins, dass zumindest damals Listen kursierten, wer da Mitglied ist und wer nicht.

Nachweisbar ist sowas natürlich nicht, aber es gab schon mehrere solcher Fälle und mein Freund als einer, der gesellschaftlich unbedeutend war und sogar auf der Bank mal den Kontozugang verweigert bekam weil man ihn nicht kannte, der wenige Kontakte hatte und als komischer Mensch galt weil er nicht in die Vereine ging, erfüllte Punkt für Punkt alle Voraussetzungen dafür, dass man ihn da regelrecht verrecken ließ - "ist doch nur der Herr XYZ, den kennt sowieso niemand, der ist nicht wichtig und Verwandte hat er auch nicht". Ich glaube bis heute, dass da was dran ist und man ihm geholfen hätte, wäre er im Förderverein gewesen, eventuell in der CDU und möglicherweise im Roten Kreuz oder bei den Kolpingbrüdern oder sonst wo Mitglied.

Meine frühere Freundin wurde im selben Haus auch mal sehr schlecht behandelt - und auch sie war niemand, der "wichtig" gewesen wäre; sie war "nur" irgendeine Siebzehnjährige, die sich den Fuß gebrochen hat beim Gardetanzen ... auch das war ein elendiger Hickhack und einfach nur grässlich. Wäre sie aus einer "besseren Familie" gekommen und wäre ihr Vater z.B. Ratschreiber statt einfacher Bauer gewesen, wäre das besser gelaufen.

In dem Moment habe ich schlagartig gelernt, wie wenig ein Menschenleben unter Umständen wert sein kann, wenn es nicht optimal läuft. Vermutlich hat sich mein Gerechtigkeitssinn dadurch noch stärker ausgeprägt. Auch das Aufwachsen als "Ausländerkind" im Vorstadtmilieu der 90er war nicht einfach, weil es viele Diffamierungen gab. Deswegen konnten z.B. Autos für mich oft nicht groß genug sein, ein Umdenken brachte jedoch mein BMW 728i mit sich (E38 Serie damals) - der war unzuverlässig und ich merkte, dass ein Auto nur fahren muss und es nix bringt, wenn es das nicht tut. Heute fahre ich eine 19 Jahre alte, verbeulte Mercedes E-Klasse in langweiligem Silber; ein absolut biederes und spießiges Auto, aber es fährt und ist wirtschaftlich und ich brauche keine Statussymbole mehr.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Christina168 
Fragesteller
 27.07.2023, 11:36

Das ist ja furchtbar, was damals passiert ist. Mich erschüttert das sehr und ich fühle mit. Darüber werde ich mir mit Sicherheit noch viele Gedanken machen.

Deine Erkenntnis stimmt hundertprozentig und sie hat dich unter anderem geprägt. Ich wundere mich inzwischen nicht mehr über deine weisen Antworten!

Wieder ein liebes Dankeschön dafür!

LG von mir

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rotesand  29.07.2023, 23:14
@Christina168

Danke!

Ich habe schon viel erlebt, das stimmt. Es ist nicht immer von Vorteil, aber auch nicht immer zum Nachteil gewesen und alle diese Erfahrungen prägen einen oft mehr, als dass es einem recht ist.

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Bad trip mit Cannabis. Ich hatte eine derealisation hab alles anders gesehen und wie als wäre ich in einem Film wo ich Szenen drehen muss und immer eine andere.

Mein Denken, mein handeln und fühlen ist seitdem anders bin jetzt auch anti drogen und alkohol etc. Weil ich seitdem so schiss vor hab

Meine Angststörung ist 100x größer geworden und hab nach 3 Wochen dann das komplette Paket dpdr bekommen.

und ich weise Symptome von PTSD auf aber ich hoffe dass die auch schnell wieder weggehen

🤔 Wenn ich es recht bedenke ... waren zwei Ereignisse recht aufrüttelnd in meinem bisherigen Leben:

  • mit 14 bekam ich eine schallernde Ohrfeige von meinem Pflegevater, weil ich am Abendbrottisch mit Gästen schon von meinem Glas genippt hatte, obwohl das Essen noch nicht "offiziell eröffnet" war - sozusagen der Tropfen, der das ohnehin schon volle Scheißfass an Demütigungen zum Überlaufen brachte. Ich schrie ihn ENDLICH an und flüchtete ENDLICH - das war ENDLICH der letzte Tag in dieser Pflegefamilie, ich zog gänzlich zu meiner alleinstehenden Mutter.
  • Als Student erlebte und überlebte ich ein schweres Zugunglück (ein halbes Dutzend Tote und viele Verletzte) - durch PUREN Zufall saß ich nicht direkt im zerfrästen Abteil, sondern nur auf der Zugangstreppe - haarscharf am Tod vorbei - ich half dann noch die Toten bergen - ich denke nicht oft daran - aber habe das Gefühl, dass ich seitdem insgeheim viel achtsamer und dankbarer lebe.
Christina168 
Fragesteller
 26.07.2023, 18:08

Das ist ja richtig heftig! Ich merke immer an deinen Antworten, dass du ein sehr reifes Empfinden und Denken hast. Jetzt weiß ich warum.

Danke für deine offene Antwort!

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Floflix  26.07.2023, 18:14
@Christina168

Vielen Dank - auch für solche Fragen von dir an uns - solche mit etwas tieferen Wurzeln und weiteren Verästelungen

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Eines? Jede Menge...

Ein Beispiel:

Ich bin in einem Gasthaus aufgewachsen, Familienbetrieb... Da war immer sehr viel zu arbeiten, schon von klein an. Irgendwann fragt man sich dann, warum das alles, wieso muss ich jedes WE arbeiten wie ein Irrer, wenn meine Freunde und Bekannten alles machen können was sie wollten.

Ich habe 2 Schwestern, die mussten natürlich auch immer helfen, aber immer nur in der Küche... Aber beide waren bedeutend älter als ich und konnten diesem Gewerbe auch viel abgewinnen, eine wurde sogar Köchin.

Ich war immer im Service und mein Vater war nicht sehr gut zu mir in den Kindertagen. Es gibt Elternteile, die können mit den Kindern erst was anfangen, wenn sie älter werden. Er war oft sehr ungerecht und schrie mich oft ohne Grund an, ich hatte panische Angst vor ihm. Mit der Zeit lernte ich all das und mein Leben zu hassen. Meine Mutter war oft der Ruhepol...

In der Schule war ich zwar gut, hatte aber wenig Freunde, weil eben Gasthaus. Leider hatte ich auch ein paar Mobber, die mich gerne als Opfer auswählten... Tja, irgendwann lernte ich mich zu verteidigen, obwohl ich kleiner war und Gewalt hasste, es war das einzige was half.

Weiters waren unsere Nachbarn mit uns Verwandt, aber deren Söhne waren unglaubliche Arschlöcher, obwohl sie eigentlich nette Eltern hatten. Einer hat wilde Gerüchte über mich verbreitet und sich riesig gefreut, als unser Hund starb. Der Kerl ist mit Abstand einer der widerlichsten Menschen, die mir jemals begegnet ist, und da gab es viele in meinem Leben.

Weiters hatte ich noch zusätzlich sehr schlechte Augen und sehr schwere, schmerzende Knieprobleme (Ja schon sehr früh, war aber nicht dick), weshalb ich nicht mal richtig Sport machen konnte. Ich war sozusagen Gefangen... Im Service musste ich oft eine Schiene tragen, aber arbeiten musste ich trotzdem. Einige Stammgäste machten oft sehr schlimme Bemerkungen, die mein Vater getrost ignorierte. Sobald ich mich wehrte, hieß es immer "Wir leben von den Kunden, also benimm dich!". Ich ging auch später dann normal arbeiten, konnte aber viele Jobs wegen meiner Ausbildung (Handelsschule) nicht lange halten, weil einfach die Praxis fehlte. Ich machte dann eine weitere Ausbildung in der Technik, was auch sehr schwierig war, weil ich einen extrem schlechten Chef und einen noch schlechteren Ausbilder hatte. Trotzdem habe ich es durchgezogen...

Oh mann, wie oft ich schon nicht mehr leben wollte damals, und wie vielen Leuten ich den nur grausamsten Tod wünschte...

Alles änderte sich mit meinen Auszug. Das erste mal im Leben hatte ich die Freiheit das zu tun, was ich wollte, wann ich wollte und wie ich es wollte. Das hat mein Leben verändert.

Ich wurde operiert (2x) - Knie wieder Ok

Ich ging Lasern - Augen repariert

Ich konnte Sport machen, verlor Gewicht, ging in die Therapie und nehme seither Tabletten - Psyche wieder ok

Ich fand Freunde, neue und alte.

Der Abstand zu allem war sehr gut. Das Verhältnis zu meinen Eltern ist gut.

Wenn jemand fragt, ob ich noch mal Jung sein will, Gott bewahre, auf keinen Fall. Richtig gut gehts mir erst seitdem ich 25 wurde...

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Christina168 
Fragesteller
 31.07.2023, 12:33

Vielen Dank für deine beeindruckende und offene Antwort !!

Deine bitteren Erfahrungen haben dich zu dem werden lassen, was du jetzt bist.

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße

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Bensonbenson  31.07.2023, 18:12
@Christina168

Besten Dank, ja war schon beinahe Buchreif. Vor allem kann man sich in den anonymen weiten des Internets richtig auslassen. Gestatte Die Frage: wieso das Interesse an solchen Dingen?

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Christina168 
Fragesteller
 31.07.2023, 18:22
@Bensonbenson

Mich interessieren Menschen, deren Schicksale, ihr Denken, was sie bewegt und oft finden sich Parallelen zu meinem Leben.

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Bei mir war ähnliches passiert, wie auch schon in einer Antwort hier, Ich war damals 14 Jahre und hatte über Nacht mein 19 Jährigen Bruder verloren.

Meine Schwester (damals 16 Jahre) hat mich aus dem Schlaf gerissen mit den Worten .... ist Tod.

Es war für mich der größte Schock und das Schmerzhafteste, was ich nie vergessen werde.

Danach hab ich zum Glück viel halt bei Verwandten/Freunde gefunden mit denen ich drüber reden konnte um es besser zu verarbeiten und selbst ansatzweise damit klar zukommen.

Mit meiner Mutter und meiner Schwester kann ich auch darüber reden, mein Vater leider bis heute nicht, sobald das Thema erwehnt wird, geht er.

Es gibt Leute, die halten nichts von Psychologen oder Familien Therapie, aber ich bin von überzeugt, bei uns hätte es helfen können, leider haben wir es nicht gemacht.

Somit hab nur ich etwas hilfe bekommen durch meinen Verwandtschaft und Freunde.

Ob es mich verändert hat, weiß ich nicht, ich war noch nicht erwachsen, aber es hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.

Dennoch, ich vermisse ihn, wie sehr, kann ich nicht in Worte fassen, nie mit ihm über ernste Sachen zu reden, Rat bei ihm zu suchen, Feiern zu gehen mit ihm und mal mit ihm ein zu Trinken, alles das was man mit Geschwistern macht.

Das war ein Ereignis in meinem Leben, was mich aufjedenfall geprägt hat oder auch verändert.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Christina168 
Fragesteller
 28.07.2023, 12:11

Das tut mir sehr leid. Es wird dich verändert haben, wenn auch nicht sofort für dich zu merken.

Danke für deine offene Antwort.

LG von mir

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Maeuschen11  30.03.2024, 13:10

Das tut mir sehr leid für dich…. :(

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