Autistische Tochter die gerne schlägt und schreit!?

LouPing  30.07.2023, 18:24

Was sagen den behandelnde Ärzte/Therapeuten dazu?

Paddy518 
Fragesteller
 30.07.2023, 19:00

Eigentlich immer das gleiche... Wir sollen verschiedene Situation gewaltfrei mit ihr üben! Das "üben" wir jetzt schon gute 6 Jahre ohne Erfolg.

5 Antworten

Es mag für euch grundlos erscheinen - aber eure Tochter hat bestimmt ihre Gründe.

Schimpfen bringt auch nichts.
Hat es noch nie.

Mir scheint es, als wolltet ihr unbedingt ein neurotypisches Kind aus ihr machen und ignoriert seit Jahren, dass ihr Gehirn nun mal anders funktioniert.

Beobachtet doch mal sehr genau, was vorm Schlagen passiert.
Analysiert die Umgebung, reflektiert euer eigenes Verhalten.

Wenn ihr seit 6 Jahren übt, dann ist die Vorgehensweise nicht die richtige und wohl eher auf neurotypische Kinder ausgelegt.

Mache dir lieber Gedanken darüber, dass deine Tochter Masking in der Schule betreibt - angepasst in der Schule - und zuhause praktisch zusammenbricht.
Also einen Meltdown bekommt.

Folgen des Maskings:

https://www.healthline.com/health/autism/autism-masking#definition

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema
Wir sind Gegner von Gewalt an Kindern, darum versuchen wir es seit gut 6 Jahren mit sprechen oder schimpfen

Schimpfen ist nicht gut. Das sorgt nur für noch mehr Frust.

In der Schule ist sie das liebste Kind, aber Zuhause oft ein " schlagender Brüllaffe"...! 

Klingt ganz nach mir. So war ich früher ebenfalls, wenn auch nicht zwingend so extrem. Bei meiner Mutter habe ich mich eben am wohlsten gefühlt. Da konnte ich das alles rauslassen, all die Last und meine Emotionen.

Wir waren schon bei sämtlichen Psychologen mit ihr,aber eine wirklich hilfreiche Antwort haben wir nie bekommen!

Kaum verwunderlich. Kaum ein Psychologe kennt sich tatsächlich mit Autismus aus. Es wird dauern, einen Arzt (Neurologen/Psychiater) zu finden, der darauf spezialisiert ist. Die sind ja selbst für die Diagnostik nur schwer zu finden.

Unsere Kleine besucht auch eine Förderschule mit sämtlichem Therapien. 

Das heißt leider noch lange nicht, dass die sich dort mit Autismus auskennen. Ich war selbst als ehemalige Schülerin auf einer Sprachheilschule und einer Schule für körperlich und geistig Behinderte und die hatten keine Autismus-Kompetenzen. Nicht die Geringste.

Hat jemand eine Idee, wie wir der Kleinen das oft schmerzende Schlagen abgewöhnen könnten?? Natürlich ohne jegliche Gewalt!!

Also gut, nun komme ich zu meiner Idee. Zuerst einmal: Nimm mir das bitte nicht übel, aber es liest sich so, als hättet ihr euch kaum über Autismus belesen. Für mich erscheint es relativ simpel.

Es gilt, die Auslöser zu finden.

Ich gehe mal davon aus, dass ihr bereits wisst, dass wir Autisten Reize anders wahrnehmen. Meistens - aber nicht immer - intensiver. Habt ihr jemals versucht, herauszufinden, ob es daran liegen könnte?

Dann gäbe es noch einen möglichen Auslöser: Passiert das vorallem dann, wenn sie von der Schule Zuhause ist? Kein Wunder: Schulen sind ein sensorischer Albtraum. Wenn es nicht das Schulgebäude an sich ist (helle, bunte, grelle Farben, grelle Lichter etc.), dann sind es die Mitschüler. Schulen sind laut, Schulen sind chaotisch. Und das mögen viele von uns Autisten nicht. All diese Reize stauen sich auf und ich denke, sie kämpft in der Schule so stark damit, keinen Melt- oder Shutdown zu bekommen, dass sie ihn rauslassen muss, wenn sie Zuhause ist.

Du schreibst, in der Schule ist sie ein liebes Kind. Das lässt mich direkt an Masking denken. Mir schrillen die Alarmglocken. Autistischen Mädchen wird häufig gesagt, sie wären ja in der Schule "ach so lieb", aber das ist meistens nur so, weil autistische Mädchen und Frauen am häufigsten von Masking betroffen sind. (Falls du nicht weißt, was das ist, ist der Link gut: https://www.healthline.com/health/autism/autism-masking )

Besonders, da der Kontrast von Schule zu Zuhause so krass ausfällt, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie - zumindest bis zu einem gewissen Grad - versucht, ihren Autismus innerhalb der Schule zu verstecken. Klar, das ist eine Förderschule, aber mir war mein Autismus damals (ich wurde ungefähr mit 9 Jahren diagnostiziert) auch unglaublich peinlich.

Es wäre wichtig, mit ihr darüber zu sprechen, wie sehr sie tatsächlich sie selbst sein darf in der Schule. Wie sehr darf sie ihr autistisches Selbst sein? Was ist mit ihren sensory needs? Wie viel Entgegenkommen erfährt sie? Darf sie Stimming betreiben (Das ist sehr wichtig für uns Autisten)? Wenn die Lehrer darauf nicht achten können, ist diese Schule leider nichts für sie.

Denkt ihr denn, es könnte sich um einen Meltdown handeln? Ein Meltdown ist im übrigen kein Trotzanfall. Fühlt sie sich während diesen Phasen eventuell so, als könne sie ihren eigenen Körper nicht mehr kontrollieren, wie in einer Trance? Als würde ihr alles um sie herum zu viel werden? Und ist sie danach sehr erschöpft? Das könnten Anzeichen für einen autistischen Meltdown sein.

Ein weiterer möglicher Auslöser wären z.B. ihre eigenen Emotionen. Ich weiß: Manche behaupten, wir Autisten hätten keine Emotionen, aber wir haben oft sogar zu viele. Ich kenne das von mir selber. 80% meiner Meltdowns - auch wenn sie, zum Glück, nur noch selten geschehen - werden ausgelöst durch meine negativen Emotionen, die mich einfach plötzlich überrennen. Das kommt selbstverständlich nicht bei jeder negativen Emotion vor. Es muss sich erstmal über einen Zeitraum aufbauen. Irgendwann macht mein Gehirn einfach waaaaaaaaah!!! Ich schlage dann allerdings mich selbst und nicht andere.

Was mir noch einfallen würde: (Für eure Tochter) unvorhersehbare, spontane Planänderungen. Wir Autisten mögen es ganz und gar nicht, wenn wir einen festen Plan für den Tag oder gar die Woche haben und dieser durch irgendetwas aus der Bahn geworfen wird. Unser Gehirn dreht da durch. Unser Gehirn, alles in und an uns, hat sich darauf vorbereitet, dass das und das so und so und dann und dann mit dem und dem laufen wird.

Passieren diese Meltdowns (auch) in solchen Situationen? Wenn geplant war, dass ihr gemeinsam wo hin geht, aber das nicht funktioniert? Oder wenn beispielsweise eine Freundin sich mit ihr verabredet hat, sie aber kurz vorher absagen muss? Das kenne ich von mir selber. Ich habe keine Meltdowns deshalb, aber es macht einen schon echt enttäuscht, traurig und verwirrt. Könnte mir vorstellen, dass sich das bei ihr - besonders, da sie ja noch jünger ist - so zeigen kann. Ich habe beispielsweise auch mal gehört (weil ich das Problem selber nicht so stark habe), dass es so ist, wie ... Nun ja, dein Gehirn hat sich darauf vorbereitet, du hast dich darauf vorbereitet, von so und so viel Uhr Aktivität X zu tun. Und jetzt, da diese ausfällt, weshalb auch immer, hast du all diese freie Zeit. Du könntest sie sinnvoll nutzen. Du könntest sie auch weniger sinnvoll nutzen. Aber nope, du sitzt nur da. Starrst die Wand an. Unfähig dazu, all die freie Zeit zu füllen. Das liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit den Problemen mit den Exekutiven Funktionen zusammen, die viele Autisten (und auch ADHSler) haben.

Es gibt sicherlich noch mehr mögliche Auslöser, die mir gerade nicht einfallen.

Es liest sich nämlich so, als hättet ihr noch gar nicht daran gedacht, dass es sich bei ihr um einen Meltdown handeln könnte. Die Wahrscheinlichkeit ist - aufgrund ihres Autismus - sogar ziemlich hoch.

Wenn ihr den Auslöser oder die Auslöser wisst, könnt ihr besser damit arbeiten.

Ich hoffe, das hat in irgendeiner Art und Weise geholfen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Paddy518 
Fragesteller
 07.08.2023, 19:38

Sorry, Grade erst gelesen...! Vielen Dank für deine netten Worte!! Du hast meine Tochter sehr gut und oft wiedergespiegelt!! Auf jeden Fall hilft uns das weiter!

LG und Dankeschön!

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Ich entnehme den Text, dass ihr noch nicht mit ihr in Therapie seid. Ich denke dass ist aber notwendig, "Hausfrauentipps" werden hier realistisch nichts bringen. Selbst in einschlägigen Ratgeberforen wäre ich sehr vorsichtig, kann schnell nach hinten los gehen. Auch ein autistisches Kind kann lernen, dass Gewalt zu unterlassen ist (ich formuliere das jetzt absichtlich nicht so lapidar wie "nicht okay"), d.h. irgendwo lasst ihr ihr Lücken, die sie ausnutzt bzw. irgendwas triggert sie so sehr, dass sie das Verhalten nicht unterbinden kann.

Sprechen/Schimpfen --> Wie sieht es aus mit Konsequenzen aus dem Handeln?

Wie ist ihr Verhalten denn nach so einer Aktion? Entschuldigt sie sich? Zeigt sie Reue?


Paddy518 
Fragesteller
 30.07.2023, 18:40

Da habe ich mich etwas ungenau ausgedrückt... Unsere Tochter geht auf eine Förderschule, wo sie sämtliche Therapien hat. Natürlich sind wir auch oft konsequent und sagen auch Mal "Nein", wenn sie etwas haben möchte. Sie ist eine sogenannte "Atypische Autistin", warum sie auch oft im Sekundentakt ihr Verhalten ändert... Und dann auch nach mir und meiner Frau schlägt. Wir waren darum schon bei sämtlichen Psychologen, aber einen wirklich hilfreichen Ratschlag haben wir nie bekommen. Darum Frage ich einfach Mal Euch hier!

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kiniro  01.08.2023, 19:21
@Paddy518

Welche Therapien sind das denn und besitzen die Therapeuten nachweislich Autismuskompetenzen?

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kiniro  01.08.2023, 19:19

Es kann um Entschjldigung gebeten werden, aber sich selbst entschuldigen ist unsinnig.

Warum.sollte das Kind Reue zeigen, wenn kein Verständnis für ihre Not entgegengebracht wird?

Das Mädchen verbiegt sich über Stunden, ignoriert in der Schule die eigenen Bedürfnisse, um.nicht von.Lehrkräften und Mitschülern blöd angemacht oder gar gemobbt zu werden und du kommst mit "Reue zeigen" um die Ecke.

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Bis zu einem gewissen grad kann ich das Verhalten eurer Tochter nachvollziehen. Selbst neurotypische Menschen kommen nach der Schule, dem Kindergarten und der Arbeit nach Hause uns sind einfach erschöpft. 8h lang Funktionieren müssen. Da kann und darf es zu Hause nicht gleich weiter gehen. Es steht jedem zu, erstmal heimzukommn und die Füße auf die Couch legen zu dürfen bzw. sich zurückziehen zu dürfen. Förderschule stressen. Viele stundenlang will jemand was von ihr, sie wird gefordert, gefördert und ist einfach überreizt wenn sie heim kommt. Ganz normal. Auch bei Erwachsenen ist nach Arbeit die Zündschnur extrem kurz. sie schlagen zwar nicht, aber schimpfen auch eher mit ihren Kindern, wenn sie zu anderen Tageszeiten sonst noch GEduld hätten.

Der zweite Punkt ist, dass sprechen und schimpfen bei Autisten mit intelligenzminderung (?) ebenfalls ein falscher Weg ist. Es führt zu Überforderung. Sie können kognitiv das GEsagte gar nicht verarbetien. Zumal sie sich ja eh shcon in einem Außnamezustand bestinden, wenn sie schlagen und schreien. Am besten ist es, sie gar nicht erst in die Situation zu bringen, dass sie einen Meltdown erleben muss. Die Frage ist, wie gelingt das? Genügt schon, was ich in Absatz 1 gschrieben habe. Oder sollte man sich die Schule nochmal genauer anschauen? Warum funktioniert sie da? Aus Angst = erst Recht verlagerung der Emotionen auf zu Hause. Oder weil die dortigen Fachkräfte mit ihr umgehen können? Können sie euch was von ihrem Handling zeigen? In meiner Arbeit mit Autisten habe ich erlebt, dass man "Arbeit" zum Umlenken verwenden kann. Wenn sich ein Ausbruch gerade erst anbahnt, kann man sie mit einer körperlichen Tätigkeit (ob Gartenarbeit, oder auch STeckspiele, o.ä., die sie sicher können ,sie aber auch etwas fordern) noch mal abfangen. sie arbeiten sich dann wieder "herunter". Dabei wird man zwar die körperliche Nähe herstellen müssen, um denjenigen wieder einzufangen, beim Arbeiten selbst, kann man dann aber wieder die "Wohlfühl-Freiräume" lassen und aus dem Sichtfeld verschwinden und etwas Abstand halten.

Ich würde mal einen Termin bei einem Therapeuten machen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Asperger Autist

Paddy518 
Fragesteller
 30.07.2023, 18:41

Alles schon gemacht...

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kiniro  01.08.2023, 19:23
@Paddy518

Dann scheinen die ungeeignet für Autistinnen und Autisten.

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