Was sind Sprachen mit der exotischsten Grammatik?

martrud  18.06.2023, 14:37

"Kredibilität" ???

Was soll das in diesem Bereich bedeuten ?

ZitrusLiebe 
Beitragsersteller
 18.06.2023, 14:52

Ich habe den Begriff Evidentialität mit Kredibilität verwechselt. Wie sicher man etwas weiß, im Quechua oder Aymara (Südamerika) glaube ich sehr verbreitet.

3 Antworten

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1) Besonders schön finde ich Berik (Neuguinea), es gibt dort Verbformen, die unterscheiden, ob etwas tagsüber oder nachts geschieht. Auch ändert sich der Verbstamm für "geben" je nachdem, ob man 1, 2 oder 3 (oder mehr) Objekte gibt. Auch ändert sich der Verbstamm für "geben" je nach Größe des Objekts.

Folglich ist es was ganz anderes, wenn
jemand einem anderen tagsüber 3 Eier gibt, oder wenn
jemand einem anderen nachts ein ganzes Schwein gibt.

2) Obviativ in Ojibwe:

https://en.wikipedia.org/wiki/Obviative

mayagi‒anishinaabe    "fremde Menschen"
mayagi‒anishinaabe=an "fremde Menschen" (Obviativ, z.B. in einem Traum)

Da musste ich an die "Traumlevel" denken wie im Film Inception.

3) 4.Person in Inuktitut:

https://en.wikipedia.org/wiki/Inuit_grammar

Aullaqtuq taqagama. He1 is leaving because he1 is tired.
Aullaqtuq taqangmat. He1 is leaving because he2 is tired.

Zwar kennt Schwedisch keine "4.Person" bei den Verbformen, kennt aber auch die Unterscheidung zwischen:

Han tvättar sin bil. Er1 wäscht sein1 Auto. und
Han tvättar hans bil. Er1 wäscht sein2 Auto. 

Nur im zweiten Satz ist eine weitere Person involviert. Im ersten Satz wird das eigene Auto gewaschen.

4) Manche Sprachen haben ein komplexes (und ziemlich unvorhersehbares) System, wie man "mein" "dein" "sein" usw. ausdrückt. In Amele (Neuguinea) heißt aide-ni "meine Ehefrau" und aide-g "seine Ehefrau", allerdings heißt es ebe-ni "meine Hand", aber ebe-n "seine Hand". D.h. im Gegensatz zum Finnischen, welches regelmäßige Suffixe agglutiniert, nutzt Amele unregelmäßige (vom Wortstamm abhängige) Suffixe.

Anscheinend haben nur 4 Sprachen so ein kompliziertes System.

5) Objektkongruenz bei Verben ist recht häufig, man findet sie auch in Neuguinea. Wand Tuan (Neuguinea) kennt Verbformen wie "Iye bir m-u-ew"

"Sie (männlich pl.) öffnen Kokosnüsse (iye) für sie (weiblich pl.).

Dieses System ist äußerst effizient und knapp.
m- = Subjekt männlich pl.
-ew = Objekt weiblich pl.

Diese Objektkongruenz (und diese polysynthetische Verbkonstruktion, bei der ein Hilfsverb konjugiert wird, aber der Verbinhalt "bir" "öffnen" konstant bleibt) findet man so ähnlich auch im Baskischen.

Subjektkongruenz (haben wir auch, nur nicht nach Geschlecht getrennt):
Ni kumo wand mand. Sie (männl.) reden laut.
Ni kumo wand rind. Sie (weibl.) reden laut.
Wörtlich "Sie laut sprechen (männlich) tun." +
       "Sie laut sprechen (weiblich) tun." (Wand Tuan)

6) Slave (eine Na Dené Sprache aus Kanada) unterscheidet ähnlich wie Navajo drei Verbstämme je nach Singular/Dual/Plural:

wʰida     ‘be seated.sg’

wʰíkē     ‘be seated.du’

c'edéhkʷ'i ‘be seated.pl’

Zusätzlich gilt für Slave "agrees in number with the agreement affixes" d.h. nach einem Affix für 'wir' muss auch der dritte Stamm mit -kʷ'i benutzt werden (nur 2 Sprachen machen das so).

Das ähnelt etwas dem Berik, dort wird aber der Stamm nach dem Numerus des Objekts gewechselt, bei Navajo und Slave geht es um den Numerus des Subjekts.

7) wie "und" ausgedrückt wird:

Dagbani (Afrika) hat zwei verschiedene Wörter für "und", da Nomen mit einem anderen Wort verbunden werden als z.B. zwei Teilsätze oder Verben. Manche Sprachen kennen kein Wort für "und".

Nivchisch (Sachalin, Ost-Russland) nutzt ein inkorporierendes Muster (atik = Bruder, nanak = Schwester)

P'atik-xe p'nanak-xe pand.
Bruder und Schwester lebten (zusammen).

8) Possessiv-Präfixe

Aus der Menge {Japanisch, Koreanisch, Ainu, Nivchisch} nutzen nur Ainu (Nord-Japan) und Nivchisch Possessiv-Präfixe (auch das p'- ist so ein ähnliches Präfix in Nivchisch)

turesi = Schwester; kuturesi = meine Schwester (Ainu)

Dieses Muster ist für den japanisch-koreanischen Raum unüblich, taucht aber auch wieder in nordamerikanischen Sprachen wie Cree oder Nez Percé auf.

Navajo. Ist so kompliziert, dass es im Zweiten Weltkrieg zur Übermittlung von Botschaften durch die US-Army ohne Verschlüsselung verwendet wurde. Man hatte extra Überlegungen angestellt, ob diese Sprache in Japan jemand gelernt haben könnte und kam zur Auffassung, dass dies sehr wahrscheinlich nicht der Fall ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Navajo_(Sprache)

Ah, ich sehe, Du hast das schon rausgefunden...

Die Türkische Grammatik finde ich nicht exotisch und ist auch sehr einfach. Bestimmt einfacher als die deutsche.


Dontlikeputin  30.08.2023, 14:21

die türkische Grammatik ist sehr regrlmäßig und logisch agglutinierend aufgebaut,aber eben nicht einfach!

Mandinka (West Afrika) fand ich schwierig zu lernen, weil es sog. Partikel gibt, die keine Worte oder so mit eigener Bedeutung sind, aber trotzdem ohne bekannte Regeln in Sätzen eingebaut werden.


ZitrusLiebe 
Beitragsersteller
 14.06.2023, 10:32

Danke. Das erinnert mich etwas an Mandarin.