Warum sollte man Goethes Faust 1 heute noch lesen?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Weil wir es heute dringender als je brauchen, auf entscheidende Fragen Antworten zu bekommen.
Weil es für den Menschen existenziell ist, sich in geistig-seelischer Hinsicht weiter zu entwickeln.

Mit der Figur des Faust hat Goethe den Entwurf eines modernen Menschen
geschaffen. Und dieser moderne Mensch will immer mehr: mehr Wissen, mehr Geld, mehr Sex. Der Kick kann nicht groß genug sein. Grenzen akzeptiert er nicht. Rastlos hetzt er von einem "Event" zum anderen. Sein Versuch, Fesseln von Glauben, Tradition und Natur abzustreifen, muss scheitern.
Zufrieden ist er nie. Gewissenlos zerstört er sogar das, was ihn am
Leben hält.

Über die Reaktionen auf sein Stück, das er selbst nie auf der Bühne
gesehen hat, hat sich Goethe in Gesprächen mit Johann Peter Eckermann
geäußert:

"Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! – Sie machen sich
durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall
hineinlegen, das Leben schwerer als billig. – Ei! so habt doch endlich
einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben, Euch ergötzen zu lassen, Euch rühren zu lassen, Euch erheben zu lassen, ja Euch belehren und zu etwas Großem entflammen und ermutigen zu lassen; aber denkt nur nicht immer, es wäre Alles eitel, wenn es nicht irgend abstrakter Gedanke und Idee wäre!"

Weil es voll spannend ist, ich mag die voll


achwiegutdass  03.06.2017, 19:24

"ich mag die voll"... Meinst du die Faust? :))

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HarleyQuinn97  04.06.2017, 00:24

ich meine Faust 1 und 2, daher Plural

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Man könnte sich zum Beispiel Steve Bannon als (unsympatischeren) Mephisto und Donald Trump als (unsympatischeren) Faust im Faust 1 und auch noch als (unsympatischeren) Kaiser im Faust 2 vorstellen.

Achnee! Ich wusste garnicht, dass man das sollte - geschweige denn, warum:

„Faust“ ist ein Werk, welches die existentielle Situation des Menschen zur Darstellung bringt, und zwar auf höchstem Niveau in Bezug auf formvollendeter Sprache und Ausdruckskraft, genialer Konzeption und eindringlicher, symbolischer Szenengestaltung. Es geht schlicht gesagt um den Sinn des irdischen Lebens aus der Sicht Goethes, die aber beileibe keine sehr subjektive Sicht ist, sondern von jeher als glaubwürdige Gestaltung des menschlichen Schicksals von vielen Generationen literarisch Interessierter bzw professioneller Literaturkenner anerkannt wird.


Es geht in dem Werk um die Seele Fausts (d.h. um die Seele des Menschen schlechthin): Soll sie am Ende dem Herrn (Gott) gehören oder dem Teufel (Mephisto).

Zwischen dem Herrn und Mephisto wird eine Art Wette geschlossen. Mephisto soll Faust durch alle möglichen Reize und Verlockungen dahin bringen, dass er zum Augenblicke sagt: Verweile doch, du bist so schön! Gelingt ihm das nicht, d.h. lässt Faust sein Leben nicht durch allerlei Verlockungen auf ein eingeschränktes, rein irdisches Dasein reduzieren, sondern bleibt er ein immerfort strebender Mensch, dann gehört seine Seele Gott bzw. die Seele Fausts wird erlöst.

Hier geht es also nicht allein um den „höheren Menschen“, d.h. um den wissenschaftlich interessierten, um Erkenntnis ringenden Menschen, sondern jeder sieht sich vor das Problem gestellt, mit dem es Faust zu tun hat: Soll er zu den irdischen Verlockungen uneingeschränkt ja sagen und damit, wie Mephisto von seiner Muhme, der Schlange, sagt, Staub fressen und nichts anderes mehr im Sinn haben (zum Augenblicke sagen: verweile doch, du bist so schön!) oder soll er nach Höherem streben; soll er - wie der dem rein Irdischen zugewandte Mensch - auf der Stelle treten und im Irdischen versinken, oder rastlos sich neuen Entwürfen zuwenden, wenn er den alten erledigt hat (was Faust am Ende von "Faust II" ja tut, sodass er schließlich erlöst, d.h. seine Seele dem Mephisto entrissen wird).

Das Faustdrama handelt nun von den ständigen Versuchen Mephistos, Faust auf seine, des Teufels, Wege zu führen, bis er reif ist (und sagt: verweile doch, o Augenblick, du bist so schön). Mephistos Versuche allerdings scheitern alle – wie gesagt.