Sind Sporen und Kandare beim reiten tierquälerei?

9 Antworten

Von Experte Punkgirl512 bestätigt

Nutze doch einfach die Suchfunktion, diese Frage gibt es bereits einige Male...

Beides kann in den falschen Händen durchaus zum Folterinstrument werden (im übrigen genau wie jedes simple Hundehalsband, um nur mal ein anderes Beispiel nicht auf Pferde bezogen zu nennen...). Beides ist jedoch für einen ganz anderen Zweck entwickelt worden, rudimentär erklärt um mit kleinem Aufwand Hilfen zu verfeinern. Weder ist eine Kandare ihrem Zweck entsprechend richtig benutzt, noch sind Sporen ihrem Zweck entsprechend richtig benutzt, Tierquälerei.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Pferdewirtschaftsmeisterin

Bei manchen Reitern die sehr gut reiten können und äusserst diszipliniert damit umgehen wird das Tier wenig gequält.

Viele könben das aber nicht und ich sehe oft mehrere Formen der Betriebsblindheit wenn ich es Mal so nennen darf:

Erstens Reitlehrer:

  1. Fast alle Reitlehrer haben eine gewisse Meinung zu diesen Werkzeugen. Viele (fast alle die ich kennen gelernt habe) differenzieren nicht mehr: Reiter A mit Sporen, Reiter B aber nicht...

Also wird die Frage ob man mit Sporen reitet nich vom Können sondern vom Reitlehrer oder sogar vom Hof abhängig gemacht. Damit gibt es zwangsläufig eine Mehrheit von Reitern, welche eben NICHT gut genug reiten und es entsteht eine erhebliche Menge an Tierleid.

Zweitens Vorbild:

Weniger gute Reiter orientieren sich gerne an den Profis. Ohne es zu wollen werden dann die Tiere erheblichen Qualen ausgesetzt weil die Anfänger oft gar nicht abschätzen können was sie ihrem Tier das sie lieben gerade antun. Eventuell nicht Mal einen Reitlehrer haben, weil sie in ihrer Jugend schon Reiten gelernt haben. Das habe ich sehr oft erlebt.

Drittens Turnier:

Im Turnier entsteht eine Form von akzeptierten Erfolgsdruck. Die Aussage: "Ohne Sporen ist das so nicht reitbar oder nicht zu gewinnen" habe ich mehrfach gehört. Also wird das Tierleid akzeptiert weil es ja anderst nicht geht (...) und alle finden das ok so, weil es ja jeder so macht.

Viertens: Käufliche Trainer:

Trainer die für viel Geld ein Pferd in Betritt bekommen oder einen Hof für eine Schulung besuchen stehen unter erheblichem Erfolgsdruck. Das Pferd muss in kurzer Zeit eine sichtbare Verhaltensänderung zeigen / erlernen. Der Spruch: "Diese Übung / diese Taktik solltest du Mal ein halbes Jahr anwenden dann klappt das schon" kommt nicht so gut bei der bezahlenden Kundschaft an. Also nimmt man kurzer Hand Sporen, Kandarre, eine kleine Rollkur, Ausbinder, Mouthcloser und mehr und schwupps: Das Tier hat in 5 Trainingsstunden ganz viel gelernt.

Der Trainer hat keine Wahl und der Kunde akzeptiert die Tierqual weil es ja vom Profi kommt und das Pferdchen ja jetzt so viel besser läuft.

Wie ich darüber mittlerweile (für früher schäme ich mich manchmal) darüber denke kann sich jetzt jeder denken.

Wie wäre es mit einer anerkannten Reitprüfung (wie Führerschein) bevor man diese Dinge straffrei verwenden darf?

Wieso reiten auf manchen Turnieren nahezu alle mit Sporen, wenn sie diese eigentlich gar nicht einsetzen müssen?

Wieso gibt es Pferde denen antrainiert wurde, ohne Sporen kaum noch zu weichen?

Ich rate jedem, und das kann sicher wirklich jeder der diesen Beitrag liest, sich einfach Mal ein paar Stunden in die Ecke der Reithalle zu setzen und einfach Mal zugucken wie die Mitreitet mit ihrem Pferd umgehen.

Es gibt definitiv Ställe und Reiter wo das ok ist. Aber ich behaupte es gibt mindestens genauso viele Ställe wo das nicht OK ist. Und selbst wenn es 80 Prozent OK wäre, dann sind 20Prozent Tierleid immer noch zu viel um es so zu akzeptieren.

Meine Meinung.

Woher ich das weiß:Hobby – Eigene Pferde

Kandare und Sporen sind richtig angewendet sogar viel feiner als eine Wassertrense und der Schenkel.

Mit den Sporen kann man die Verbindung von Hinten und Vorne viel besser, feiner und direkter herstellen, da das leichte Druck ausüben dazu führt, dass sich die Bauchmuskeln anspannen. Da kommt der Rücken hoch. Wenn man das mit Schenkel versucht, braucht man Kraft und verspannt. Das ist schlecht für Pferd und Reiter. Darum reiten entsprechend weit fortgeschrittene Reiter, die sich diese auch verdient haben, mit Sporen, um eine noch feiner Hilfengebung zu haben.

Auch die Kandare führt zur Verfeinerung der Hilfen. Der Reiter kann man viel weniger Hand deutlich mehr erreichen und reitet dann schon viel vorsichtiger, weil er weiß, dass die Kandare stärker einwirken kann als eine Wassertrense. Die Kandare wirkt außerdem beizäumend und hilft somit gerade Pferden, die gerne den Kopf hochreißen, den Weg an die Senkrechte zu finden.

Aber Achtung!: bei Pferden, die sich eher von selbst aufrollen und/oder zu tief und eng werden, ist eine Kandare, bei der der Zügel nicht durchhängt kontraproduktiv! Da muss dann erst an der Selbsthaltung mit Hilfe der aufrichtenden Wirkung der Wassertrense gearbeitet werden. Erst wenn sich das Pferd selbst trägt, darf die Kandare überhaupt erst wieder ins Maul! Und das auch nur bei Reitern und Pferden, die die Kandarenreife erreicht haben.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich reite jetzt, zumindest in der Dressur, mit Sporen.

Das hat für mich Vorteile. A) ich habe keine gerte mehr. Dadurch wird die Verbindung pferdemaul-reiterhand ruhiger. Das ist ein Pluspunkt. B) mit wenig Aufwand kann ich dem Pferd bestimmte Lektionen deutlicher erklären. Traversale, KK,...C) ich sitze automatisch aufrechter. Ich habe die schlechte Angewohnheit, beim treiben leicht nach vorne zu fallen. Allein der Placebo Effekt macht, dass ich gerade sitze, ich will nämlich nicht ausversehen an den Pferdebauch kommen mit den Sporen. D) das Bein ist ruhiger und bedachter, ich möchte nicht mit den Sporen unnötig an den Bauch kommen.

Kandare brauche ich zwar nicht, ist in der richtigen Reiterhand aber definitiv kein schlechtes "Werkzeug".

Wie eine Rasierklinge in der Hand eines Affen sind Sporen und Kandarre bei einem Reiter, der nicht vernünftig damit umzugehen versteht.

Bedeutet im Klartext: es kommt auf die Art der Nutzung an.