Mietzuschuss, aber im Hauptmietvertrag mit dem Ex?

3 Antworten

Das SGB II § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung meint dazu in Absatz 1 Satz 1:

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

In Berlin gelten für einen Single 400nochwas als angemessene Warmmiete. Siehe diese Quelle.

In den ersten sechs Monate greift aber eine Ausnahmeklausel, siehe Absatz 1 Satz 3:

Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Nun kann er sicher locker sofort untervermieten in Berlin. Aber dennoch hat er praktisch meist dafür nicht die gesetzlichen "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate", sondern praktisch mindestens für sechs Monate Zeit!

Und so lange die Ausnahme-Regeln wegen Corona gelten, werden vor diesen "längstens für sechs Monate" noch weitere sechs Monate vorgeschaltet, in denen die Angemessenheit der derzeit bewohnten Wohnung überhaupt keine Rolle spielt. Quelle 1 und Quelle 2 (nicht alle aktuell!).

Also kein Problem mit der offensichtlichen Nicht-Angemessenheit der Wohnung.

Nun zur Frage der "tatsächlichen Aufwendungen": Das sind die, die tatsächlich und rechlich nötig sind, um dort zu wohnen und zu heizen.

Hier bin ich der Ansicht, dass der Mit-Hauptmieter zwar gegenüber dem Vermieter haftet für die pünktliche Zahlung der Miete, also quasi wie ein Steller einer Sicherheit (früher waren das oft die Eltern von Studenten ;-),

aber nicht gegenüber dem Jobcenter.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mit-Hauptmieter ein früherer Partner und Mitbewohner war oder nicht.

Denken wir nur mal daran, dass fünf Mitglieder einer Wohngemeinschaft einen gemeinsamen Haupt-Mietvertrag haben, was ja durchaus üblich ist. Nun ziehen vier davon aus, dem Vermieter ist das recht oder wurscht, und der fünfte benötigt ALG II: Würde das Jobcenter dann nur ein Fünftel Warmmiete gewähren? Nein!

Nun zur Angemessenheit nach dem Ende aller Karenz-, Kulanz- und Corona-Regelungen:

Dann kriegt der Leistungsempfänger in Berlin eben nur noch "426 Euro für Alleinstehende" plus angemessene Heizkosten, plus diverse Boni wegen Behinderung, als Langmieter usw.

Da du mietrechtlich verpflichtet bist, den Rest der Miete zu übernehmen, kann das Jobcenter auch gar kein § 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen feststellen bei deinem Mit-Mieter, wenn du dem Vermieter den Rest der Miete überweist, den das Jobcenter nicht übernimmt. Ähnlich sieht es sicher aus bei einem Zuschuss für Heizkosten, obwohl du dazu als Nicht-Vertragspartner des Versorgers mutmaßlich nicht verpflichtet bist.

Nun zum "längeren Klinikaufenthalt wegen seiner Depression" deines Mit-Mieters:

In dieser Zeit hat er im Grunde überhaupt keinen Anspruch auf ALG II. Siehe SGB II § 7 Leistungsberechtigte:

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist,

Aber es gibt Ausnahmen wie diese hier, ebenfalls in Absatz 4 ebenda:

Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist

Falls also nicht vorhergesagt werden kann, dass es weniger sechs Monate dauern wird, gibt es sofort kein ALG II mehr.

Eine Verlängerung des Klinikaufenthalts nach prognostizierten 5 Monaten scheint mir aber unschädlilch zu sein.

Falls das nicht klappt, könntest du versuchen, die Wohnung unterzuvermieten, bis er entlassen wird. Dafür kannst du zuvor eine BGB § 553 Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte vom Vermieter erbitten oder zu erklagen versuchen, oder du informierst ihn gar nicht und nimmst es hin, dass der Vermieter euch beiden kündigt wegen BGB § 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte.

Dann seid ihr die überteuerte Bude immerhin los ;-). Und dein bisheriger Mit-Mieter könnte sich nach seinem Klinikaufenhalt eine Wohnung nehmen, die angemessen ist und vom Jobcenter voll finanziert wird, bis er wirklich wieder auf eigenen Beinen steht - sonst droht dir ewig das Risiko, für Mietausfälle in einer nicht selbst bewohnten Wohnung aufkommen zu müssen!

Gruß aus Berlin, Gerd


Gelis23 
Fragesteller
 09.04.2022, 12:02

Vielen lieben Dank, das hilft mir wirklich sehr weiter!

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aus dem Hauptmietvertrag raus komme ich aber auch nicht.

Warum nicht?

Der Hauptmietvertrag sollte dringend angepaßt werden, wenn er nicht mehr den realen Bedingungen entspricht.

sollte er dann angeben, dass er alleine wohnt?

Das "sollte" er nicht nur, das muß er sogar angeben, wenn es der Wahrheit entspricht.

und ihm weiterhin zumindest etwas zusteuern werde,

Das wäre aus Sicht des Jobcenters eine anzurechnende Einnahme.

Das Jobcenter wird den Hauptmietvertrag sehen wollen, und Du bzw. Dein Ex-Freund muß(t) dann nachweisen, daß Du dort nicht mehr lebst.

Das Jobcenter will den Mietvertrag sehen. Somit bildet ihr eine Bedarfsgemeinschaft. Das heißt das Jobcenter zahlt nur anteilig die Miete für die Wohnung und seine Regelleistung fällt auch geringer aus wenn ich das richtig erinnere.


Gelis23 
Fragesteller
 08.04.2022, 20:49

Anteilig wäre ja schon mal gut, also sie würden dann quasi die Hälfte (oder den maximal möglichen Zuschuss) gewähren?

Und mit gemeinsamem Haupt-Mietvertrag ist man ja nicht automatisch eine Bedarfsgemeinschaft dachte ich...

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Reiseguru511  08.04.2022, 21:00
@Gelis23

Ich glaube das ist in etwa die Hälfte. Da gibt es Tabellen im Internet. Hängt von der Stadt ab weil die Mietkosten überall anders sind.

Und mit gemeinsamem Haupt-Mietvertrag ist man ja nicht automatisch eine Bedarfsgemeinschaft dachte ich...

Leider zählt für das Jobcenter nur was schwarz auf weiß steht. Und am Ende hängt es nochmal vom Sachbearbeiter ab.

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LouPing  08.04.2022, 21:48
@Reiseguru511

Denkst du nicht das die Wohnung auf Dauer für einen Single mit H4 zu teuer ist? Ich denke man kann eher davon ausgehen das das JC den ihm max. zustehenden Mietzuschuss (Mietspiegel vor Ort) zahlen wird.

Entweder die FS zahlt den Rest oder er muss sich eine kleinere Wohnung suchen.

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Reiseguru511  08.04.2022, 21:57
@LouPing
Denkst du nicht das die Wohnung auf Dauer für einen Single mit H4 zu teuer ist?

Kommt auf die Stadt an. Und bei einer Bedarfsgemeinschaft wäre sein Anteil ca. 550 EUR. Das könnte gerade so durchgehen. Und wegen Corona gibt es vielleicht Sonderregeln. Der Eigenbedarf ist glaube ich auch wegen Corona auf 60.000 EUR pro Person gestiegen.

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Gelis23 
Fragesteller
 08.04.2022, 22:00
@LouPing

Ja die Wohnung ist momentan für ihn alleine auf jeden Fall zu teuer. Würde gerne anteilig weiter unterstützen, bis er es wieder selbst finanzieren kann. Aber ein Anteil würde schon echt helfen, hatte nur Sorge, dass er vielleicht gar keinen Zuschuss zur Miete bekommen würde, wegen unserer eher "ungewöhnlichen" Konstellation ;)

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LouPing  08.04.2022, 22:14
@Gelis23

Ich denke ein ortsüblicher Anteil wird ihm zustehen. Ihr werdet sehr wahrscheinlich mit viel Bürokratie geflutet.

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Gelis23 
Fragesteller
 08.04.2022, 22:26
@LouPing

Ja das glaube ich auch leider ;) danke für deine Antworten!

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