Kann man als Industriekaufmann später in der IT arbeiten zB. als IT Kaufmann? Gleichzeitig interessiert mich die Frage aus Umkehrsicht.?

3 Antworten

Es gibt nur sehr wenige Berufe, für die man formale Qualifikationen zwingend nachweisen muss, um sie ausüben zu dürfen - Arzt, Anwalt, Steuerberater als Klassiker.

Bei anderen Berufen gilt es, Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass man die anstehenden Tätigkeiten in der passenden Qualität und Zeit fachlich korrekt erledigen kann. Hierfür orientieren sich Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung dann natürlich auch primär an den formalen Qualifikationen. Schließlich ist ein Ausbildungs- oder Studienabschluss etwas, womit man, ohne die Person lange und mit hohem Aufwand näher kennenlernen zu müssen, einschätzen kann, dass ein bestimmtes Fachwissen vorhanden ist.

Als gelernte Industriekauffrau, geprüfte Wirtschaftsfachwirtin und mit einigen Jahren Berufserfahrung im kaufmännischen Sektor würde ich insgesamt dazu raten, keine kaufmännische Ausbildung zu machen. Der Markt ist überlaufen - massenhaft kaufmännisch Ausgebildete konkurrieren mit massenhaft BWL-Bachelorabsolventen um die Stellen, die einigermaßen spannend und anständig bezahlt sind. Wer direkt nach der Ausbildung ohne Berufserfahrung einen Job sucht, hat oft schlechte Karten, wenn es um Stellen abseits von Vertriebsaußendienst oder Sekretariat / Empfang geht (das sind die Stellen, die nur wenige wirklich wollen...). Das einzige, was da einen Ausweg bietet, ist ein Ausbildungsbetrieb, der einen direkt in eine interessante Stelle übernimmt.

Ich würde dir also dazu raten, abseits dieser beiden Berufe zu überlegen, was noch für dich passen könnte. Wenn du eh mit der IT liebäugelst, warum dann nicht Fachinformatiker lernen? Und wenn doch kaufmännisch, dann schau mal in Richtung Steuerfachangestellter. Mit einer Weiterbildung zum Bilanz-/Finanzbuchhalter danach sieht's da noch ganz gut aus. Und wenn man nach einigen Jahren den harten Weg zur Steuerberaterprüfung geht und schafft, wird's sogar ziemlich nice, was Gehälter und Möglichkeiten betrifft. Ist aber eben ein anstrengender Weg im Bereich der "harten Fakten" der BWL, nicht das "weiche Blabla" von Marketing und Personal ;).


Kayholio 
Fragesteller
 12.04.2022, 13:05

Es ist leider so, dass ich nur eine kaufmännische Umschulung bezahlt bekomme, aus diversen Gründen. Ist es wirklich so drastisch, dann kann ich es ja gleich lassen. Leider wird ein Fachinformatiker mir nicht finanziert oder ähnliches. Nur Kaufmännische Berufe und solche die dort einzuordnen sind. Ist der IT Kaufmann dann die bessere wahl ? Oder Immobilienkaufmann? Kaufmann für Finanzen? Steuerfach ist leide überhaupt nicht meins. Wie sieht es mit E-commerce aus ? Ich denk da ist dann aber der Industriekaufmann schon höher.

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HappyMe1984  12.04.2022, 13:38
@Kayholio

E-Commerce ist eine recht junge Ausbildung, die aber von der Ausbildungsordnung her einen recht sinnvollen Eindruck macht, so in Richtung Zukunftsfähigkeit.

Den IT-Kaufmann würde ich lassen - zu speziell in einem Bereich, wo wirklich eher IT-Kenntnisse als kaufmännische gefragt sind bzw. dort, wo sie relevant wären, die Wirtschaftsinformatiker der Unis extreme Konkurrenz darstellen!

Wenn du Finanzen in Betracht ziehst, ist auch der Steuerfachangestellte passend bzw. machbar! Und eben nicht in direkter Konkurrenz zu den BWL-Studis, die sich auf den Finanzsektor spezialisieren bzw. Studiengänge mit diesem Fokus absolvieren...

Erstaunlich oft werden übrigens auch noch Personalkaufleute in den aktuellen Stellenanzeigen gesucht. Allerdings mit zwei Haken: zum Einen sind es oft Zeitarbeitsunternehmen sowie Arbeitsvermittlungen, die diese Leute suchen (als Mitarbeiter für ihr Unternehmen, nicht als zu Vermittelnde!). Muss man sich überlegen, ob man in diese Branche will. Und zum anderen wird oft zusätzlich zur Ausbildung auch noch die Weiterbildung zum Fachwirt dabei verlangt bzw. erwünscht - also weitere ca. 1,5 Jahre Schulbank plus anspruchsvolle IHK-Prüfung.

Industriekaufleute sind quasi die "besseren" Kaufleute für Büromanagement - breit aufgestellt, aber ohne wirklichen Fokus und Spezialisierung. Und dadurch prädestiniert für Assistenz- und Sekretariatsjobs. Wenn du dir diesen beruflichen Weg vorstellen kannst bzw. der dich anspricht, wäre das schon eine Option. Aber lass dich dabei nicht blenden von den vielen tollen Versprechungen, in wie viele Bereiche man damit ja gehen könne. Das klappt nicht, da lauern eben wirklich die BWL-Bachelors und besetzen die ganzen Sachbearbeiterstellen, die früher mal für diese Berufe "vorgesehen" waren...

Immobilien wären eine Option, wenn du als Betrieb eine Haus- oder Wohnungsverwaltung findest, die dich dann auch übernimmt. In der Sachbearbeitung, nicht im Makler-Bereich. Also, außer du bist der geborene Vertriebler. Aber dann würde auch jede andere kaufmännische Ausbildung und eben ein Job im Vertriebsaußendienst gehen - mit dem enormen Haken, dass man hier in aller Regel nur ein äußerst geringes Grundgehalt hat und die tatsächliche Einkommenssituation massiv vom Verkaufserfolg abhängig ist. Muss man sich genau überlegen, ob man das wirklich hinbekommt und machen will.

Das mal so als Abriss. Wie gesagt - aus meiner Erfahrung heraus würde ich dir wenn, dann echt dazu raten, dich vom schrecklich trocken klingenden Thema Steuern und Buchführung nicht abschrecken zu lassen, denn das ist es dann in der Realität und Praxis keineswegs ;).

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Kayholio 
Fragesteller
 12.04.2022, 15:17
@HappyMe1984

Ich bin dir sehr dankbar für deine Antwort. Denkst du nicht das ist alles ein bisschen schwarz gemahlen? Wenn ich es als Industriekaufmann in die Medizin schaffe bin ich doch gut untergebracht. Ich kenne Leute die da unter gekommen sind. Zwecks IT Kaufmann: meinst du wirklich das sieht so schlecht aus wenn ich das machen würde? Hier gibt es viele Jobausschreibungen wo eben exakt Kaufmann für IT Management AUsbildung in der Anzeige vorausgesetzt wird. Die Wirtschaftsinformatiker besetzen doch dann meist höhere Stellen und weiterbilden kann ich mich ja dann auch und zB den IT Fachwirt machen. Ich denke nach der klassichen Ausbildung komme ich damit doch bestimmt wo unter. Vor allem Sagen auch viele Dass die ganzen IT AUsbildungen zu 80% ähnlich sind. Egal ob Fachinformatiker Systemintegration oder Anwendungsentwicklung. Von Daher müsste doch auch der Sprung vom IT Kaufmann in die Systemintegration machbar sein, wenn ich zu 80% das Gleiche wie der als AUsbildungsinhalt hatte. In IT Foren lese ich das könnte so möglich sein. Ich werde die Frage aber evtl noch separat hier stellen.

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HappyMe1984  13.04.2022, 03:49
@Kayholio

Mein Mann ist Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Das, was wir in der Ausbildung gelernt haben (und auch jetzt beruflich machen), ist komplett unterschiedlich! Wären die Ausbildungen so deckungsgleich, bräuchte es keine zwei verschiedenen...

Nein, ich male nicht schwarz, ich bin einfach nur realistisch auf der Basis von aktuellen Erfahrungen. Und ja, sicher, es gibt bestimmt auch Industriekaufleute, die irgendwo in guten Jobs untergekommen sind. Manchmal sogar direkt nach der Ausbildung, ohne Erfahrungen. Aber die sind eben nicht die Regel!

Und als Umschüler bist du wahrscheinlich auch schon ein paar Jährchen älter als deine Mit-Azubis, richtig? Ich hatte drei Umschüler*innen in meiner Berufsschulklasse. Keine*r davon ist in vernünftigen Jobs untergekommen nach der Ausbildung...

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Kayholio 
Fragesteller
 13.04.2022, 15:14
@HappyMe1984

Okay vielen Dank. Kannst du mir den Gefallen tun und ihn mal Fragen wie er es mit dem Sprung vom Kaufmann für IT System-Management sieht. Denkt er es ist möglich nach der ich sage mal Grundausbildung, die ja bei allen IT Berufen ähnlich ist, in die Systemintegration zu wechseln. Evtl mit einer Praktikumsphase?

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HappyMe1984  13.04.2022, 16:54
@Kayholio

Wie gesagt - mein Mann ist Anwendungsentwickler. Und er sieht bereits zwischen diesem Schwerpunkt und dem des gleichen Berufs im Bereich der Systemintegration so deutliche Unterschiede, dass er sich nicht so aus der Kalten zutrauen würde, einen Job im Bereich der Systemintegration zu bekommen oder gar sinnvoll auszuüben! Mit einer noch weiter entfernteren Ausbildung, die einen komplett anderen Fokus hat, klappt das somit umso weniger.

Stell dir Systemintegration mal nicht so simpel vor wie "PC zusammenschrauben, Windows aufspielen, bisserl was installieren und fertig". Es geht dabei um hochkomplexe Systeme und enorm viel Tiefe! Nicht ohne Grund wurde ja bereits die Informatiker-Ausbildung "zweigeteilt"...

Auch wenn es nicht gefördert wird - wenn dich der Bereich so sehr interessiert, dann mach doch einfach auf eigene Kappe eine normale Ausbildung anstelle der Umschulung in dem Bereich! Das sind keine super mies bezahlten Ausbildungsstellen und seit Einführung der Mindestvergütung sehen Azubi-Gehälter insgesamt schon deutlich besser aus. Wohngeld könnte ebenfalls zusätzlich noch klappen. Und dann vielleicht für die 2, 3 Jahre den Lebensstandard noch mal runterfahren (ja, ist schwierig, aber zeitlich ja sehr begrenzt und somit machbar). Danach sieht's ja dann wirklich gut aus mit Jobaussichten und Gehältern!

Oder rede noch mal mit deinem Kostenträger, ob nicht vielleicht doch auch diese Umschulung möglich wäre. Ich mein, in der IT herrscht ja doch erheblich mehr Fachkräftemangel als im kaufmännischen Sektor. Und bei Umschulungen geht es ja primär darum, dass die Teilnehmenden danach (wieder) gut auf dem Arbeitsmarkt ankommen.

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Kayholio 
Fragesteller
 14.04.2022, 10:08
@HappyMe1984

mit den knapp 800 Euro brutto werde ich leider nirgends hinkommen. Der finanzielle Aspekt drückt da doch sehr arg und wie gesagt bekomme ich leider nur eine kaufmännische Umschulung. Die Gründe sind auch für mich nicht wirklich nachvollziehbar aber da habe ich schon genug gekämpft das wird nichts. Ich danke dir für deine intensiven Antworten, ich weiß leider echt nicht was ich nun machen soll Ich denke ich werde einfach die Umschulung zum INdustriekaufmann annehmen und mir für die 12 Monate Praktikum bestmöglich einen Betrieb suchen der mich übernimmt. Ich denke das schaffe ich und bekomme so ein Fuß in die Tür. Früher oder später bekomme ich dann schon eine Stelle die zu mir passt und wenn das mit ein paar Jahren Empfang verbunden ist, dann sei das so und ich mach nebenher eben noch den Fachwirt etc. Ich denke ganz so schlecht ist das dann auch nicht oder ?

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HappyMe1984  14.04.2022, 13:00
@Kayholio

Kann schon klappen, aber ist halt kein einfacher Weg. Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen - und bleibe dennoch dabei, dir ans Herz zu legen, dich doch noch mal gedanklich intensiv mit dem Steuerfachangestellten zu befassen ;). Auch als IK musst du durch das ganze Buchführungsthema durch, wirst aber damit nirgendwo als ausreichend qualifiziert für eine Stelle in der Buchhaltung betrachtet ;). Und genau das ist anders beim Steuerfachangestellten!

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Kayholio 
Fragesteller
 21.04.2022, 14:01
@HappyMe1984

Nunja ich habe nun mal im Bekanntenkreis mit einer Ex Steuerfachangestellten geredet. Sie sagt da verdient man miserabel, es sei denn man macht eben die Weiterbildungen die du ansprachst. Und das ist ein langer Weg und zusätzlich meint sie mega trocken. Du musst schon verrückt nach Zahlen sein um das zu mögen. Außerdem haben die irgendwie nahezu alle ein wenig den Stock im .... Zumindest die die ich kenne. Ich kann mir schwer vorstellen den ganzen Tag nur Sachen zu rechnen und zu prüfen. Dann lieber Mails schreiben. Verhandlungen führen. Angebote erstellen, einholen. Arbeiten vorbereiten. Kann ich dich etwas fragen? Macht dir dein Job denn so am sich Spaß, gefällt dir die Tätigkeit ? Lassen wir mal das mit den Chancen auf dem Arbeitsmarkt und so weg. Erfüllt es dich. Was magst du daran? Was sind so die Vor und Nachteile. Dafür bin ich dir sehr dankbar

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HappyMe1984  23.04.2022, 15:59
@Kayholio

Ja, ich mag meinen Beruf und auch die Arbeit in der Praxis darin sehr! Aber ich empfinde Buchführung, Gesetze und eine gewisse Detailverliebtheit bei Zahlen, Rechnungen, Dokumentationen und Co. auch keineswegs als "staubtrocken", sondern hochgradig interessant.

Wenn dich also das abstößt, dann funktionieren kaufmännische Berufe allgemein eher nicht so gut für dich! Die Vorstellung des smarten Anzugträgers, der mit Denglisch Hände schüttelt und knallhart verhandelt, hat mit der Realität herzlich wenig zu tun. Auch in anderen Bereichen als der Buchführung geht es sehr oft und zentral darum, mit viel Genauigkeit und Gründlichkeit Zahlen und Fakten klar zusammen- und darzustellen. Umso mehr, wenn man "nur" die kaufmännische Ausbildung ohne Weiterbildung oder Studium hat!

Und was den Stock im Allerwertesten betrifft: Büros sind immer ein Ort, wo so ein bestimmtes Verhalten, was man durchaus so beschreiben könnte, herrscht. Klar, die Steuerberatungsbranche ist eine nach wie vor sehr klassische, wo das durch Dresscodes und Co. noch unterstützt wird (hab mal eine Weile in einer Steuerberatungskanzlei gearbeitet, kenne das also). Aber Büros sind und bleiben keine Baustellen, Handwerksbetriebe oder Lager, "handfester" Umgangston herrscht dort so gut wie nirgends, selbst in solchen Betrieben werden im Büro dann doch wieder die "glattgebügelten" Umgangsformen und adretten Klamotten rausgeholt. Auch etwas, was man sich bewusst machen sollte, wenn man in diese Richtung will!

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Kayholio 
Fragesteller
 25.04.2022, 10:47
@HappyMe1984

VIelen Dank für deine Antwort. Mit den Klamotten habe ich kein Problem. Im Gegenteil. Auch der gehobene Umgangston ist etwas worüber ich mich eher freue und ich denke auch eine gewisse Detailverliebtheit für Dokumentationen aufweisen zu können. Meine Sorge ist, dass es sehr monoton ist, aber ich glaube da bin ich auf dem Holzweg. Es ist wohl alles andere als monoton. Was würdest du denn sagen sind die Vorteile gegenüber anderen Berufen?

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HappyMe1984  25.04.2022, 12:04
@Kayholio

Doch, es KANN sehr monoton sein. Genau das ist eben das Problem an der Arbeitsmarktsituation - die Stellen, die da bleiben, sind oft genau diese sehr monotonen, tendenziell unterfordernden! Da machst du dann jeden Tag die immer gleichen Routineaufgaben, die kaum fordern, einen kaum zum Nachdenken bringen...

Vorteile gegenüber anderen Berufen? Wie bei allen Berufen - für die, deren Interessen und Stärken es anspricht, ist es ein passender und schöner Beruf, während für sie andere Berufe eher nicht so gut wären ;). Jeder Beruf hat seine Vor- und Nachteile. Aber der wichtigste Faktor ist und bleibt eben der, dass die Stärken und Interessen der Person, die den jeweiligen Beruf ausübt, zu diesem Beruf passen.

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Hallo Kayholio,

beide Seiten sind eben mit etwas Aufwand zum einlernen verbunden. Das muss dein zukünftiger Arbeitgeber eben einsehen und entsprechende Ressourcen dafür bereitstellen.

Ben

Es sollte gehen wenn du dich technisch fortbildest wobei technische Fächer halt schwerer sind als kaufmännische Fächer! Du kannst den Kunden nur IT verkaufen wenn du dich mit der Materie gut auskennst und zwar möglichst besser als der Kunde selber.