Inwiefern hatte Nazideutschland damals Beziehungen zur Türkei geführt?

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SCHLIMMER als Du denkst!

Während des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust gab sich das NS-Regime größte Mühe, Araber und Muslime im Nahen Osten und in Nordafrika mit Rundfunksendungen in arabischer Sprache zu umwerben, immer auch mit dem Gedanken einer möglichen Besetzung oder Umwerbung dieser Staaten durch die Alliierten. Dabei präsentierte es sich als antiimperialistischer Vorkämpfer, erst gegen Großbritannien, dann sowohl gegen die USA wie gegen die Sowjetunion. Zugleich suchte es darzutun, dass islamische Traditionen und nationalsozialistische Ideologie miteinander vereinbar seien.

Die Türkei selbst war dem NS-Regime gegenüber bis kurz vor Ende zwar immer in einer neutralen Position geblieben, aber doch immer deutlicher zum "pro-deutsch" geneigt. Hetzschriften gegen Juden wurden ins türkische übersetzt und in Auflagen in der Türkei unter das Volk gebracht, 1943 besuchte sogar eine türkische Delegation ein Kozentrationslagern im deutschen Reich, man kann heute somit davon ausgehen, das die türkische Regierung spätestens seit 1943 von der systematischen Ermordung der Juden wusste. Es gab seinerzeit zwar keine antijüdische Gesetzgebungen in der Türkei, dennoch gab es in der Türkei Maßnahmen welche die jüdische Bevölkerung besonders hart trafen, darunter z.B. Berufsverbote, die Abschaffung von Minderheitenrechten, Zwangsumsiedelungen, Sondersteuern. Eine Katastrophe war allerdings die Entziehung der türkischen Staatsbürgerschaft, sehr viele in Europa lebende Jüdinnen und Juden türkischer Herkunft waren nun der NS-Verfolgung schutzlos ausgeliefert. Dieser Ausbürgerungen bediente sich die Türkei in Deutschland der Amtshilfe der NS-Behörden. So waren die NS-Stellen als erste unterrichtet, welche Personen den Schutz des türkischen Staates verloren hatten. Allein in Deutschland waren somit 200 jüdisch-türkische Familien den Nazi-Schergen ausgeliefert, etwa 2500 Juden und Jüdinnen türkischer Abstammung wurden in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor deportiert, weitere 300 bis 400 kamen in Konzentrationslager, andere wiederum wurden von der Gestapo zu Tode gequält oder wählten den Freitod.

Auch angesichts dieser Fakten sollte es jedem Deutschen oder Türken kalt über den Rücken laufen, wenn, mit einem gewissen Stolz in der Stimme, freudig über die freundschaftliche Note oder den respektvollen Umgang zwischen beiden Völker während des NS-Regimes erzählt wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus
Die laizistische Türkei, die als Nachfolger des im Ersten Weltkrieg mit Deutschland verbündeten Osmanischen Reiches 1924 diplomatische Beziehung zur Weimarer Republik aufnahm, verhielt sich gegenüber der Regierung Hitler zunächst abwartend. Man bot sogar einigen Hundert deutschen Emigranten Zuflucht, der bekannteste war sicher der Sozialdemokrat Ernst Reuter.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 änderte sich die vorsichtige Haltung aber. Staatspräsident Ismet Inönü hoffte auf eine Niederlage der UdSSR, mit der die Türkei im Streit über den Kaukasus lag. Andererseits bemühte sich die Anti-Hitler-Koalition, die Türkei zum Kriegseintritt gegen Nazi-Deutschland zu bewegen. Bereits 1938 hatte Frankreich, das nach dem Ersten Weltkrieg Syrien als Mandat des Völkerbundes beherrschte, den Sandschak Alexandrette der Türkei überlassen, um das Land im Konflikt mit dem faschistischen Italien neutral zu halten.
Inönü lavierte und legte sich lange nicht fest. Dafür trieb die Türkei mit beiden Seiten einen einträglichen Handel. Deutschland benötigte Chromiterze, um schwedisches Roheisen zu Stahl zu veredeln. Es konnte nur aus einem neutralen Staat eingeführt werden: der Türkei. Gezahlt wurde dafür mindestens zum Teil mit Gold, das die Wehrmacht in Westeuropa beschlagnahmt hatte.
Nachgewiesen ist trotz umfangreicher Aktenvernichtungen 1945 zum Beispiel der Ankauf von ursprünglich belgischem Gold im Wert von 3,4 Millionen Dollar durch die türkische Zentralbank im März 1943. Doch auch türkische Privatbanken betrieben einen schwunghaften Goldhandel: 'Die Unabhängige Historikerkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg' ging davon aus, dass nur zwei Staaten in Europa in größerem Umfang Raubgold ankauften. Die Schweiz und, wenn auch in weit geringerem Umfang, die Türkei.
Es ist wahrscheinlich, allerdings nicht direkt nachweisbar, dass unter dem von Hitler-Deutschland an Istanbul oder Ankara verkauften Gold auch Barren und Münzen waren, die aus den Niederlanden stammten. Insgesamt entwendeten Mitarbeiter der Reichsbank Edelmetall im Wert von mehr als einer halben Milliarde Schweizer Franken aus den besetzten Gebieten.

Siehe: https://www.welt.de/geschichte/article162799328/Nicht-die-Niederlande-die-Tuerkei-kollaborierte-mit-den-Nazis.html