An die älteren Modelle unter euch: Wie verändert sich das Leben mit der Zeit / -dem Alter?

12 Antworten

Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich habe für die Arbeit gelebt (wöchentlich zwischen 60 und 100 Stunden). Nebenbei natürlich auch verheiratet und ein Einfamilienhaus bauen lassen. Nun Rentner, arbeite ich immer noch (nicht mehr ganz so viel) wegen Fachkräftemangel, aber die Leistungsfähigkeit lässt auch nach. Ich bin stolz, der Gesellschaft immer mehr gegeben zu haben, als ich je genommen oder bekommen habe.

julespogg 
Fragesteller
 30.11.2023, 14:12

Weiß nicht, ob ich darauf stolz wäre.
Ich finde, man schuldet dem Staat und der Gesellschaft genau das, was man auch zurückbekommt und keinen Cent mehr.

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Aegroti  30.11.2023, 14:17
@julespogg

da aber einige, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, nicht in der Lage sind, der Gesellschaft viel zurück zu geben, müssen andere das mit erledigen. Nur durch gegenseitige Solidarität und maximale Leistung aller, die dazu in der Lage sind, kann eine Gesellschaft überleben

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Das ist eine schwierige Frage und sie ist mit wenigen Sätzen auch nicht abgetan. Und ich befürchte auch, mein Lebensweg ist nicht die Regel, also ist meine Aussage auch nicht unbedingt repräsentativ.

Zuerst die Frage danach, wie sich die Perspektive auf das Leben ändert:

Solange man jung ist, liegt zumindest theoretisch, die gesamte Lebenszeit vor einem und man denkt (oft zu Recht, manchmal in illusorischer Weise), dass alles möglich wäre.

Mein persönlicher Irrtum, bevor ich volljährig wurde war, dass ich mit der Volljährigkeit "frei" sein würde und niemand mehr über mich und mein Leben bestimmen könnte. Was sich z.B. in Bezug auf den Beruf als Irrtum herausstellte, da durch berufliche Hierarchien auch durchaus Abhängigkeiten entstehen können.

Nun, in erster Linie ging es mir in jungen Jahren darum, Erfahrungen zu sammeln, das Leben kennenzulernen und Menschen einschätzen zu können. Was ich damals schon wusste war, dass ich nicht heiraten und keine Kinder bekommen möchte. Meine Ziele richteten sich nicht auf Familie, sondern eher auf meine rein persönliche Entwicklung. Zumindest von außen betrachtet, änderte sich mein Leben im Vergleich zu meinen Jugendjahren kaum, da ich z.B. keine familiäre Verantwortung tragen musste.

Ich spürte auch keine biologische Uhr in mir, die mich unter Druck hätte setzen können und mich zur Suche nach dem dafür geeigneten Partner gedrängt hätte. Wenn es zu Trennungen kam, erfolgten daraus auch keinerlei finanzielle Verbindlichkeiten. Ich hatte eine eigene Wohnung und meine äußeren Lebensumstände änderten sich durch Trennung(en)nicht, im Gegensatz zu denen einiger meiner Freundinnen, die einmal oder öfters geschieden waren.

Mitte Vierzig, ich war schon seit über zehn Jahren mit meinem Partner zusammen, ging ich das Wagnis ein, mit ihm in ein Haus zu ziehen, das damals noch seinen Eltern gehörte und bis dato vermietet gewesen war. Das war ein enormer Schritt für mich - und um noch einmal auf die Perspektive zurückzukommen: Ich fühlte mich gefestigt, wusste, ich würde mich, wie in jüngeren Jahren, nicht mehr grundlegend verändern und hatte genügend Erfahrungen gesammelt um auch in Bezug auf meinen Partner und den Fortbestand der Beziehung, dieses Wagnis einzugehen.

Vor zehn Jahren, ich war 56, beschloss ich, das heißt wir, in Hinsicht auf das Älterwerden und rechtlichen Vorteile (wie Auskunftspflicht), die in einer Ehe z.B. im Krankheitsfall zum Tragen kommen, zu heiraten. Mittlerweile bin ich 66 und habe diesen Schritt bis heute nicht bereut.

Jetzt bin ich in Rente und natürlich bringt das Älterwerden und die schwindende Lebenszeit neue "Herausforderungen" und auch Perspektiven mit sich. Glücklicherweise bin ich (noch) gesund und dank sportlicher Betätigung fitter als andere in meinem Alter. Trotz meines Alters habe ich immer noch das Bedürfnis, dazuzulernen und das insbesondere in Hinsicht auf das Leben insgesamt.

Was ich im Leben gelernt und erfahren habe und welche Schlüsse ich daraus gezogen habe, ist rein subjektiv, aber eine Erkenntnis würde ich beinahe als allgemeingültig bewerten: Ich habe mich zu sehr von Menschen einschüchtern lassen, von denen ich dachte, sie wüssten oder könnten mehr als ich, weil sie kompetenter auftraten, formal gebildeter waren oder beruflich über mir standen, doch ich habe festgestellt, dass dies einfach nicht zutraf. So etwas stellt man oft erst dann (und leider spät) fest, wenn man die Möglichkeit hat, auf die Lebenswege derjenigen zurückzublicken. Minderwertiger als andere hätte ich mich niemals zu fühlen brauchen. Das hätte ich gerne etwas früher gewusst. ;-)

Ich hoffe, ich konnte zumindest in Ansätzen Deiner Frage gerecht werden!

julespogg 
Fragesteller
 30.11.2023, 15:11

Danke für die ausführliche Antwort!

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Es ging mir damals genauso wie dir. Ich habe das ein wenig hinausgezögert, indem ich noch weiterführende Schulen besuchte, und zwar schon in Richtung meines Berufswunsches Öffentlicher Dienst. Da du noch studierst, gehst du ja einen ähnlichen Weg, nur mehr ins Akademische hinein. Die Zeit solltest du nutzen, um dich für das Leben vorzubereiten.

Wenn du das nicht machst, so wie ich, wird dich das Leben irgendwann dazu zwingen. Man wächst letztlich hinein, kann aber auch zuweilen das kindliche Gemüt erhalten.

Ich bin 51 Jahre alt und mittlerweile seit 33 Jahren im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Meine Eltern sind inzwischen verstorben, waren schon zuvor aus meiner Heimatstadt weggezogen. Auch das zwang mich, mein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Es hat Nachteile, weil ich für mein Leben nun selbst verantwortlich bin, aber auch Vorteile, weil ich es selbst gestalten kann.

Die Jahre gehen körperlich nicht spurlos an einem vorüber, doch fühle ich eine immer größer werdende Freiheit.

Unbezahlbar ist die Lebenserfahrung. Ich habe den Mauerfall noch selbst erlebt und weiß auch, wie es ist, andere bedeutende Ereignisse wie den 2. Weltkrieg nicht erlebt zu haben. Ich lerne und lehre.

Das Leben ist Veränderung, das kommt von selbst. Jeden trifft es anders, jeder geht anders damit um.

Zum Schluss möchte ich noch Heinz Rühmann (1902-1994) zitieren:

"Werden Sie ruhig alt - es lohnt sich."

Darauf bin ich selbst noch gespannt. 😀

julespogg 
Fragesteller
 30.11.2023, 20:59

Wie würde man sich denn "aufs Leben vorbereiten"
Ich wohne in meiner eigenen Wohnung, werde aber noch aus dem Elternhaus finanziert, stehe also noch nicht auf eigenen Beinen.

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Knochi1972  30.11.2023, 21:05
@julespogg

Naja, so wirklich vorbereiten kann man sich vielleicht nicht, aber man kann vielleicht einen groben Zeitplan festlegen, wann man sich "selbständig" machen möchte. Meine Eltern sind 1997 Knall auf Fall weggezogen, und ich wurde ins kalte Wasser geworfen. Ich war darauf einfach nicht vorbereitet. Es ging aber trotzdem eigentlich ganz gut.

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Ich bin JG 1947, in landwirtschaftlich geprägter Familie auf dem Land aufgewachsen. Ich war ein guter Grundschüler, aber ich durfte auf keine weiterf. Schule gehen, das brauche man nicht... Mit 14 J. wurde ich in die Lehre geschickt, meine Eltern und mein Lehrer haben meinen Beruf und meine Lehrfirma ausgesucht, ich hatte da keine Mitsprache - es war eben damals so und mit 14 J. weiß man sowieso nichts.

Nach der Lehre machte ich meinen 18 monat. Wehrdienst, danach machte ich den 2-jährigen Meisterkurs abends und am Wochenende. Wir heirateten und bauten uns ein Haus mit sehr viel Eigenleistung, unsere Freunde habe uns geholfen. Als unsere Kinder größer waren, habe ich in Abendkursen mein Abi nach gemacht. Irgendwann machte ich noch ein Studium und mit 40 habe ich mein Diplom gemacht. Zwei Jahre später eröffnete ich meine eigene Firma, die ich bis zu meiner Pensionierung erfolgreich geführt habe. Meine Firma habe ich an meine zwei besten Mitarbeiter abgegeben, die führen das Geschäft bisher erfolgreich weiter.

Eigentlich habe ich mir meinen angestrebten Lebenstraum selbst erfüllt, es hat zwar viele Anstrengungen und viel Zeit gebraucht, aber es ist alles trotzdem gut gegangen, vor allem hat meine liebe Frau immer zu mir gehalten und mir den Rücken frei gehalten.

Dass du als junger Student mit deiner Lebensplanung Schwierigkeit hast, ist für mich kaum fassbar, du hast doch alle Voraussetzungen um eine gute Kariere starten zu können, da muss es doch zügig weitergehen.

julespogg 
Fragesteller
 30.11.2023, 14:03

Ich habe ein gutes Abi gemacht und kann mir damit eben komplett frei aussuchen, was ich machen möchte; die große Auswahl ist bestimmt ein Teilgrund meiner "Verlorenheit".
Ich finde es generell sehr viel verlangt, dass man sich in meinem Alter schon für einen Weg entscheiden soll, der das restliche Leben bestimmt.
Im Grunde weiß ich nicht, was ich ich mit meinem Leben anfangen will und es fällt mir schwer zu glauben, dass das scheinbar so viel in meinem Alter schon wissen...
Das sind ja immerhin mit die wichtigsten Entscheidungen im Leben, wenn einem ein erfüllender Job wichtig ist.
Etwas überfordernd..

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Ginkgo926  30.11.2023, 15:03
@julespogg

Das kann ich mir sehr gut vorstellen! Weil die Menge an Auswahl auch die Zahl der Irrtümer erhöhen kann. Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg - und setze Dich nicht zu sehr unter Druck! Falls möglich, höre auf Deine Intuition und richte den Blick nicht auf äußere Wirkung.

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Ginkgo926  30.11.2023, 14:59

An emerel. Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Leben!

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Ich bin eigentlich ein sehr schlechtes Beispiel weil mein Leben sich hauptsächlich um meine Krankheit dreht. Es ist nicht wie bei anderen Menschen die zur Schule gegangen sind, Ausbildung gemacht haben und irgendwann im Berufsleben sind und vielleicht eine eigene Familie gegründet haben. Da kann man besser Veränderungen sehen oder aber auch Ziele die sie erreichen möchten.

Ich habe meine ganze Kindheit versucht am Leben zu bleiben. Dann als ich aus der Situation raus war, wollte ich eigentlich nur noch sterben weil ich damit nicht fertig werde. Es gab viel Therapie und alles aber man ist einfach ein gebrochener Mensch, das kann man nicht mehr in Ordnung bringen. Es gab viele Suizide und die geschlossene rein und raus. Man fühlt sich auch so unverstanden. Die Menschen denken oft man muss das Trauma verarbeiten. So ist das aber nicht, es sind viel mehr die Folgeschäden die durch das Trauma entstanden sind. Wie zum Beispiel Alpträume, Anspannung oder Suizidgedanken, Depressionen und weitere Punkte, diese Störungen verursachen wieder andere Störungen und die Liste wird immer länger. Man spricht über das Geschehene aber das ist im Grunde eine Erinnerung. Wie der Fahrradsturz in der Kindheit. Jedenfalls habe ich die Therapien in Frage gestellt und wollte nun alles ganz genau wissen warum passiert eigentlich sowas wie Mord, Vergewaltigung und sowas. Was passiert da psychologisch mit den Menschen und einfach alles. Ich will mir nichts vorlügen, ich möchte die Wahrheit auch wenn mir das nicht gefällt was dabei raus kommt, ich werde das so akzeptieren. Da hab ich viele Jahre dran gesessen und mich mit Straftätern beschäftigt, Psychologie usw. Und im Laufe der Zeit haben sich auch meine Gedanken, Gefühle, Einstellung einfach die ganze Sichtweise hat sich verändert. Die Puzzleteile setzten sich zusammen und ich fing an das zu verstehen. Das hat in meinem Leben viel zu besseren verändert. Zwar nicht lebensfähig wie andere aber auf meine Weise zufrieden.

Ginkgo926  30.11.2023, 14:59

Wow! Beeindruckend!

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BN36X3  30.11.2023, 19:29

Ah nice, wie alt biste jetzt?

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