Ich bin selbst als "Ausländerkind" aufgewachsen und wurde trotz akzentfreiem Deutsch, nicht als "Ausländer" erkennbarem Erscheinen und einem absolut austauschbaren, international verwendeten Allerweltsnamen in meiner Heimat noch bis zum meinem Wegzug (da war ich 29) und beruflichem Erfolg immer nachdrücklich als "der Ausländer" wahrgenommen. Nur so viel: Ich weiß, was es mit einem macht, wenn man aufgrund seiner Herkunft und nur deswegen benachteiligt, diskriminiert, beleidigt und vorgeführt sowie zu Unrecht aller möglichen Dinge beschuldigt wird, die man gar nicht gemacht hat - das hat bei mir schon im Kindergarten angefangen.
Wir "Ausländer" und oft auch unsere Familien standen schon immer verstärkt unter Beobachtung, das fing wie gesagt schon im Kindergarten an, als wir vier Jahre alt gewesen sind: Der russlanddeutsche Alexander, der jugoslawische Viktor, der polnische Tomasz und der türkische Hakki standen immer mehr im Fokus wie Michael, Christoph und Philipp aus deutschen, vor Ort arrivierten, alteingesessenen Familien und wurden auch strenger bestraft oder eher rangenommen oder waren von vorne rein die Sündenböcke, wenn was war, obwohl man gar nicht wusste, ob "der Ausländer" schuld war - alle diese Jungen gab es tatsächlich und einer von denen war ich.
In der Realschule war das dann noch schlimmer, weil da das Umfeld ein anderes war. Es waren nicht die "Russkis" oder Türken oder andere, die Probleme gemacht haben - es waren die ach so seriösen Deutschen, die die Probleme beim Ausländerkind suchten und die Lehrer, die eher "einen kleinen Russki" oder "einen kleinen Kümmeltürken" (der Ausdruck grassierte damals) oder "einen kleinen Polaken" genüsslich in den Senkel stellten ... wohlwissend auch, dass der russlandeutsche oder türkische oder polnische oder jugoslawische Vater nicht in die Schule kommen würde um den Rektor zu fragen, was los war, weil das Deutsch nicht gut genug war oder man andere Probleme hatte ... während der deutsche Vater sofort angetanzt wäre und rumort hätte. Die Situation wurde von einigen - nicht allen - Lehrern total ausgenutzt & unser Sportlehrer etwa ließ seinen "heiligen Michi", der die Mädels spannte usw. immer durchkommen, während im Gegenzug der eigentlich ruhige Eugen, der zu meinem Freundeskreis zählte, für ihn "nur irgendein Russki" war und das ausbaden musste, was er sich beim "heiligen Michi" nicht getraut hat. So war das ... da fehlen einem die Worte.
Auch Kinder ostdeutscher Eltern - das war in meiner Schulzeit ein dickes Thema, das waren die 90er und die Wiedervereinigung war noch frisch - bekamen das Thema bei uns "im Westen" auch oft zu spüren und wurden gemobbt. Es gab sogar eine Lehrerin, die offen rumstänkerte auf Schüler aus der "Dädärä" (DDR) und "Sch...-Russengesichter" und diese auch so anredete, was mancher Mitschüler so übernahm - das kann man als Mobbing werten. Da fühlt sich keiner willkommen und weiß jeder sofort, dass er nicht gern gesehen ist, der wird sich entweder zurückziehen mit der stillen Frage nach dem Warum (so habe ich es gemacht) oder in ihrer Hilflosigkeit gleich zurückschlagen, sobald ihm einer blöd kommt. Und dann klatscht sich mancher noch ab & klaaaar, es war natürlich "wieder so ein Ausländerbub oder so ein Ossi", das hat man ja vorher schon gewusst - nur die Provokationen, die solchen Sachverhalten vorausgingen, die wollte keiner sehen und schweigt jeder tot.
Und da hat man auch irgendwann keinen Bock mehr, stumpft ab und ist am Ende, weiß sich nicht mehr zu helfen! Es ist nicht okay, wenn man Fäuste sprechen lässt oder frech reagiert, andererseits muss man erst mal einen "Ausländer" verstehen, der immer wieder gedemütigt und zu Unrecht beschuldigt, benachteiligt und diffamiert wird ggf. über Jahre hinweg - und aus menschlicher Sicht bzw. mit gewisser Empathie kann man das eventuell nachvollziehen.
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Wenn jetzt aber auf kleine Paschas aus muslimischen Familien angespielt wird, ist das ein anderes Thema und hängt mit Parallelgesellschaften zusammen. Dazu empfehle ich die Lektüre von Büchern wie "Neukölln ist überall" von Heinz Buschkowsky, das ich vor Jahren selbst las, theoretisch kann man auch "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin lesen - ein Skandalbuch, aber teilweise zutreffend: Nicht jeder ist integrationsfähig. Dann kann man weiter drüber debattieren.
https://www.youtube.com/watch?v=GSTQEnQLtWw