Woher kommt die tief verwurzelte, deutsche Abneigung gegen die USA?

16 Antworten

Manche Deutsche lieben die USA, manche hassen sie und dazwischen gibt es die ganze denkbare Bandbreite.

Bei den Leuten, bei denen es eher Richtung Ablehnung geht, dürfte das sehr verschiedene Gründe haben. Da dürfte Abwehr gegen zahlreiche Aspekte us-amerikanischer Außenpolitik eine große Rolle spielen (Putsch im Iran 1954, Vietnamkrieg, Chile-Putsch 1973, Iran-Contra-Affäre sowie die ganze Hinterhofpolitik der USA gegen über Lateinamerika, Golfkriege, Guantánamo u.v.a.m.) ebenso, wie der Blick auf innenpolitische Probleme, wie der Umgang mit Waffen, das ungerechte Justizsystem, die gewaltigen sozialen Unterschiede, der mangelnde Zugang zu Bildung für viele US-Bürger:innen, das Fehlen von für viele erschwinglichen Krankenversicherungen, das Fehlen verlässlichen ÖPNVs in zahlreichen Großstädten, die mangelnde Fähigkeit, von wenigen Ausnahmen abgesehen, leistungsfähige Fernzüge verlässlich zu betreiben, und auch das noch stärkere Aasen mit den natürlichen Ressourcen als bei uns.

Auch der bei vielen US-Amerkaner:innen kaum vorhandene selbstkritische Blick auf die Leichen im Keller der eigenen Landesgeschichte ist nicht sympathiefördernd, ebenso wenig wie der weit verbreitete Rassismus (wobei auch wir uns da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollten).

Manche Leute verengen ihren Blick auf diese Dinge und nehmen Stärken der USA nicht wirklich wahr, zum Beispiel die großen wissenschaftlichen Leistungen an vielen us-amerikanischen Universitäten, die herausragenden Leistungen in Kunst und Kultur, im Bereich von IT-Erfindungen oder die ausgeprägte Service-Orientierung vieler Dienstleister:innen.

Und andere haben vermutlich deswegen insgesamt einen eher kritischen Blick auf die USA, weil sie wenig darüber wissen.


NinjaBat 
Fragesteller
 03.05.2022, 21:41

Danke für die ausführliche Antwort!

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AIK90  22.10.2023, 14:20

Bei „herausragenden Leistungen in Kunst und Kultur“ bin ich skeptisch. Hollywoodfilme und Popmusik dienen in erster Linie der Unterhaltung („entertainment“ bzw. „show-biz“) sowie der Propaganda / Manipulation, nicht der moralischen Belehrung, Erbauung oder dem Aussprechen tieferer Wahrheiten wie es für Werke der Hochkultur charakteristisch ist. Zwar gibt es da eine ganze Reihe von Ausnahmen, der ich mir bewusst bin, doch die allgemeine Tendenz dieser US-Kultur bleibt eine triviale und dem Kommerz unterworfene. Wir können in Bezug auf die US-Kultur nicht von einer Hochkultur sprechen, sondern vielmehr von einer Breiten- bzw. Massenkultur.

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So eine "tief verwurzelte" Abneigung kann ich nicht erkennen. Wir tragen deren Klamotten, hören deren Musik, schauen deren Serien und Filme, verwenden deren Produkte, essen deren Essen. So wie es aussieht, lieben wir die US-Amerikaner. Es gibt bis heute deutsch-amerikanische Freundschaftsfeste. Jedes Jahr kommen 2,5 Mio. Deutsche zu Besuchszwecken in die USA.

Kannst du mal ein Beispiel bringen, warum wie sie nicht mögen sollten?

Der (zweite) Irakkrieg kann es ja nicht sein, wir haben ja moralisch unterstützt. Am 2. Weltkrieg sowieso nicht, denn da fing die deutsch-amerikanische Freundschaft ja an.

Von einem Experten bestätigt

Ich kenne es eher umgekehrt, aber andererseits können die Vorbehalte daher kommen, dass die Amis als oberflächlich gelten und weder eine so richtige Intellektuellenszene wie die meisten Euro-Länder haben noch eine richtige Form von Geschichte - die USA haben ihre Indianer und Cowboys, ihre Einwanderung, das war's dann im Großen und Ganzen. Das geht 200, 300 Jahre zurück. Den Amis fehlt es letztlich an "Profil", es gibt nur wenig, das "typisch amerikanisch" im historischen Sinne ist. Dazu passt die Hybris, zu der auch die Deutschen neigen, die sich oft kulturell bedingt anderen überlegen halten.

Andererseits dürfte rein politisch die Ära von Präsident George Bush jr. einiges bewegt haben, Donald Trump hat das dann nur noch weiter befeuert.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Die Hassliebe geht mehrere Jahrhunderte zurück. Es gibt einerseits die ideale der großen Freiheit, denen dann wiederum rassismus und Unterdrückung gegenüber stehen. Man spricht hier auch oft von einer Doppelmoral, “Wasser predigen und Wein saufen…”

Hierzu gibt es einen schönen Beitrag im Deutschlandfunk. Einfach auf Play gehen…

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/usa-warum-wir-sie-lieben-und-hassen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Antiamerkanismus ist v.a. bei den Linken und Rechten verbreitet, weniger in der Mitte.

Die Linken begründen ihn mit der „imperialistischen“ Politik der USA und ihrer Rolle als Vorreiter des Kapitalismus, die Rechten ihn mit ihrem Anspruch auf deutsche Eigenständigkeit, die eine USA nicht braucht oder will. Zum Teil auch mit ihrer Russlandaffinität.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich habe einmal im Reichstag das WC benutzt

Rakey269  03.05.2022, 21:11

Es gibt keine politische Mitte.

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NinjaBat 
Fragesteller
 03.05.2022, 21:15

Ja, das lässt sich meist so feststellen, da hast du Recht.

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