Wie gut ist Individualismus wirklich?

8 Antworten

Individualismus ist sehr wichtig. Egal welches ethische Konzept man zugrunde legt (ich rede hier von Gesinnungsethik und Utilitarismus, nicht irgendwelche veralteten auf den naturalistischen Fehlschluss beruhenden Konzepte), der Individualismus ist eine zwangsläufige Konsequenz aus ethisch korrektem Handeln. Im Utilitarismus geht es darum, den größten Nutzen und das größte Glück für die größtmögliche Zahl der Menschen zu erreichen. Dies ist nur möglich, wenn Selbstverwirklichung erlaubt ist. Es ist für das Individuum nicht nützlich, wenn es zur Angleichung an die Normalität gezwungen wird. Es gibt zwar Menschen, die einen Nutzen daraus ziehen würden (Sie beispielsweise möchten Individualität einschränken und würden einen Nutzen aus dem Erfolg ziehen), aber im Utilitarismus geht es nicht darum, den größtmöglichen Nutzen für eine geringe Zahl der Menschen zum Schaden des Großteils zu bewirken, hier ist Glück quantisierbar. Größtes Glück für die größte Zahl, und das ist eben momentan bei größtmöglicher Individualität gegeben. Gemäß Prinzipienethik existieren universell gültige Werte wie das Recht auf Leben, Gerechtigkeit, Gleichheit oder auch Freiheit usw., gegen die niemals verstoßen werden darf, unabhängig von den Folgen einer Handlung (daher Gesinnungs- und nicht Folgenethik). Da man mit Einschränkung der Individualität massiv in die Freiheit eingreift, was kategorisch verboten ist, ist das hiernach noch unethischer als nach dem Utilitarismus.

Pflicht gegenüber dem eigenen Volk? Das wird mir schon etwas zu abstrakt. Was ist die Pflicht gegenüber dem Volk? Das Volk sind die Einwohner eines Landes, ist es also nicht die Pflicht gegenüber dem Volk, diesem möglichst große Freiheiten einzuräumen? Dem Volk ergeht es immer nur so gut wie seinen Individuen, und eine Abschaffung der Individualität würde dem Volk massiv schaden.

Individualität würde Nationen zerstören? Wieso auch nicht? Was ist der Grund, dass die Nationen unbedingt existieren müssen, wenn sie dem Einzelnen irgendwann nicht mehr von Vorteil sein sollten? Tradition? Das Argument aus Tradition ist ein logischer Fehlschluss. Weil es momentan so ist und der bestehende Zustand erhaltenswert sein muss? Naturalistischer Fehlschluss. Die Einzelstaaten haben nur so lange eine Daseinsberechtigung, wie sie auch aus gutem Grund existieren. Wenn die Utopie wirklich eintreten sollte, die Sie so sehr fürchten, nämlich, dass jeder Mensch dieses Planeten frei ist und seine Persönlichkeit frei nach eigenem Ermessen entfalten kann, wird irgendwann kein Bedarf mehr nach Grenzen bestehen. Die Vorteile eines Weltstaates liegen auf der Hand: Man kann durch globale Raumplanung die strukturell schwachen Regionen fördern, muss weniger Ressourcen in Militär investieren und kann Ziele als vereinte Zivilisation besser und schneller erreichen. Das Problem ist nicht, dass eine Weltregierung und Utopie schlecht ist, sondern, dass das (noch, wohl auch sehr lange) unmöglich ist. Aber prinzipiell ist es erstrebenswert.

Abschließend: Nein, absolute Individualität ist nicht das Ende unserer Zivilisation, es ist das Ende des Anfangs. Und es ist noch ein weiter Weg. Einer, den man forcieren, nicht verhindern sollte.

Es lässt sich ja auch der Individualismus als Gemeinschaft sehen, in dem wir alle natürlich individuell sind erzeugt das auch eine Gemeinschaft.

Äh, ganz langsam.

Individualismus findet nur seine Grenzen, wenn man beginnt, anderen Menschen zu schaden bzw. sie an ihrem Individualismus hindert:

Patrick Süskind hat einen Roman namens "Das Parfum" geschrieben. Der Hauptcharakter Grenouille hat keinerlei menschliches Mitgefühl, gnadenlos ermordet er junge Mädchen, um sein Ziel, das perfekte Parfum zu kreieren, zu erfüllen. Der Individualismus ist ein Produkt der Aufklärung, als der Mensch sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit durch die Vernunft befreite, wie Kant sagte. Doch in eben diesem Roman, der im 18. Jahrhundert spielt, hinterfragt Süskind diesen gnadenlosen Individualismus und das Produkt dieses Zeitalters. Wir können es ja heute noch sehen: Menschen wird oftmals eingetrichtert, dass sie egoistisch handeln müssen und auf ihre Ziele bedacht sein. Nur kann man so leider nicht erkennen, was sich außerhalb der Zielstrecke befindet...

LG

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – im Masterstudium Politikwissenschaften

Den ersten Fehler begehst du gleich damit, "Individualismus" als eine klar abgrenzbare Entität von Ansichten darzustellen. Das ist aber schlicht falsch.

"Individualismus" ist ein inhaltlich völlig unbestimmter Begriff, der lediglich das Individuum in den Fokus der Betrachtung stellt. Konkret können dabei völlig diametral entgegengesetzte Positionen gegenüberstehen. Etwa eine, die das je individuelle betont und eine, die als individuelles Merkmal sich gerade dadurch auszeichnet, eher Gemeinschaftlichkeit in den Vordergrund zu rücken...

In diesem Sinne gibt es auch keine "Grenzen" und im Weiteren verwechselst du Individualismus schlicht mit Egomanie und stellst völlig sinnfrei Individualismus und Nation in einen konstruierten Gegensatz.

Warum sollte Hedonismus zur Zerstörung der Menschheit führen? Auch hier verwechselst du vermutlich den Begriffsinhalt und legst ihn dir fälschlich als Synonym für Egoismus zurecht.

Dabei geht es dem Hedonismus darum, in einem genuss-, lust- und freudvoll gelebten Leben ein gelungenes Leben zu sehen.

Der Individualismus ist ein Produkt des Kapitalismus allgemein, des Liberalismus insbesondere und ist mit dem Egoismus ineinander verschränkt. Er dient der Rechtfertigung der Ausbeutung im Kapitalismus sowie dessen Profitstrebens. Ideologisch betrachtet wird der Mensch im Individualismus aus seinen gesellschaftlichen Bezogenheit herausgenommen und lediglich als biologisches oder geisitges Wesen angesehen. Damit wird eine Nabelschau begünstigt, der Narzißmus feiert nicht selten fröhliche Urständ. Das Einzelkämpfertum zum Erreichen persönlicher Interessen wird Groß geschrieben.

Abwegig ist die Annahme, dass der Individualismus die Individualität fördert, mitnichten, darauf ist er gar nicht angelgt, auch wenn etliche Leute dies meinen zu wissen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Innerhalb meines Studiums hatte ich viel mit Politik z utun