Welche Islamischen Länder haben die Nazis im 2. Weltkrieg unterstützt?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Frage geht von groben Pauschalisierungen und Vereinfachungen aus, die so nicht zutreffen.

Einerseits unterschätzt du wohl die Vielzahl von widerstrebenden Interessen, Fraktionen und Ideologien in jedem einzelnen beteiligten Land, andererseits überschätzt du die Rolle von Ideologie in der Bündnispolitik, denn die hing in erster Linie von strategischen Überlegungen, Kolonialbeziehungen und regionalen Bündnissen und Feindschaften ab. Das wird allein schon klar, wenn man bedenkt, dass auf Seite der Alliierten kommunistische und liberal-kapitalistische Länder kooperierten und andersherum nicht alle faschistischen oder faschistoiden Regierungen die Achse unterstützten, sondern einige neutral blieben (wie Spanien und Portugal), andere von der Achse angegriffen wurden (wie Griechenland) und wieder andere sogar den Alliierten beitraten (wie Brasilien).

Zu den islamischen Ländern: Zur Zeit des zweiten Weltkriegs gab es nur eine Handvoll unabhängiger islamischer Staaten (Türkei, Jemen, Saudi-Arabien, Irak, Iran, Afghanistan), die mehrheitlich neutral blieben, auch wenn einige, wie Saudi-Arabien, die Alliierten materiell unterstützten. Im Irak gab es 1941 einen Putsch, der sich gegen den britischen Einfluss richtete und deshalb Kontakt zur Achse suchte. Diese Putschregierung wurde durch britische Intervention gestürzt und die neue Regierung erklärte 1943 der Achse den Krieg. Auch im Iran wurde die neutrale Regierung durch britische und sowjetische Intervention abgesetzt und die neue erklärte der Achse ebenfalls 1943 den Krieg.

Die meisten übrigen islamischen Länder vor allem Afrikas und der Levante waren Kolonien oder Protektorate und unterstützten ihre jeweiligen Kolonialherren mehr aus Zwang als aus Willigkeit. Qatar, Oman, Transjordanien, Palästina, Ägypten und Sudan beispielsweise standen unter britischer Herrschaft und wurden auf die eine oder andere Weise für die britischen Kriegsbemühungen genutzt. In Palästina rekrutierten die Briten ein Freiwilligenregimt aus Juden und Arabern, wobei erstere zahlreicher waren und auch für Kampfhandlungen eingesetzt wurden.

Libyen stand unter italienischer Herrschaft und stellte damit Truppen für die Achse. Syrien, Algerien, Marokko, Mauritanien, der Libanon, Mali, Niger und Senegal standen unter französischer Herrschaft und manche dieser Gebiete fielen später an das faschistische, mit der Achse kooperierende Vichy-Frankreich, während andere der französischen Exilregierung folgten, hier ist vor allem Algerien zu nennen. Marokko stand zuerst auf französischer Seite, dann auf der Seite Vichy-Frankreichs und dann wieder auf Seite der Alliierten. Der tunesische Bey Mohammad VII unterstand zwar Vichy-Frankreich, erklärte aber seine Neutralität und schützte die tunesischen Juden vor Zwangsarbeit und diskriminierenden Dekreten aus Frankreich. Ebenso gab es in mehreren dieser Länder militärischen Widerstand.

In Albanien und Jugoslawien gab es bedeutende muslimische Bevölkerungsanteile, aber diese spalteten sich ebenso wie die Orthodoxen, Katholiken und Säkulären in Kollaborateure und Widerständler. Die anderen Antworten haben sich auf den Großmufti von Jerusalem und die SS-Divisionen aus muslimischen Bosniaken eingeschossen, aber nicht erwähnt, dass diesen Einheiten auch Christen angehörten und auf der anderen Seite zahlreiche Muslime in der albanischen und jugoslawischen Guerillabewegung aktiv waren.

Ohnehin waren zu diesem Zeitpunkt im Krieg SS-Divisionen aus Nichtdeutschen keine Besonderheit mehr, die Nazis fanden in fast allen besetzten Gebieten bereitwillige Kollaborateure vor, die entweder die faschistische und antisemitische Ideologie teilten oder von Antikommunismus oder Gegnerschaft zu Großbritannien motiviert waren. Entsprechend gab es auch freiwillige SS-Divisionen aus Belgiern, Dänen, Norwegen, Franzosen, Finnen, Russen, Ukrainern, Esten, Letten, Litauern und sogar Indern.

Sogar in Palästina gab es mit Lechi unter Avraham Stern eine rechtsextreme jüdische Miliz, die (vergeblich) die Kooperation mit Nazideutschland suchte, weil sie darin einen Verbündeten gegen die britische Besatzung Palästinas sah. Die wesentlich größeren jüdischen Milizen Haganah und Irgun legten wohlgemerkt ihre Gegnerschaft zu den Briten für die Dauer des Kriegs beiseite.


Krawda 
Fragesteller
 15.05.2024, 11:57

Danke für die ausführliche Antwort. 😳 Da war ja also richtig was los in den Gebieten. Da wurden also wohl andere Prioritäten gesetzt. Das war ja ein unüberschaubarer Mix aus Interessen Land neben Land.

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Islamische Länder? Die meisten waren noch eine Kolonie und kein eigenständiger Staat. Und wer unter der Fuchtel von Engländern oder Franzosen steht äußert sich kaum zu Hitler und den Nazis.

Einzig der Großmufti von Jerusalem traf mal Hitler und es gab einige Sympathien der Perser (heute Iran), schließlich übernahmen sie die Rassenlehre: Iran = Land der Arier.


Krawda 
Fragesteller
 13.05.2024, 21:07

Wow wieder was gelernt. Ok ich dachte die blonden Arier gab es nur im Norden.

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GenosseAndrej  13.05.2024, 21:39

Der Irak war auch auf der Seite der nazis bis die Briten Irak erobert haben

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Chris428  14.05.2024, 12:53
@GenosseAndrej

Das "Britische Mandat Mesopotamien", wie es damals hieß, also die Macht über den Irak, wurde 1922 gültig. Unter der britischen Oberherrschaft wurde zwar ein Königreich ausgerufen, das aber sofort mit Kriegsausbruch am 1. September 1939 die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abbracht, denn man war durch und durch pro britisch!

1941 putschte die irakische Armee gegen die Briten und verloren innerhalb von vier Wochen. Der Irak wurde erst 1958 von den Briten unabhängig.

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