Warum wird bei den Iranprotesten gegen den Staat Iran demonstriert und nicht gegen die Scharia/den Islam?

9 Antworten

Die Regierung in Iran handelt unislamisch. In Iran ist der schiitische Islam verbreitet und dieser Islam hat eine lange Tradition, bei der sich Geistliche aus politischen Angelegenheiten heraus halten:

Laut Ali Mamouri, der 2013 schrieb, war die Islamische Republik Iran "nie in der Lage, eine stabile und harmonische Beziehung zwischen den schiitischen Seminaren von Qom und Nadschaf herzustellen". "Die meisten" der "spirituellen Bezugspersonen" alias marjaʿ in Qom [...] unterstützen die Position des Regimes zum Statthalterschaft der Rechtsgelehrten nicht, obwohl dies dazu geführt hat, dass eine Reihe von ihnen unter Hausarrest gestellt und daran gehindert wurde, "ihre Ansichten und Ideen zu äußern oder ihre Lehrtätigkeit und religiösen Pflichten fortzusetzen". Die religiösen Führer von Nadschaf stellen ein noch größeres Problem dar, da Nadschaf außerhalb der iranischen Grenzen liegt und ihre Marjaʿ daher nicht vom Iran inhaftiert werden kann. Ab 2020 lehnen die "vier führenden Marja' von Nadschaf (Ali al-Sistani, Bashir al-Najafi, Muhammad al-Fayadh, Muhammad Saeed al-Hakim) Ruhollah Khomeinis Konzept der Statthalterschaft aktiv ab, und ein großer Teil der klerikalen schiitischen Gemeinschaft im Allgemeinen akzeptiert die Theorie der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten nicht und ist der Ansicht, dass sich der Klerus aus der Politik heraushalten sollte. Die Mehrheit der Schiiten akzeptierte den verstorbenen Großayatollah Seyyed Hossein Borujerdi (1875-1961) als ihren Marja' al Taqlid (Quelle der Nachahmung), einschließlich seines Schülers, Ayatollah Ruhollah Khomeini. Zeit seines Lebens verbot Borujerdi, der ein Quietist war und daher keine politische Stellung bezog, seinem Schüler Khomeini, sich mit nicht-religiösen Angelegenheiten zu befassen. Erst nach Borujerdis Tod veröffentlichte Khomeini seine erste politische und soziale Abhandlung, in der er ausdrücklich zur aktiven Teilnahme an politischen Angelegenheiten aufrief. [Wikipedia]

Ein Auszug aus dem islamistischem Gesetzeswerk im Iran.

Nach Artikel 638 des iranischen Strafgesetzbuchs droht den Frauen, die den vom Regime vorgeschriebenen Hijab nicht tragen, bis zu zwei Monate Haft. Bis zu 74 Peitschenhiebe drohen einer Frau, die eine sogenannte „sündige Handlung“ (Haram) begeht, darunter versteht das Regime schon eine romantische Beziehung mit einem Mann vor der Ehe, die nach iranischem Recht als Ehebruch gilt.

Das der fundamentalistische Islam Frauenverachtend aufgebaut ist, muss ich wohl nicht erklären.

Nicht alle Muslime sind Fundamentalisten. In manchen Ländern ist der Fundamentalismus aus Europa importiert worden - von zurückkehrenden Gastarbeitern, die sich in Europa radikalisiert hatten.

Der Iran ist das einzige Land, bei dem ich mir sicher bin, dassd die Zahl der Radikalen im Laufe der Zeit gesunken ist (unter dem Schah war sie gestiegen).

Es sollte endlich erlaubt sein, frei den Islam zu kritisieren.

Da gibt es kein staatliches Verbot.

Kritik sollte aber auch sachgemäß sein. Etwa wenn dass man nicht pauschal „den” Islam als fundamentalistisch darstellt - aber z.B. darauf hinweist, dass fast überall der Anteil der radikalen Muslime steigt (und auch in D nicht mehr unbedeutend ist).

Und die Gegenmaßnahmen sollten überlegt sein. Gewaltsame Unterdrückung hat radikalen Islam noch nie geschwächt. Weder bei antiwestlichen Regimen wie von Ghaddhafi oder Saddam Hussein, noch bei Freunden des Westens (von Marokko bis Ägypten).

Open Doors (die NGO für verfolgte Christen) empfiehlt Nächstenliebe und Mission. Der kürzlich verstorbene Gründer buchstabierte Islam so:

I
Sincerely
Love
All
M
uslims

Und war so vermutlich auch mit einer der Gründe, dass vor einigen Jahren der Sohn eines führenden Hamas-Mitglieds Christ wurde.

Aber nur Angst haben und mit Muslimen nicht sprechen, wird die Lage nicht verbessern.

weil in dem Augenblick der Staat die Sharia eingeführt hat und praktisch mit ihr identisch ist. Du kannst nicht die Sharia abschaffen und die Regierung belassen. Aber umgekehrt, nur umgekehrt, geht es: wenn die Regierung zum Teufel gejagt . oder besser noch, vor Gericht gestellt wird, ist die Sharia auch weg,

Die Iranische Regierung und die Scharia bzw. der Islamismus sind klar verknüpft und nicht zu Trennen.

Jede Demonstration jeder Aufstand gegen diese Regierung und deren Gesetzgebung ist auch eine Demonstration gegen die Scharia und das Aufzwingen von religiösen Regeln gegen den Wille der Bevölkerung.

Ich persönlich würde mir auch niemals anmaßen den Iranern vorzuschreiben gegen was sie zu Protestieren haben.


earnest  27.10.2022, 14:33

Diese Bescheidenheit unterscheidet dich von manch anderen Nutzern. Ich unterstelle, dass du hier über Hintergrundwissen über die Situation im Iran verfügst. Auch das ist nicht bei allen Nutzern so.

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