Warum war während der NS-Zeit das deutsche Volk so enorm bereitwillig sein Gegenüber zu denunzieren?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Praktischerweise gab es erst heute eine Doku dazu im TV (ZDF Info)

Demnach war die wirtschaftliche Lage zu Beginn der Nazi-Zeit bis ca. 1935-36 nicht besonders rosig (Versailer Vertrag). Also schmiedete der Propagandaminister den Plan, die Menschen zu beschäftigen, indem man "die Juden" als Problem und Sündenbock der Gesellschaft auserkor.

In der Folge kam es immer wieder zu Übergriffen, die Hitler zunächst unterband. Später, nachdem man es nach der Übernahme Österreichs (Anschluss) in kleinem Rahmen mit lediglich 70.000 Menschen ausprobierte (die zunächst lediglich ihrer beruflichen Positionen beraubt wurden), wurde die Judenverfolgung dann doch kontrolliert und im industriellen Maßstab auch im Hauptreich durchgeführt.

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/komplizen-des-boesen-1933-1938-faszination-und-gewalt-102.html

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/komplizen-des-boesen-scheinwelt-auf-dem-berghof-102.html

Die Serie besteht aus 10 Teilen

https://www.zdf.de/sendung-verpasst#mittags

Es ist wichtig zu sagen, dass die Neigung, andere während der NS-Zeit zu kritisieren, nicht auf das gesamte deutsche Volk zutrifft. Es wäre falsch und unangemessen, das gesamte deutsche Volk als "äußerst bereit" zur Denunziation zu beschreiben. Viele Menschen waren während dieser Zeit nicht aktiv daran beteiligt, andere zu denunzieren oder zu verraten, und es gab eine Vielzahl von individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen.

Aber es stimmt schon, dass einige Menschen während des Nationalsozialismus ihre Mitbürger denunzierten, was zur Überwachung und Verfolgung von vermeintlichen Gegnern des Regimes beitrug. Mögliche Ursachen wären:

  • Propaganda und Indoktrination: Die nationalsozialistische Propaganda war sehr effektiv darin, die Menschen zu manipulieren und Feindbilder zu schaffen. Menschen, die als „Volksverräter“ oder „Staatsfeinde“ dargestellt wurden, wurden als eine Bedrohung für die Gemeinschaft dargestellt, was die Bereitschaft erhöhte, solche Personen zu denunzieren.
  • Furcht und Selbstverteidigung: Die Gestapo und andere repressive Instrumente des NS-Regimes verursachten eine Stimmung der Furcht und Angst. Viele Menschen haben andere kritisiert, um sich vor Verdacht und Verfolgung zu schützen. Sie hofften, durch die Denunziation ihre Position zu stärken.
  • Ideologische Überzeugung: Einige Personen vertraten die nationalsozialistische Ideologie und glaubten, es sei ihre Verantwortung, vermeintliche Gegner des Regimes zu identifizieren, um die "reine" deutsche Gesellschaft zu schützen.
  • Belohnungen und Anreize: Es gab auch Fälle, in denen das Regime Personen Belohnungen oder Vergünstigungen für das Melden angeboten hatte, was einige dazu brachte, ihre Mitbürger zu kritisieren.
  • Spionage in der Nachbarschaft: Unter dem NS-Regime wurde ein Umfeld des Misstrauens und der Spionage in der Nachbarschaft gefördert. Es wurde empfohlen, auf ihre Nachbarn und Kollegen zu achten und verdächtige Aktivitäten zu melden.

Man sollte auch wissen, dass die Neigung zur Denunziation nicht nur in Deutschland vorkam. Ähnlich wurden Menschen in anderen totalitären Regimen und Diktaturen dazu ermutigt oder gezwungen, ihre Mitmenschen zu kritisieren. Es ist entscheidend, aus der Vergangenheit zu lernen und sicherzustellen, dass solche repressiven Systeme und Tendenzen niemals wiederkehren.


Stressika 
Fragesteller
 26.07.2023, 21:01

Vielen Dank für diese wertvolle Antwort!

1
Stressika 
Fragesteller
 26.07.2023, 21:10

Man ist allerdings auch sehr weit davon entfernt behaupten zu können, dass es nur eine kleine Sippschaft im Volk war die denunzierte und später auch den Mord an den europäischen Juden und die anderen Verbrechen geplant und umgesetzt hatte. Es waren Industrielle, Unternehmer, Arbeitslose, Beamte und Soldaten, die sich beteiligten oder davon profitierten, Konkurrenten wurden ausgeschaltet, deren Arbeitsplätze mit Begeisterung übernommen. Arisiertes Eigentum war auch überall gern genommen, man erfreute sich an den niedrigen Preisen. Nach dem Krieg log man über das eigene Wissen, über die Taten oder gar seiner eigenen Mitschuld. Niemand hatte jemals etwas persönlich gegen Juden. Natürlich gab es seinerzeit auch unschuldige Deutsche, auch Opfer, das steht außer Frage, aber diese waren ab einer bestimmten Phase des Regimes verschwindend gering. Es herrschte überwiegend Mittäterschaft oder bewusste stillschweigende Komplizenschaft mit den Nationalsozialisten, die viel weiter verbreitet war, als es sich die Deutschen eingestehen wollten und auch heute noch wollen! Böse Absicht wird hier nicht unterstellt, es ist vielmehr die Lücke an Kenntnis vieler Zusammenhänge. Wer über die Vorteile für die Millionen einfacher deutscher Bürger nicht spricht, der sollte seine Meinung zum Nationalsozialismus seinem Volkskörper und dem Holocaust besser für sich behalten.

0

Das hat sich leider nicht geändert. Die Bereitschaft seine Nachbarn wegen irgendetwas anzuzeigen und zu denunzieren ist enorm groß. Das gehört mit zum Prinzip des Mobbings und der Ausgrenzung.

Nein, so viel wurde nicht denunziert. Warum auch? Wie kommst du nur darauf. Im Überwiegenden lebten die Menschen friedlich miteinander. Außer den Juden, das war natürlich ein anderer Fall.

Vielmehr war es später in der DDR so.


Stressika 
Fragesteller
 27.07.2023, 08:17

Bitte zwingend mit dem Thema intensiver befassen, ansonsten entstehen Texte wie diese hier.

0

Denunzianten gabs schon immer. Auch heute.

Nur damals gab es keine Möglichkeit, sich dagegen auszusprechen. Denn dann hätte man selbst Besuch von der Gestapo bekommen.

Außerdem lud die Möglichkeit des Denunzierens natürlich dazu ein, diese auch zu nutzen. So konnte man unliebsamen Nachbarn oder Bekannten ungestraft schlimmes antun.

Eine gewisse Affinität zum Regime war natürlich auch Grund.