Warum war für die Römer der Anspruch "König der Juden" ein Grund für das Todesurteil über Jesus?

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Jüdische Behörden durften keine Todesstrafe verhängen

Die erste Phase des Prozesses fand vor dem Hohenpriester und dem Hohen Rat (Sanhedrin) statt. Der Hohepriester war der höchste jüdische Amtsträger der Provinz. Zur Zeit des Prozesses gegen Jesus wurde er vom Statthalter ernannt. Die Funktionsweise des Sanhedrin zur Zeit Jesu ist in der historischen Forschung umstritten, weil unklar ist, inwieweit Angaben der später entstandenen rabbinischen Literatur (Mischna), die einen Rat mit 71 Mitgliedern, einem klar geregeltem Verfahren und bestimmten Zuständigkeiten beschreiben, für die Zeit Jesu zutreffen.

Jedenfalls waren der Hohepriester und der Hohe Rat unter römischer Herrschaft vermutlich befugt, religiöse Vergehen abzuurteilen. Dies entsprach der römischen Praxis, unterworfenen Völkern in gewissem Umfang ihr eigenes Recht zu belassen.

Nach den Schilderungen der Evangelien wurde im Verfahren vor dem Sanhedrin gegen Verfahrensvorschriften des jüdischen Rechts verstoßen, etwa dadurch, dass die Verhandlung nachts begann. Es ist jedoch nicht sicher, dass es sich überhaupt um einen mit einer förmlichen Verurteilung endenden Strafprozess handelte. Womöglich wurde das Verfahren nach einer Voruntersuchung durch den Hohenpriester vor Pilatus fortgeführt, weil die Strafgewalt der jüdischen Behörden die Todesstrafe nicht umfasste.

Pontius Pilatus war von 26 bis 37 nach Christus Präfekt von Judäa. Militärisch war er zwar dem Statthalter der größeren Provinz Syrien untergeordnet, doch hatte er die Befugnis, die Todesstrafe aus eigener Machtvollkommenheit zu verhängen.

Die Überstellung an Herodes Antipas ist nicht ohne weiteres zu erklären: Pilatus war nicht verpflichtet, Jesus an Herodes auszuliefern, weil er aus Nazareth in Galiläa und damit aus dem Herodes unterstehenden Gebiet stammte: Der Statthalter hatte das Recht, in seiner Provinz begangene Taten selbst zu bestrafen.

Angeklagt wegen Gotteslästerung oder Majestätsverbrechens

Das Verfahren vor Pilatus folgte keiner besonderen Form. Pilatus entschied allein. Dies war ihm jedenfalls gegenüber einem Angeklagten gestattet, der – wie Jesus – nicht im Besitz des römischen Bürgerrechts war. Später verdrängte das formlose Verfahren vor einem einzelnen Beamten auch in Rom und in Prozessen gegen Bürger das traditionelle Verfahren vor Geschworenengerichten.

In der Sache wandte Pontius Pilatus römisches Strafrecht an, während der Hohe Rat nach jüdischem Recht verfuhr. Dies zeigt sich schon an der unterschiedlichen Fassung des Tatvorwurfs: Vor dem jüdischen Gericht wurde Jesus vor allem Gotteslästerung vorgeworfen. Bei Pontius Pilatus wurde Jesus hingegen angeklagt, weil er sich als König der Juden ausgegeben und so die Herrschaft des Kaisers in Frage gestellt habe. Diese Anklage könnte auf den Tatbestand der Anstiftung zum Aufruhr oder auch des so genannten Majestätsverbrechens zielen.

Für beide Verbrechen konnten Täter, die nicht das römische Bürgerrecht besaßen, zum Tod am Kreuz verurteilt werden. Denkbar ist auch, dass Jesus wegen Missachtung des Gerichts bestraft wurde, weil er sich zu den Vorwürfen nicht äußerte. Die Art der Bestrafung belegt nochmals, dass Pilatus nach römischem Recht urteilte, denn das jüdische Recht kannte die Kreuzigung nicht.

Die biblischen Berichte vom Prozess Jesu lassen viele Fragen offen. Dennoch werfen sie interessante Schlaglichter auf die römische Provinzialverwaltung, die den unterworfenen Völkern eine gewisse Selbständigkeit ließ, aber mit äußerster Brutalität reagierte, wenn die römische Herrschaft in Frage gestellt wurde.

Woher ich das weiß:Recherche

Nofear20 
Fragesteller
 07.04.2023, 08:40

Danke für die ausführliche Antwort.

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Von der historischen Person Jesus weiß man kaum etwas. Man muss bedenken, dass die ersten Schriften über ihn erst 40 Jahre nach seinem Tod auftauchten.

Auch die meisten Theologen stimmen darin überein, dass die Evangelien "Bekenntnisschriften zur Stärkung des Glaubens" sind und nicht die exakte Darstellung historischer Ereignisse.

Die Erzählung, dass Jesus vor Pontius Pilatus verhört wurde, ist historisch wenig wahrscheinlich. Damals wurden jüdische Aufrührer eher ohne weiteres hingerichtet und nicht dem obersten Vertreter Roms zum Verhör vorgestellt.

Grundsätzlich war eine Verurteilung Jesu durch die Römer für die frühen Christen ein Problem, weil er wie ein Verbrecher zu einem unehrenhaften Tod verurteilt wurde. Darum auch die Abwälzung der Schuld daran an "die Juden" und die Weißwaschung der Römer an diesem Urteil. Das hatte dann auch den Antisemitismus vieler Christen und letzten Endes auch den Holocaust zur Folge.

Fazit:

Historisch gesichert weiß man so gut wie nichts.
Eventuell wurde ein Mensch Jesus/Joshua irgendwann von den Römern als Aufständischer hingerichtet.


Nofear20 
Fragesteller
 07.04.2023, 08:55

Danke für die Antwort. Die Hinrichtung als Beginn des jüdischen Antisemitismus finde ich nachvollziehbar. Die Erzählung von den Juden als Gottesmörder wurde dann ja auch von der christlichen Kirche in den folgenden Jahrhunderten fleißig kultiviert.

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Jesus Christus hatte keine Schuld begangen und hat somit auch nie eine eingestanden. Das also hat sein Schicksal nicht besiegelt. Jesus Christus hat auf die Frage des Pilatus "Also bist du doch ein König" nur wahrheitsgemäß geantwortet "Du sagst es, ich bin ein König, dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, um von der Wahrheit Zeugnis zu geben."

Die Juden sahen den Königstitel politisch und das wäre ein Verurteilungsgrund gewesen. Die Juden wollten ihn aber vor allem deshalb töten, weil Jesus sich als Sohn Gottes bezeichnet hatte. Pilatus sieht darin jedoch keine Gefahr, denn Jesus hatte gesagt "Mein Königreich ist nicht von dieser Welt". Damit war für ihn die Sache erledigt "Ich finde keine Schuld an ihm".

Die römische Besatzungsmacht hat das Urteil zwar ausgesprochen und vollstrecken lassen, die moralische Verantwortung dafür aber hat die jüdische Obrigkeit. Die Juden haben Pilatus in die Enge getrieben und alle seine Versuche, Jesus frei zu bekommen, sind gescheitert durch die Taktik des Hohen Rates. Die jüdischen Autoritäten tragen also die Hauptschuld. Denn sie bringen ins Spiel, dass sich dieser Jesus zum Sohn Gottes gemacht hat und so darf sich nur der Kaiser nennen. Also muss Pilatus nun nachgeben, weil er sonst "kein Freund des Kaisers" war und dies wohl auch Konsequenzen für ihn gehabt hätte. Damit setzten sie den Statthalter unter Druck, so dass dieser dem Ansinnen der Juden nachgab.

Jesus musste durch die Taktik der Juden und die Feigheit des Pilatus sterben.


bountyeis  07.04.2023, 17:42

Ich halte die Zuschreibung der Schuld den Juden und die Reinwaschung der Römer für paullinische Propaganda, der die Römer missionieren wollte

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Das war kein Anspruch, sondern Spott.

Jesus sagte ja, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist, was ja stimmt, denn diese Macht hatte zu dieser Zeit Satan, der irdische Regierungen etablierte. Gefahr wegen diesen Titel "König der Juden" bestand keine, es war eher eine Antwort auf die Provokation der Pharisäer, die Pilatus durchschaute. - Das ist auch heute so: Berufene Christen hören in 1.Linie auf Jesus im Himmel, nicht auf irdische Herrscher!