Warum ist das Wort "Patriot" negativ behaftet?

10 Antworten

Tja, da hat sich Spahn wohl als Rechtspopulist geoutet ... oder doch nicht, weil es ihm egal ist, wie der Begriff von anderen missbraucht wird.

Ich persönlich finde ihn allerdings dezent unpassend und veraltet - auch ohne Mitwirken der AfD.

Meiner Meinung nach wegen der Alibi-Patrioten. Seit ein paar Jahren schießen selbsternannte Patrioten wie Pilze aus dem Boden, aber die deutsche gemeinnützige Vereine (lies: die Leute, die tatsächlich etwas für Deutschland leisten) haben den gleichen Nachwuchsmangel, den sie schon seit Jahrzehnten haben. Für viele Patrioten bedeutet "Patriotismus", dass man zwingend die AfD feiert und gegen den Islam sowie die "Grünen / Merkel / die Linken" ist und außerdem regelmäßig betont, was für ein krasser Patriot man ist und dass man regelmäßig die Deutschlandflagge schwingt.

Sobald der eigene Patriotismus aber mit Arbeit verbunden ist, wird es fragwürdig. Die gemeinnützigen Vereine habe ich ja schon angesprochen, aber ich finde es hier immer wieder weird, wenn die Alibi-Patrioten hier in ihren anderen Fragen solche hochpatriotischen Themen wie Arbeitslosigkeit, die eigene Kriminalität oder kiffen thematisieren und vielleicht noch ihre miserablen Deutschkenntnisse präsentieren. Und da ergeben sich Interessenkonflikte. Naturschutz ist auch etwas Patriotisches, aber weil das etwas ist, wofür die Grünen einstehen, muss man pauschal dagegen sein. Mit einer Impfung (ganz allgemein, nicht auf eine bestimmte bezogen) schützt man sein Umfeld, auch das ist patriotisch. Da muss man aber aus Prinzip dagegen sein, weil Jens Spahn halt kein AfD-Mitglied ist und daher per Definition unrecht hat.

Ich bin der Meinung, dass echte Patrioten es nicht nötig haben, ständig zu betonen, dass sie Patrioten sind. Die Alibi-Patrioten müssen das allerdings tun, und die sind der Grund, warum der Begriff "Patriotismus" negativ behaftet ist.

In Deutschland ist der Begriff negativ behaftet, wohl nicht in England, Frankreich, den USA, Russland, Österreich, Schweiz, China, Korea, Japan, Brasilien und vielen anderen Ländern.

Es hängt natürlich mit der Verarbeitung unserer Vergangenheit von 1933 - 1945 zusammen, in welcher die Nation und der Bezug zu einer Heimat ideologisch in einen blutigen Kampf der Völker bis hin zum Völkermord extremst pervertiert worden ist. Eine Form der Verarbeitung ist, alles, was mit Nation, Heimat etc. zusammenhängt, als Grundübel zu klassifizieren, als Auslöser für Hass, Völkermord etc. (z.B. Grüne Jugend: "Nationalismus ist eine Form von Patriotismus. Wer sich als patriotisch definiert, grenzt Andere aus. Zur Fußballeuropameisterschaft fordern wir alle Fans dazu auf, nationalistischem Gedankengut keinen Raum zu lassen! Fußballfans Fahnen runter!")

Dann gibt es noch die These, dass Gemeinschaft ausgrenzt (eine These bar jeden Verstandes).

Zusätzlich identifizieren sich viele Strömungen nicht mehr mit ihrer Heimat, zumindest nicht mehr auf nationaler Ebene, weil man sich maximal vom Nationalismus distanzieren will.

Schlussendlich wird der Begriff Patriotismus ideologisch überzeichnet und so negativ konnotiert. Diese überzeichnete Form von Patriotismus ist zwar falsch, aber Patriotismus im Sinne von "Wir arbeiten gewissenhaft und tun gutes für den Bereich, wo wir lokal wirken können, übernehmen Verantwortung für unseren Wirkbereich" wäre nicht falsch, ist aber wohl nicht mehr das Verständnis.

Schlussendlich ist es ein Stück weit eine Begriffsverschiebung oder zumindest eine Konnotation aus schlimmen Erfahrungen, die auf sämtliches, was damit zumindest in irgendeiner Weise in Zusammenhang gebracht werden kann, verurteilt.

Das Wort "Patriot" hat nichts mit der AFD zu tun, ist auch nicht negativ behaftet, sondern positiv. Einem deutschen Olympiasieger wird die Nationalhymne gespielt. Sind wir dabei nicht ein wenig stolz? Patriotismus!

Man will seit einiger Zeit Begriffe, die von der AfD zwecks Diskursverschiebung okkupiert wurden, zurückerobern. Beim Patriotismus scheint das auch tatsächlich zu klappen.