Blickwechsel 11. März 2021
Deine Fragen an einen Buddhisten
Alles zum Blickwechsel

Unterstützt der Buddhismus Homosexuelle und Feminismus?

2 Antworten

Wie bei anderen Religionen gibt es Aussagen, die durch die Kultur geprägt sind, in denen der jeweilige Text erstmals niedergeschrieben wurde.

Man muss also auch gerade religiöse Texte immer im Kontext von Zeit und Ort sehen, an denen sie entstanden sind und welche Bedingungen damals herrschten.

Historisches

So soll der Buddha beispielsweise gezögert haben, Frauen die Ordination zur Nonne zu geben und erst auf Drängen eines seiner Lieblingsschülers zugestimmt haben

Zudem umfassen die traditionellen Vinaya-Regeln für Mönche 227 Regeln, während die Nonnen 311 einhalten müssen. Das klingt erst einmal diskriminierend.

Hintergrund ist, dass die Mönche damals wandernd umherzogen und vom Betteln lebten. Witwen wurden traditionell von ihren Familien versorgt.

Frauen in den Orden aufzunehmen brachte zwei Probleme mit sich - erstens musste man mit gewissen sexuellen Spannungen in der Gemeinschaft rechnen.

Zweitens könnten Familien, die nicht gewillt sind, die Witwe zu versorgen, diese dazu zwingen, sich als Nonne ordinieren zu lassen, um sie los zu werden.

Die größere Zahl an Regeln ergibt sich einer alten Erklärung nach dadurch, dass Frauen zwei Brüste haben - hier musste also mehr geregelt werden, als bei Männern

Kulturen

Kritiker des tibetischen Vajrayana-Buddhismus bringen immer wieder den Vorwurf, die Frau diene dem Lehrer (Lama) bei tantrischen Ritualen nur als Sexobjekt.

Die Frau werde auf die Rolle als "Werkzeug" für die männliche Erleuchtung reduziert und habe selbst keinerlei Wert. Diese Darstellung ist zumindest zweifelhaft.

Auch gibt es in Südostasien teilweise abwertende Bezeichnungen für Homo- und Transsexuelle. Ein Großteil der Menschen dort sind Buddhisten.

Da wundert es nicht, dass auch manche buddhistische Lehrer, die in diesen Kulturen aufgewachsen sind, womöglich derartige Ansichten vertreten.

Tatsächlich gibt es aber auch westliche Lehrer des Buddhismus, die sich in der Vergangenheit abfällig im Bezug auf Homosexualität geäußert haben.

LGBTQI*

Andererseits gibt es auch so genannte "Gay-Sanghas", also buddhistische Gemeinschaften mit offen homosexuellen Mitgliedern und Lehrern.

Einige Gay-Sanghas engagieren sich z.B. gegen Diskriminierung von Homosexuellen, setzen sich für HIV-Infizierte ein, oder betreiben Hospize.

Auch buddhistische Frauenbewegungen gibt es - und diese strahlen teilweise sogar bis nach Asien zurück, wo das Ansehen von Nonnen wieder gestiegen ist.

Sie haben dazu beigetragen, dass das Thema stärker behandelt wird und zum Erstarken des Bewusstseins für die Rolle der Frau im Buddhismus geführt.

Sünde

Das Konzept der "Sünde", wie in den abrahamitischen Religionen - ein Verstoß gegen göttliche Gebote - gibt es im Buddhismus ebenso wenig, wie die Bestrafung von Sünden

Wochen nach dem Blickwechsel schaffe ich es endlich dir zu antworten. Es tut mir leid, dass es so lange gebraucht hat & ich hoffe, dass du meinen Beitrag noch liest.

Was das Thema Homosexualität angeht hat der User Enzylexikon schon eigentlich das meiste gesagt, weshalb ich wenig hinzufügen kann. Die Ablehnung der Homosexualität kommt nicht aus der Religion, sondern aus der Landeskultur in welcher sich der Buddhismus verbreitet hat. Deshalb ist mir auch kein westlicher Buddhist bekannt, welcher Homosexualität ablehnt (& dies religiös begründet). Du musst wissen, dass der Buddhismus eine national sehr formbare Religion ist. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Buddha selber hat verkündet, dass man seine Lehre in der Sprache tradieren soll, welche man selber muttersprachlich spricht. Auch die Existenz von Göttern hat Buddha nicht abgelehnt, sondern stand dem agnostisch gegenüber. So ist es heute so, dass die verschiedenen Konfessionen des Buddhismus eine Mischung aus dem Ur-Buddhismus & der damaligen Landeskultur (& Landesreligion) sind.

Das hat in erster Linie damit zu tun, dass die buddhistischen Quelltexte, anders wie die Bibel & der Koran, keine Motive dazu liefern. Was man den buddhistischen Quelltexten vorwerfen kann ist, dass sie als kritisch gegenüber Sexualität im allgemeinen interpretiert werden können. Aber das Geschlechterverhältnis spielt dabei keine Rolle.

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Nun zum Thema Feminismus. Hier hat der User Enzylexikon eigentlich auch schon das meiste gesagt. Das einzige mir bekannte Motiv was potentiell gegen die Autorität einer Frau spricht ist Buddhas Kritik an der Einführung des Nonnen-Ordens bzw. die zusätzlichen Regeln für Nonnen. Aber auch das lässt sich kulturabhängig gut begründen & ist nicht wie in Bibel & Koran als universelle Wahrheit formuliert.

Gerade im tibetischen Buddhismus (Vajrayana-Buddhismus, übersetzt: Diamantweg-Buddhismus) zeigen sich stark feministische Bewegungen. Immer mehr Lamas sind Frauen, z. B. Lama Tsültrim Allione, oder bekommen einen anderen hochrangigen buddhistischen Würdentitel. Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich sogar der Dalai Lama selber einen Feministen nennt & er davon spricht, dass er es sich gut vorstellen könnte als Frau wiedergeboren zu werden. Das ganze wird auch über die Religion begründet. Eine gängige These ist, dass Frauen für die Nähe zur Natur & zum Leben stehen. Beide Aspekte sind integrale Bestandteile des Buddhismus. Dieses Bild der Frau wird damit begründet, dass Frauen im Gegensatz zu Männern Kinder gebären & somit mehr Nähe zum Leben bzw. zum Erhalt davon haben. Sicher beweisen lässt sich das nicht, aber ein paar dafür sprechende Beobachtungen bleiben Fakt: Frauen sind statistisch mehr auf Umweltschutz bedacht & der Anteil der Vegetarier & Veganer unter Frauen ist größer.

Mir ist auch eine berühmte Zen-Buddhistische Feministin aus der USA bekannt. Ihr Name ist Engel Kyodo Williams. Allerdings weiß ich nur sehr wenig über sie. Ich habe dir hier einmal ihren Wikipedia-Artikel verlinkt: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Angel_Kyodo_Williams