Tod, tot - Gibt es eine Erklärung dafür?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Eine Erklärung gibt's, doch so ganz einfach ist sie nicht:

Nicht nur der Tod (Gotisch dauÞus), sondern alles, was mit dem Tod selbst, jedoch nicht mit dem Zustand zusammenhängt, wird mit dem aus dem Þ (Engl. "th") entstandenen d geschrieben: todkrank, todmüde, todbringend, todunglücklich tödlich, Todesopfer, Todesstrafe...

Die Aussprache von Tod und dem Zustand tot ist tatsächlich völlig gleich (schuld dran war die so genannte "mittelhochdeutsche Auslautverhärtung" von [d, b. g] zu [p,t,k] ) -,
und im Mittelhochdeutschen wurde das Nomen dementsprechend auch tatsächlich als „der tôt“ geschrieben.

Erst später wurde vernünftigerweise wegen der flektierten Formen des Nomens, in denen ja das stimmhafte [d] zu hören ist ( des Todes, dem Tode , pl. die Tode… ) , die heute gültige Schreibung des Nominativs mit –d eingeführt ("der Tod"), damit das Wort stets gleich zu schreiben ist . Beim Adjektiv tot andererseits ist ja das stimmlose [t ] in sämtlichen Formen und Ableitungen vorhanden: eine tote Katze; der Aufstand der Untoten, töten

Die Ursache für die Unterscheidung, die sich ja auch im Englischen findet ( the death : dead, was mit der "2. Lautverschiebung" exakt mit Tod und tot korreliert) ist uralt und hat mit einem Phänomen zu tun, das in der Zeit der Romantik vom Dänen Karl Verner entdeckt wurde und nach ihm in der Sprachwissenschaft als "Verner’sches Gesetz" bekannt ist:
"Eine im Indogermanischen ursprünglich stimmlose Spirans wurde im Germanischen stimmhaft, wenn der Wortakzent nicht unmittelbar voranging," (Tolle Entdeckung, was? Das haut einen richtig um!)

Die Folge dieses Lautgesetzes ist der so genannte „Grammatische Wechsel“ (Englisch: „Grimm’s Law“, nach dem Sprachforscher-Bruder Jakob G.) , nämlich die auffalllende Erscheinung, dass verschiedene Konsonantenpaare (immer stimmlos/stimmhaft) innerhalb eines Paradigmas oder einer Wortfamilie vorkommen: tot : des Todes; leiden : gelitten ; zehn : zwanzig, ziehen : gezogen, Frost : frieren (engl. freeze), kiesen (engl. choose) : erkoren, Kür, Kurfürst; waren : gewesen


Guren16  24.02.2014, 16:20

Wow das nenn ich mal eine Erklärung. Auf jeden Fall schwer zu verstehen, aber echt ausführlich!

1
Koschutnig  24.02.2014, 19:40
@Guren16

Nettes Kompliment!

Ja, ich weiß, für vieles von mir Gesagte dürften den meisten ja wahrscheinlich die Grundlagen fehlen, aber sollte das Interesse übergroß werden, könnte man ja, um sich vielleicht quälende, schlaflose Nächte oder gar Albträume zu ersparen, mit den Schlagwörtern wie Grammatischer Wechsel, 2. Lautverschiebung, Auslautverhärtung ... weitergoogeln und sich z. B. auch in der Wikipedia weiter informieren. :)

0
RudolfFischer  25.02.2014, 12:26

Zitat: "Erst später wurde vernünftigerweise wegen der flektierten Formen des Nomens, in denen ja das stimmhafte [d] zu hören ist ( des Todes, dem Tode , pl. die Tode… ) , die heute gültige Schreibung des Nominativs mit –d eingeführt ("der Tod"), damit das Wort stets gleich zu schreiben ist ."

Zunächst meinen Beifall für die fachlich perfekte Antwort, man lernt ja immer wieder gern dazu.

Trotzdem eine unwesentliche Bemerkung: Das oben beschriebene "Stammprinzip" bei der Rechtschreibung ist nur aus der Sicht von Sprachwissenschaftlern "vernünftig". Es wird ja eben nicht das "Wort", sondern der _Stamm_ dadurch immer gleich geschrieben, was einen normalen Sprachteilnehmer, der kein Sprachwissenschaftler ist, überhaupt nicht interessiert.

Im Gegenteil, jede neue Schülergeneration muss sich beim Rechtschreiberwerb damit rumplagen, erst Ableitungen bilden zu müssen, um entscheiden zu können, welcher Konsonant am Ende des Wortes stehen muss. Bei einigen Wörtern wie Jagd habe ich zeitlebens damit Schwierigkeiten gehabt.

Auch in der sonst recht einfachen Rechtschreibung des Niederländischen sind die "deetjes en teetjes" die Hauptklippe, aus denselben Gründen wie im Deutschen.

Zusammenfassend: Eine lautgerechtere Schreibweise halte ich für vernünftiger.

0
Koschutnig  25.02.2014, 13:49
@RudolfFischer

Lautgerechter? So etwa: Guten Tak, Kumakt, es wirt glaikh halp ains.
So enlikh?

Das bisschen Analogie aufgrund der Herleitung kann doch nicht wirklich schaden! Ich bezweifle, ob sich neue Schülergenerationen überhaupt noch mit dem "Rechtschreiberwerb rumplagen".

Allerdings hätte man bei der RS-Reform im Bemühen um Erleichterung nicht auf falsche Weise übertreiben müssen: Das neue "einbläuen" und "verbläuen" etwa hat nichts, aber schon gar nichts mit "blau" zu tun, auch wenn der Gedanke an blaue Flecken infolge der Schläge naheliegen mag (verwandt ist bleuen>bläuen hingegen mit dem englischen blow, 'schlagen, Schlag', aber auch mit unserem Pleuel).

1

Eins ist klar:
Mit der neuen Rechtschreibung hat es nichts zu tun.

Tatsache ist eigentlich nur, dass in sehr alten Schriften das Wort "todt" verwendet wird. Das war zu einer Zeit (vor der Lutherbibel), als jeder schrieb, wie er wollte. Vorschriften gab es nicht, höchstens das Vorbild bedeutender Klosterbibliotheken. Erst später mischten sich die Ämter ein (zuerst natürlich die regionalen Fürsten) und erfanden die "Amtssprache". Bei diesen Gelegenheiten wurden dann Vorschriften erlassen, die durchaus widersprüchlich sein könnten.

Wir können also in sprachlicher Hinsicht glücklich sein, dass der "Stadt" nicht Ähnliches widerfahren ist wie dem "Tod"

Erkennen kann man die Schreibweise durch das Bilden abgeleiteter Formen:
des Todes: die Toten.(etwas exakter: zurückführbar auf das Substaniv Tod oder das Adjektiv tot).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb

hat einer mal festgelegt

Wurde wahrscheinlich bei der Vereinheitlichung der Rechtschreibung relativ willkürlich so festgelegt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Rechtschreibung


Koschutnig  25.02.2014, 13:20

Nun, so willkürlich war's ja nicht. Da steckte schon einige Logik dahinter. Man hat ja auch den „Tac“ wieder zum Tag gemacht, aus „sanc“ ist wegen singen wieder sang, aus „klanc“ wegen klingen wieder klang geworden (sine tageliet er sanc, daz im sin stimme erklanc […] er sanc: „ez taget schone. der tac, der schinet in den sal. wol uf, ritter, uber al! wol uf! ez ist tac!“);
„er wirt“ wird wegen werden längst wieder mit -d geschrieben (auff den wolcken des hymels wirt er eingeritten komen; diese zukunfft wirt nicht allein geschehen), und nun ist ja auch der widerlich auf der Brust hockende männliche Elf im „Alptraum“ logisch zum Alben eines Albtraums geworden.

0