Sucht der Zen-Buddhismus im Westen die Verbindung zur kath. Kirche oder Christentum?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin Soto-Zen-Buddhist und möchte mich dazu äußern:

Meiner Meinung nach gibt es einen gemeinsamen religiösen Geist, der sich beispielsweise durch die Praxis des Zazen ausdrückt.

Alle ideologischen Unterschiede sind nach meiner Überzeugung lediglich eine Folge der verschiedenen Zugänge zu dieser universellen religiösen Urerfahrung.

Eine Person benötigt vielleicht einen Gottesglauben, oder besonders strenge Regeln, um einen Bezug zur Spiritualität zu entwickeln.

Sofern die Religion nicht in Äußerlichkeiten, wie etwa Zeremonien erstarrt, ist der zugrunde liegende, durch die Praxis zu erfahrende Geist der selbe.

Ich denke, einige christliche Geistliche sind der Ansicht, dass durch die Zazen-Praxis der religiöse Geist durch eine konkrete Praxis wiederbelebt werden kann.

Ideologisch gibt es also himmelweite Unterschiede, aber in der Zazen-Praxis werden alle diese Dualismen überwinden.

Eine unmittelbare Erfahrung, in eine Zitrone zu beissen ist nicht davon abhängig, ob ein Christ, Buddhist, Muslim, oder wer auch immer es tut.

Das gleiche gilt für Zazen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist
Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 13:46

Was meinst du mit religiösen Geist? Glaubst du an einen Geist-Körper Dualismus? Ist der Materialismus mit Zen vereinbar?

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Enzylexikon  09.07.2019, 14:07
@Mani188
Was meinst du mit religiösen Geist?

Ich meine damit, dass alle Menschen eine natürliche "Spiritualität" haben, die nicht von einer Konfession oder Glaubenslehre abhängig sind.

Wenn wir z.B. einen wunderschönen Sonnenuntergang betrachten, empfinden viele ein Gefühl von Harmonie, auch wenn sie naturwissenschaftlich gebildet sind.

Man denkt in diesem Moment an nichts, sondern geht ganz in dieser Erfahrung auf - genießt Wärme, Licht, Reflektionen auf dem Wasser, glitzernder Strand.

Diese "Einheitserfahrung" oder "Ganzheitserfahrung" mit der Situation, oder dem eigenen Handeln, wird neudeutsch auch "flow" genannt.

Ich glaube, dass die religiöse Grunderfahrung des Menschen auf solch einem Empfinden beruht und nicht allein auf steinzeitlichen Urängsten.

Der religiöse Geist ist eigentlich ständig präsent, nur drückt er sich nicht durch unser Denken und Handeln aus, weil unser Haften am Ego ihn blockiert.

Mein erster Lehrer sagte dazu: "Ein verspannter Mensch ist ein entspannter Mensch, der sich verspannt" - jedes externe Ziel ist also Entfremdung.

Das Streben nach "Gott", "Erwachen", "Erlösung" oder höherer "Erkenntnis ist die Suche nach der Einheit, die eigentlich schon da ist.

Glaubst du an einen Geist-Körper Dualismus?

Nein, Körper und Geist stehen nach meiner Sicht in Wechselwirkung, beeinflussen und spiegeln sich gegenseitig wieder.

Auch zu glauben, das geistig-spirituelle Element sei "rein" und das körperlich-materielle Element "unrein" oder "sündig" ist aus meiner Sicht ein Irrtum.

Ist der Materialismus mit Zen vereinbar?

Zen-Praxis setzt keinen Glauben an irgendeinen "-ismus" voraus, deshalb können auch Atheisten und materialistisch gesinnte Menschen Zen üben.

Die "religiöse Dimension" der Zen-Praxis, also diese Urerfahrung des Menschen, ergibt sich ganz natürlich aus regelmäßiger Praxis.

Das bedeutet nicht, dass ein Zen-Übender deswegen zu einem Buddhisten "gehirngewaschen" wird - er vertieft einfach seine Lebenserfahrung.

Es tut mir leid, wenn ich das nur unzureichend erklären kann, aber je mehr man sagt, desto abstrakter und weniger konkret wird es.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 13:51

Ich bin eigentlich ein Anhänger einer Rationalen Mystik ist das mit Zen vereinbar?

https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/rationalitaet-mystik

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Enzylexikon  09.07.2019, 14:16
@Mani188

Ich habe jden Text jetzt nur überflogen, aber ich denke, diese Haltung ist sehr gut vereinbar, wobei Zen eben auch den Aspekt des Irrationalen umfasst.

Zen-Lehrer erklären, dass das Wesentliche eben nur durch Erfahrung verständlich wird, weil der rationale Verstand die Realität nicht gänzlich erfassen kann.

Ich selbst glaube z.B. nicht an einen Gott, aber ich halte es für plausibel, dass es eine "höhere Ordnung" gibt, der unser intellektuelles Erkenntnisvermögen übersteigt.

Wir sprechen dann von "Zufall" oder "Chaos", weil die Gesetzmäßigkeiten uns unverständlich sind, aber eigentlich wirkt eine Art "Hyper-Physik".

Ganz ohne Personifikation oder höhere Intelligenz - einfach eine Ebene, die man zwar erfahren, aber nicht analytisch sezieren kann.

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Enzylexikon  09.07.2019, 14:21
@Enzylexikon

"Wiedergeburt" ist für mich übrigens auch keine Jenseitsvorstellung, sondern ein psychologisches Konzept, das auf den Symbolen der traditionellen "sechs Formen der Wiedergeburt" (Höllenwesen, Hungergeist, Asura, Tier, Mensch, Himmelswesen) basiert - eine Ansicht, die ich von Rev. Shohaku Okumura übernommen habe.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 14:58
@Enzylexikon

Die Gruppe, die ich grad besuche, steht in der Linie von Okumura. Deine ist die Linie von Deschimaru?

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Enzylexikon  09.07.2019, 15:15
@Mani188

Ja richtig, ich gehöre zur Deshimaru-Linie. Wobei ich absolut keine Vorbehalte gegen die Sanshin-Gemeinschaft von Rev. Okumura habe.

Ich halte ihn für einen sehr fähigen Lehrer und seine Bücher sind insbesondere für Fortgeschrittene eine anspruchsvolle Lektüre.

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Enzylexikon  10.07.2019, 14:01

Vielen Dank für den Stern. :-)

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Beide Linien zielen auf eine Art Heilung des Menschen. Und die ist Dieselbe, auch wenn die Worte komplett verschieden klingen. Im Katholizismus ist das Ganze in den Hintergrund gerückt vor lauter Tradition, Symbolik und Ritus, aber es ist da und einige wenige kath. Priester wissen das auch. Daher bieten einige Gemeinden auch Zen-Meditation an, weil es einfach die bessere Technik ist. Aber auch das Christentum kennt sehr ähnliche Techniken. Liest Du z.B. Die Wolke des Nichtwissens. Ein Büchlein aus dem Mittelalter aus England. Das ist eine christliche Anleitung zur Meditation, die verblüffend an die Anleitung im Zen erinnert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Wolke_des_Nichtwissens

Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:42

Dann lies du bitte mal den Katechismus der Katholischen Kirche und vergleich es mit den Vier edlen Wahrheiten.

Das Buch hat ein bisschen mehr Gewicht in der Kirche als Die Wolke des Nichtwissens.

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NewKemroy  09.07.2019, 08:55
@Mani188

Ich sage doch ... von Tradition, Symbolik und Ritus verdeckt.

Im Übrigen scheinen die Schriften des deutschen mittelalterlichen Mystikers, Meister Eckhardt gerne von Budhhisten gelesen werden.

GFS18 hat im Grunde genommen recht. Das verbindende Element ist die Mystik.

Ich prophezeihe dir, wenn du mit dem Thema durch bist und von Verwandten zu einer christlichen Feier in den Gottesdienst eingeladen wirst, gehst du vollkommen entspannt und ohne Groll, vollkommen mit dir im Reinen in die Kirche und singst sogar mit.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 09:00
@NewKemroy

Ja, aber ich find diese Himmel und Hölle-Geschichte jetzt doch nicht so super und das man Homosexualität als Sünde sieht gefällt mir auch nicht so und nein im Buddhismus geht es nicht darum frei zu werden für den Geist Gottes und im Christentum geht es nicht darum die Vorstellung einer Seelenwanderung zu überwinden.

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Es steht jedem frei, den Buddhismus so zu lesen und zu leben, wie er möchte. Es gibt da kein richtig oder falsch. Vielmehr hat jeder seine individuellen Voraussetzungen mitgebracht, bevor er sich mit dem Dharma auseinandersetzt.

Diesem Umstand wird Rechnung getragen, indem man nicht versucht, die bisherigen Erfahrungen abzulehnen. Statt dessen versucht man sie zu verstehen, einzuordnen und weiter zu gehen. Das Ziel eines Christus oder Buddha, zu lehren, was z.B. Mitgefühl oder Feindesliebe konkret bedeuten könnten, ist gar nicht so weit voneinander entfernt.

Nun könnte man sich an verschiedenen Praktiken stoßen, die z.B. im Katholizismus als vielleicht überholt oder erstarrt erscheinen. Doch muss man auch darauf achten, sich nicht statt dessen exotisch anmutende Rituale überzustülpen, die es in buddhistischen Strömungen zuhauf gibt, deren Sinn sich aber manchem schwer erschließt, der von anderen kulturellen Begriffen geprägt wurde.

So jann man den Zen, der in kirchlichen Bezügen erblüht, als Auffrischung oder Erweiterung von Glauben sehen, der altbekannte Strukturen ein wenig weicher und offener für eine direkte Erfahrung von Glauben machen kann.

Dass dies nicht unbedingt für "Puristen" geeignet ist, sehe ich auch. Doch vielen fällt es einfach leichter, im Gebet loszulassen, als beim Rezitieren von Mantras oder einer strengen und fremden Teezeremonie. Und auch letztere konnten nur in den kulturellen Bezügen entstehen, aus denen sie stammen. Als geschicktes Mittel, die reine Sicht über das Fahrzeug hinaus zu erlangen.

Und dennoch wirst Du sicher Lehrer oder Mitschüler finden, die Deine Ansicht verstehen, teilen oder begleiten können. Denn der Dharma ist vielfältig und findet, erstaunlich, für jeden die Medizin, um sich selber zu befreien.

Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 09:21

Es gibt nur einen Christus. Bitte ... Also jetzt wird das ja bekloppt und nur noch Schreibarbeit.

Bitte setz nicht Buddha und Jesus gleich. Jesus hat irgendwas von Himmel und Hölle schwadroniert und das auch so gemeint! Bei Buddha kann man das sehr wohl übertragen sehen.

Jesus ist der Sohn Gottes. Bitte ... *seufz*

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mendrup  09.07.2019, 10:09
@Mani188

Was um alles in der Welt ist Dir denn über die Leber gelaufen? Hast Du irgendetwas von der Lehre selber verstanden oder klebst Du rein an dem, was Äußerlichkeiten ausmachen?

Buddha lehrt einen kritischen Geist. Aber er lehrt auch, dass Abneigung uns behindert. Verlangen, Abneigung und Unwissenheit gilt es zu beseitigen. Sie sind die Wurzel des falschen Bildes von einem Selbst.

Mögen wir achtsam bleiben, dies nicht zu nähren.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 15:03
@mendrup

Ich sag ja nicht, dass es gut ist so zu empfinden. Ich bin halt ein weiterer traumatisierter ehemaliger Katholik.

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mendrup  09.07.2019, 15:58
@Mani188

Das tut mir ehrlich leid. Vielleicht ist Zen dann auch nicht das Richtige für Dich, wenn Dich das erstmal abschreckt? Ich selber hänge ja irgendwo zwischen den Stühlen und verstehe längst nicht alles. Immer ist die Wahrnehmung eingefärbt von meinen Erfahrungen und Bewertungen. Das ist wohl mein Karma, das es aufzulösen gilt.

Die klarsten Anweisungen finde ich für mich im Theravada. Bei der Zenphilosophie laufe ich Gefahr, meinen Täuschungen zu erliegen. Aber jeder muss wohl für sich den richtigen Weg finden. Dafür wünsche ich Dir alles Gute!

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Gemeinsamkeiten:

Das Ziel von Christentum und Buddhismus ist einmal, vom Ego frei zu werden und offen zu werden für den Geist Gottes. Zum andern zeigen beide Religionen Wege auf, wie wir mit dem Leid umgehen.

Je tiefer man in die Mystik eintaucht, desto mehr gleichen sich die Erfahrungen. Aber der Weg in den inneren Grund der Seele, in den Raum absoluter Stille geht im Christentum über das Wort und über das Bild. Worte und Bilder führen in die Stille, in den Raum jenseits aller Worte und Bilder. Der Weg des Buddhismus lehnt Worte und Bilder ab. Er möchte direkt das reine Schweigen erreichen.

Das sind in beiden Religionen zentrale Themen, das wird sicher nicht reichen um die Glaubensrichtungen zu vereinen wie Du das "befürchtest".

Hier findest Du ein Buch über Gemeinsamkeiten und Trennendes dieser Religionen (gibt es sicher irgendwo zu leihen):

https://www.anselm-gruen.de/glaube-spiritualitaet/glaube/846/was-glaubst-du

Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:10

"Das Ziel von Christentum und Buddhismus ist einmal, vom Ego frei zu werden und offen zu werden für den Geist Gottes."

Es ist nicht das Ziel im Buddhismus frei zu werden für den Geist Gottes und es ist auch nicht das Ziel in der Kirche das Ich oder die Seele als Illusion zu erkennen. Geht's noch?

Der Seelen-Blödsinn ist übrigens im Buddhismus der Grund für das Leid.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:13

Und auf Anselm Grün verzichte ich herzlich. ;)

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Wie du richtig beschreibst, gab und gibt es eine Berührung zwischen einer Zen-Linie und (untypischen) Vertretern des katholischen Glaubens (Hugo Enomiya-Lasalle, gest. 1990; Willigis Jäger ...), die weiterhin fortbesteht.
Von einer generellen Hinwendung des Zen-Buddhismus zur christlichen Kirche (im Westen) kann meines Erachtens aber nicht gesprochen werden.

Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:08

Warum treffen die sich dann aber immer wieder mit denen? Weil Österreich einfach katholisch geprägt ist? Würde ich diese Leute sehen wollen, dann brauch ich doch nicht ins Dojo gehen, diese Kirchen finde ich leider an jeder Straßenecke.

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Tamtamy  09.07.2019, 08:13
@Mani188

Deine Frage zu den Motiven kann ich dir nicht wirklich beantworten. Ich vermute, dass es ein aufrichtiges Bemühen ist, ähnliches Erfahrungen über den Kontakt "mit der Urkraft des Seins" auszutauschen und das Gemeinsame 'herauszuarbeiten' dieser unterschiedlichen Traditionen.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:15
@Tamtamy

Religionen ... Nicht Traditionen bitte!

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Tamtamy  09.07.2019, 08:18
@Mani188

Du darfst gerne die Etiketten verwenden, die dir belieben.
So halte ich es auch.

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Mani188 
Fragesteller
 09.07.2019, 08:22
@Tamtamy

Aus den abrahamitischen Religionen die Suchenden nach der "Urkraft des Seins" zu machen, ist fast zum Lachen. xD

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Tamtamy  09.07.2019, 08:27
@Mani188

Dann wünsche ich dir noch einen fröhlichen Tag! (:-)

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