Skandinavische Länder auswandern?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Haben alle ihre Reize. Was man bei Finnland wissen muss: Die Sprache ist so völlig anders als Deutsch, dass es Jahre dauert, in ihr ein zur Verständigung ausreichendes Niveau zu erreichen. Norwegisch, Schwedisch und Dänisch sind viel schneller zu erlernen. Schweden hat die meisten Einwohner und mehrere richtig große Großstädte. Wenn ihr Kontakt zu deutschen Freunden halten und diese besuchen wollt, ist der Weg nach Deutschland von vielen schwedischen Orten wesentlich weniger weit, als zum Beispiel von Norwegen oder Finnland.

Dänemark ist noch wesentlich näher dran, aber die Sprache ist vom Hörverständnis her deutlich schwerer als die anderen. Auch ist mir das Land politisch recht unheimlich, mir zu weit rechts und zu nationalistisch. Die norwegische und schwedische Politik beobachte ich als weniger rabiat. Aber DK hat natürlich eine reizvolle Landschaft, schöne Städte und ist in vielen Teilen sehr fahrradfreundlich, vielfach sehr freundliche und entspannte Leute. Dänische Winter verkraftet man als deutscher Einwanderer wohl leichter. Sie sind relativ schneearm und im Westen stürmisch, von den Temperaturen her vergleichsweise mild. Die winterliche Dunkelheit ist nicht ganz so brutal wie in Mittelschweden und -norwegen oder gar in Nordskandinavien. Auf der Breite Bergen-Oslo-Stockholm-Helsinki gibt es um Weihnachten gerademal sechs Stunden richtiges Tageslicht, das ist in Kopenhagen und Aarhus schon etwas mehr.

In Schweden und Norwegen ist die Tourismus-Saison extrem kurz. Wenn du vom Land was sehen willst und aus den Großstädten mal ein bisschen weiter rausfährst, sagen wir, so 2-3 Stunden, wirst du auf viele Museen o.ä. samt Besuchercafés treffen, die wirklich nur von Juni bis August auf haben, es lohnt sonst einfach nicht.

Die Verkehrsinfrastruktur ist schon sehr speziell. In Dänemark gibt es ein recht dichtes Bahnnetz, in Schweden schon wesentlich weniger dicht, aber auch dort gibt es zwischen den größten Städten recht schnelle Züge im Stundentakt. In den Großräumen Stockholm, Göteborg und Malmö gibt es gute S-Bahnnetze, in Stockholm eine sehr leistungsfähige U-Bahn und in Göteborg eine ebensolche Straßenbahn, ähnliches gilt für Kopenhagen, Oslo und Helsinki. Der ÖPNV ist aber in allen größeren skandinavischen Städten ganz gut, selbst in den kleineren Großstädten mit ca 200.000 EW und darunter. Die norwegische Eisenbahn ist gewöhnungsbedürftig: Das Netz dünn, die Fahrzeiten zwischen den Großstädten lang, der Betrieb störanfällig. Ein Riesenunterschied zwischen Dänemark und den anderen Ländern sind die Autobahnen. In Dänemark gibt es davon viele, teilweise, vor allem auf Lolland-Falster-Seeland stark, aber auch Teile der Jütlandautobahn sehr dicht befahren, in Schweden dagegen kommst du aus Stockholm oder dem schonischen Ballungsgebiet eine halbe Stunde raus und du triffst manchmal kaum noch ein anderes Auto. In Deutschland sah ich die A27 zwischen Bremen und Bremerhaven immer als Paradebeispiel für eine relativ schwach befahrene Autobahn. Aber ich bin mal, nachdem ich darauf gefahren war, kurz darauf die E4 von Stockholm nach Malmö gefahren. Und abgesehen von den Ballungsgebieten Stockholm, Linköping und Schonen hatte ich über Stunden den Eindruck: Hier ist noch zehnmal weniger los als auf der deutschen A27.

Dennoch: manche Deutsche haben das falsche Bild im Kopf, so dünn besiedelt, entspannt und menschenleer wie das offene, skandinavische Land seien auch die städtischen Ballungsräume. Das stimmt nicht, oder höchstens an deren Rändern. In Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen und Partymeilen drängen sich außerhalb von Corona die Menschen genauso wie bei uns. In der Rushhour stehen die Leute dicht an dicht in Pendlerzügen und Bussen. Ob in Trondheim, Uppsala oder Aarhus: Auf den Ein- und Ausfallstraßen quälen sich endlose Autoschlangen und es kommt auch zu Staubildung. Du kannst auch nicht spontan am Freitagnachmittag in Göteborg sagen: Ich nehme jetzt den Zug nach Stockholm. In Schweden werden für Fernzüge nur soviele Tickets verkauft, wie Sitzplätze da sind. Und wenn du Freitag um 15 Uhr in den Göteborger Hauptbahnhof kommst, an den Schalter gehst oder dein Handy zückst, um eine Fahrkarte nach Stockholm zu kaufen, kann es durchaus passieren, dass bis zur lezten Abfahrt abends um acht alles ausgebucht ist

In Schweden sind die drei größten Städte inzwischen fast durchgängig durch Autobahnen verbunden, in Norwegen hingegen gibt es nur ganz wenige, in verschiedene Richtungen jeweils ca. 150 km von Oslo aus, ganz kleine Abschnitte um die anderen Großstädte und die durchgehende Autobahn von Oslo bis zur Grenze in Richtung Göteborg. Der allergrößte Teil des norwegischen Straßenfernverkehrs spielt sich auf zweispurigen, kurvigen, steigungsreichen Fernstraßen ab.

Norwegen ist eben ein Land, dessen Landschaft zum allergrößten Teil Hochgebirge ist. Es ist landschaftlich sicher viel abwechslungsreicher, als das -abgesehen vom Nordwesten - viel weniger gebirgige unglaublich waldreiche Schweden. Schweden, Norwegen und Finnland sind menschenleerer, urwüchsiger, weiter und wilder als Dänemark.

Katta11 
Fragesteller
 10.01.2022, 18:50

Danke für die ausführliche Antwort!

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DK, und dann am liebsten nach Bornholm. Das ist wunderschön und irgendwie eine sehr spezielle "Community", viel Kunst und viele alternative Lebensentwürfe.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Finnland ist bestimmt gut 5,5 Millionen Einwohner auf einer Fläche wie Deutschland!

Was für eine Ruhe muss das sein!?

filmfan69  09.01.2022, 22:46

Mit der Ruhe ist das so eine Sache ;) Die 5,5 Millionen Finnen sind nicht gleichmäßig über die Landesfläche verteilt, sondern konzentrieren sich sehr stark auf die Städte. Und unter den 5,5 Mio Finnen gibt es viele, die sich gern mit anderen Finnen versammeln. Ich habe mal ein paar Nächte in einer Mietwohnung mitten im Zentrum eines Vorort Helsinkis übernachtet, wenn man da nachts von der S-Bahn hinging, da war aber high life auf dem zentralen Platz und den umliegenden Straßen! Und ein paar Tage später war ich ein paar Tage auf einem Campingplatz in der der Nähe von Pälkäne, der war rappelvoll, und wegen der nicht stattfinden nächtlichen Dunkelheit tat irgendwie niemand ein Auge zu, es wurde praktisch durchgefeiert in ziemlicher Lautstärke, ich war nach drei Tagen so hundemüde....

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Dänemark, weil es dort eine Anarchisten Community gibt 😊 aber mich interessieren eher andere Länder wie die Türkei und Georgien.

Ich finde Norwegen echt interessant. Dieses Land erinnert mich sehr an die Schweiz.