Nostalgische Erinnerungen an etwas, das nie geschehen ist. Wie kommt es?

8 Antworten

Das Gedaechtnis funktioniert anders als der Speicher eines Computers, das sagen uns inzwischen die Hirnforscher. Erinnerungen bleiben nicht ein fuer alle mal in gleicher Weise abgespeichert, sondern veraendern sich im Lauf des Lebens. Das koennte ein Grund sein.

Ein anderer Grund kann sein, dass wir uns am besten an Dinge erinnern, die emotional stark waren, egal ob positiv oder negativ. In der Kindheit kann man die verschiedenen Wirklichkeiten noch nicht so genau trennen, und in der Erinnerung dann noch weniger: Selbsterlebtes, von anderen Erzaehltes, gehoerte Geschichten, Fernsehsendungen, Photoalben, die eigene bluehende Phantasie, Naechtliche Traeume,...

Ich hatte auch oft den Eindruck, mich an die Zeit meiner Eltern oder Grosseltern oder ans Mittelalter erinnern zu koennen oder mich da irgendwie zu Hause zu fuehlen. Zwar wurde nicht allzu viel darueber von ihnen erzaehlt, aber vielleicht hat man als Kind oder noch frueher eine besondere Wahrnehmungsfaehigkeit, dass man Dinge irgendwie mitbekommt, wo man selbst noch nicht dabei war.

Ich hatte so etwas auch schon, aber verschiedene Leute aus meinem Umfeld haben mir übereinstimmend bestätigt, dass es diese Leute, Dinge und Orte gegeben hat, an die ich mich erinnere und bestimmte Situationen tatsächlich passiert sind, ich sie nur als Fiktion einstufte, weil es in frühester KIndheit geschah und ich mich nicht direkt dran erinnern konnte. Man kann das nicht immer richtig trennen und vieles vermischt sich über die Jahre im Gedächtnis auch.

Man speichert sich so etwas scheinbar Banales im Unterbewusstsein ab, registriert es beiläufig, hält es nicht direkt für wichtig und denkt dann doch irgendwann wieder dran, weil man so etwas als Erwachsener in einem ganz anderen Licht betrachtet und einem dann auch irgendwelcher scheinbarer Nonsens als wichtig erscheint. Jetzt mit 30 Jahren nehme ich vieles anders wahr, habe andere Ansichten und Erfahrungen und bin in der Lage die Dinge anders zu gewichten. So wird es dir auch gehen.

Auch zur Zeit habe ich solche Gedanken wieder. Hintergrund: Ich bin in einem Mehrfamilienhaus/einer Hochhaussiedlung aufgewachsen. In meiner Nachbarschaft wohnte eine kleine alte Frau (was heißt alt - die war für mich damals deswegen alt, weil sie 60 Jahre älter war als ich), die einen auffällig lackierten VW-Golf 2 fuhr. Ich habe genau diesen Golf gestern zufällig im Internet gefunden, habe anhand abfotografierter Scheckhefteinträge von einem "etwas anderen" Autohaus aus unserer damaligen Nachbarschaft sofort an die Frau gedacht und es wird das Auto sein, das diese Frau 1998 verkauft hat. Da war ich sieben, maximal acht Jahre alt. Ich habe den Golf ewig nicht mehr im Sinn gehabt und diese Frau ist längst tot, ich wohne da auch nicht mehr.

Schon im Dezember hatte ich seltsame Erinnerungen an meine Heimat bzw. meine damalige Kommuniongruppe und die Kommunionmütter, vor allem an eine, die wir als besonders lieb und sympathisch in Erinnerung hatten. Dann fiel mir sofort wieder ein, dass sie in einem Supermarkt an der Kasse saß, dass sie immer so nett gelacht hat, und ich mich mit ihrem Sohn bestens verstanden habe, weil er auch wie ich ziemlich ruhig gewesen ist. Die sind irgendwann weggezogen. Ich weiß, dass dem Jungen die Eingewöhnung in den neuen Ort schwer gefallen ist und er sehr an seiner Mutter hing, die sich ziemlich aufgerissen hat (alleinerziehend), dass sie Kerstin hieß und überhaupt.

Ich dachte im Dezember einige Tage ständig an die beiden und jetzt denke an die alte Frau K. mit dem alten Golf. Es kamen so viele Erinnerungen wieder auf auch an unsere Wohnung, die Musik aus dem Radio damals, unsere Lehrer, unser Klassenzimmer und so, wie die Luft dort roch, wie ich damals mit meiner Oma auf dem Spielplatz war und so - und auch daran, dass mein damaliger Mitschüler und seine nette Mutter diese alte Frau und diesen auffälligen Golf in einer ziemlich seltenen Farbe sicher auch gesehen haben müssen.

Das ist merkwürdig und es stresst einen selber, aber man soll sich das nicht so zu Herzen nehmen und es als Zeugnis dafür ansehen, dass man erwachsen geworden ist und differenzierter/besser/tiefgreifender denken kann als früher als Kind oder als Jugendlicher.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich stelle die Frage jetzt einfach so in den Raum, mit dem Wissen von vielen hier als absolut bekloppt abgestempelt zu werden:

Glaubst du an Wiedergeburt? Glaubst du daran, dass die Seele, also DU , nach dem Tod nicht einfach verschwindet?


Dieses déjà vu Gefühl kennen alle Menschen.
Kurt Tucholsky widmet ihm eine Strophe in seinem Gedicht "Gefühle".

Kennen Sie das Gefühl: ›déjà vu‹ –?

Sie gehen zum Beispiel morgens früh,

auf der Reise, in einem fremden Ort

von der kleinen Hotelterrasse fort,

wo die andern alle noch Zeitungen lesen.

Sie sind niemals in dem Dorf gewesen.

Da gackert ein Huhn, da steht eine Leiter,

und Sie fragen – denn Sie wissen nicht weiter –

eine Bauersfrau mit riesiger Schute ...

Und plötzlich ist Ihnen so zumute

– wie Erinnerung, die leise entschwebt –:

 

Das habe ich alles schon mal erlebt.

 

Hier noch eine etwas weniger poetische Beschreibung:

http://www.apotheken-umschau.de/Gedaechtnis/Wie-entsteht-ein-Deja-vu-Erlebnis-513031.html

Die meisten Menschen setzen sich nicht so intensiv damit auseinander wie du. Du nimmst es also sehr intensiv wahr.

Warum du dieses Gefühl so intensiv mit einer Trauer um deine Jugend verbindest weiß ich nicht.

Man könnte auch sagen, falsche Erinnerungen.

Diese entstehen, wenn einem Kind etwas eingeredet wurde. Der Erwachsene kann dann nicht unterscheiden, was erlebt und was ins Hirn hineinmanipuliert wurde.