Ist Rassismus anerzogen oder in uns allen und nur aberzogen?

13 Antworten

Moin,

uuhhh, ein schwieriges Thema! Das Problem beginnt bereits bei dem Begriff "Rassismus". Dafür gibt es nämlich keine umfassende und von jedem akzeptierte Definition.

In letzter Zeit wurde folgender interessanter Vorschlag gemacht:

»Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der Privilegien oder Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.« (Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt a.M. 1987, S.164).

Bei Tiergruppen kann man eine sogenannte "Ausschlussreaktion" oder auch "Ausstoßungsreaktion" beobachten. So werden beispielsweise Fremdbienen (die nicht den "richtigen" Geruch haben) von Wächterbienen am Eingang eines Bienenstocks abgewehrt (bis hin zum Todstechen).
Auch Ratten, die in Sippen leben, stoßen Fremdratten aus bzw, nehmen sie nicht in ihre Lebensgemeinschaft auf.
Vögel, in deren Nest man ein fremd aussehendes Ei hinein legt, hacken das anders aussehende Ei auf oder rollen es aus dem Nest. Wenn im Gelege einer Ente fünf gelbe Küken und ein schwarzes schlüpfen, dann tötet die Mutter das schwarze Küken. Interessanterweise tötet die Ente die Küken nicht, wenn vier gelbe und zwei schwarze Küken aus den Eiern schlüpfen.
Personen (oder Tiere), die sich exzentrisch auffällig verhalten, werden von sozial lebenden Tiergruppen oft gemieden oder sogar verstoßen.
Auch das Immunsystem funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip, das man als Abstoßungsreaktion bezeichnet: Jede körperfremde Struktur (erkennbar an einer andersartigen Membranoberfläche oder körperfremden Eiweißreliefs...), die man Antigene nennt, werden vom Immunsystem "gnadenlos" bekämpft und - wenn es geht - vernichtet. Hier handelt das Immunsystem nach der Maxime: Was körperfremd ist, ist potenziell gefährlich - was gefährlich ist, wird vernichtet...

Die Ursachen für diese Abwehrreaktionen sind vielfältig. Einmal (und oftmals) geht es darum, dass von Fremdartigem potenzielle Gefahren ausgehen (siehe Immunsystem oder Entenmutter). Es können aber auch andere Aspekte eine Rolle spielen wie die momentane Nahrungssituation der bestehenden Gruppe oder die Stabilität des Gruppengefüges (Sozialverband).

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es in Tierverbänden mit hoher sozialer Hierarchiesierung zu stärkeren Ausgrenzungen kommt als in offeneren Sozialverbänden. Ebenso interessant ist, dass Jungtiere in vielen derartigen Fällen eher eine forschend-interssierte und untersuchende Haltung einnehmen und erst wenn sie beobachten, dass ältere Tiere Aggressionen gegen die "andersartigen" Tiere offenbaren, selbst mit aggressiven Handlungen beginnen. Das spricht natürlich für ein nachahmendes (erlerntes) Verhalten.

Es ist daher möglich, dass gewisse abwehrende Verhaltensweisen durchaus angeboren sein könnten, aber dass ein rassistisch motiviertes Verhalten erlernt bzw. anerzogen wird.

Dabei darf man allerdings auch nicht vergessen, dass solche Verhaltensweisen gleichzeitig mit einer Gruppenbildung und einem Dazugehörigkeitsgefühl einhergeht, wenn man nicht zur Zielgruppe, sondern zur vorurteilsbehafteten anklagenden Gruppe gehört. Auch der Begriff "Rasse" ist - biologisch gesehen - ohne wertendes Urteil und somit neutral zu sehen. Erst wenn die Feststellung von Rassen zu einer Hierarchiesierung führt (also: diese Rasse ist besser als jene...), dann handelt es sich um einen auf Vorurteilen beruhenden Rassismus, der aus diversen Gründen abzulehnen ist.

Was nun solche Fälle beim Menschen angeht, so ist wohl folgender Ablauf typisch: Als Kind ist man weitgehend vorurteilsfrei (auch mangels einschlägiger Erfahrungen). Das Abschauen bei Erwachsenen, die kritiklose Übernahme von Vorurteilen gegenüber bestimmter Rassen und eine damit vermeintlich unveränderliche und charakteristische einhergehende Einordnung von "Eigenschaften", die zu einer hierarchisch aufgebauten Einteilung der Rassen führt, ist dann Rassismus. Manchmal kommt dann noch eine schlechte Erfahrung im Alltag hinzu, die dann den Rassismus manifestiert.
Ein Aberziehen von rassistischen Gefühlen ist möglich, erfordert aber die beiderseitige Bereitschaft, sich auf das "Fremde" einzulassen und respektvoll damit umzugehen.

Fazit:
Austoßungsreaktionen sind womöglich teilweise angeboren. Sie treten anfangs eventuell nicht zutage, aber es könnte auch sein, dass bestimmte Ausstoßungsreaktionen erst später (zum Beispiel in der Pubertät) aktiviert werden. Viel spricht jedoch dafür, dass sie erlernt werden. Eigene negative Erlebnisse stärken abgeschaute Vorurteile, so dass es zu Rassismus kommen kann. Es gibt meines Wissens nach kein Indiz dafür, dass Rassismus selbst angeboren ist.

LG von der Waterkant

Hi,

rassistische Grundtendenzen werden angeboren sein, die Art musste sich schützen und gegen andersartige zusammenhalten und diese auch ablehnen und nicht einladen ihre Ressourcen zu verbrauchen, sonst ging sie unter. Die Natur kennt da kein Erbarmen. Dabei werden andere Arten, die ihr nicht das Wasser reichen können, auch dominiert.

Der von uns gelebte Rassismus hat sich allerdings verselbstständigt und wurde überspitzt. Man braucht nicht mehrere Mio. Mitmenschen einer anderen Kultur in Gaskammern umzubringen, um selbst überleben zu können. Dieses "aus dem Ruder laufen" ist ähnlich, wie wenn jemand niedergeschlagen wird ("U-Bahnschläger") und die Leute weiter auf ihn eintreten und vor seinen Kopf treten, wenn er schon längst am Boden liegt und keine Gefahr von ihm ausgeht. Zu solchen Verhaltensweisen, die ins Menschenverachtende abdriften, muss es ein Korrektiv durch die Gesellschaft geben und da könnte Erziehung und Sozialisation viel leisten, sonst droht Verrohung. Gruß

Wir bekommen unsere Erziehung nach der Geburt in einer homogenen ethnischen Kleingruppe (= Familie). D.h. als Kleinkind haben wir kaum Erfahrungen mit anderen ethnischen Gruppen.

Wenn wir auf Menschen anderer Kulturen treffen, dann reaktivieren wir zuerst unser vorhandenes Wissen (z.B- aus der Kindheit). Unsere erste Reaktion ist daher ein Vorurteil. Allerdings haben wir die Möglichkeit, unsere erste Reaktion nochmals zu überdenken.

(Man sollte für diese erste Reaktion den Begriff ´Vorurteil´ verwenden - denn wenn wir in unserer Kindheit keine anderen ethnischen Gruppen kennengelernt haben, dann kann man den Begriff ´rassistisch´ hier nicht verwenden.)

Ein Instinkt den wir haben ist sich nicht gleich wohl zu fühlen wenn wir etwas fremdes sehen, das hat mit Vorsicht zu tun. Heute wissen wir aber mehr darüber und wissen das ein schwarzer Mensch gleich gut wie ein weiser ist! Und es ist auch nichts Fremdes mehr für uns.

Ich denke nicht. Ich habe da andere Erfahrungen gemacht. Kleine Kinder interessieren es z.B. nicht, welche Hautfarbe ein anderes Kind hat. Sicher fragen sie nach und sind vielleicht am Anfang etwas schüchtern, aber wenn man ihnen erklärt, dass es auch Menschen mit dunkler Hautfarbe gibt, haben sie normalerweise keine Vorbehalte.