Ist die Evolutionstheorie zu 100% bestätigt?

5 Antworten

Von Experte ThomasJNewton bestätigt

Man kann die Evolutionstheorie (ET), wie jede naturwissenschaftliche Theorie, nicht beweisen. Eine Beweisführung ist streng genommen nur in der Mathematik möglich. In den Naturwissenschaften sind wir aber auf eine andere Form der "Beweisführung" angewiesen, nämlich auf die Empirie, also das Beobachten und Durchführen von Experimenten, weshalb wir die "Beweise" hier eigentlich als "Beleg" bezeichnen. Im allgemeinen Sprachgebrauch können wir aber verallgemeinernd sagen, dass ein Beleg im Prinzip dasselbe ist wie ein Beweis, nur war der Weg zum Erkenntnisgewinn eben ein anderer. Man kann es vielleicht mit einem Augenzeugenbericht und einem Indizienbeweis vor Gericht vergleichen, die sich beide unterscheiden, letztendlich aber trotzdem beide gleichermaßen den Täter überführen können.

Die Beweisführung in den Naturwissenschaften folgt dabei dem Prinzip der Induktion, d. h. aus der Beobachtung von (vielen) konkreten Einzelfällen kann auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit geschlussfolgert werden. Ein Beispiel: wir sehen auf der Straße einen Dackel bellen. Aus dieser ganz konkreten Beobachtung können wir eine allgemeine Schlussfolgerung ableiten. Sie lautet: Hunde bellen.

Das ist zunächst einmal eine Vermutung, die wir noch nicht bewiesen haben, die aber einigermaßen aus dem uns schon bekannten Wissen, nämlich der Beobachtung des Dackels, gut begründet ist. Eine solche (noch) unbewiesene Vermutung bezeichnen wir in der Alltagssprache als Theorie. In der Naturwissenschaft ist das anders, hier wird eine begründete, aber unbelegte Vermutung Hypothese genannt. Unter einer Theorie versteht die Wissenschaft hingegen ein Modell, das bereits hinreichend belegt wurde. Man kann sagen, eine Theorie ist quasi eine Hypothese, die so oft belegt wurde, dass sie sich als "wahr" herausgestellt hat. Um also deine Ausgangsfrage an dieser Stelle schon einmal zu beantworten: ja, die ET ist unzweifelhaft bewiesen, sonst hieße sie nämlich gar nicht Evolutionstheorie, sondern Evolutionshypothese. Wir werden später noch einige der unzähligen Belege benennen, welche die ET wirklich unzweifelhaft stützen.

Wie können wir nun aber überprüfen, ob eine Hypothese (und damit letztendlich auch eine Theorie) wirklich stimmt? Dafür muss die Hypothese eine ganz wichtige Eigenschaft haben. Sie muss falsifizierbar sein, d. h. es muss möglich sein, sie zu widerlegen. Das klingt erst mal paradox, schließlich wollen wir ja beweisen, dass unsere Hypothese stimmt. Aber erst dadurch, dass eine Hypothese falsifizierbar ist, können wir sie überhaupt mit den Mitteln der Wissenschaft untersuchen und damit testen. Wäre die Hypothese nicht falsifizierbar, könnten wir gar nicht testen, ob sie nun stimmt oder nicht. Die Hypothese "es gibt einen Gott" ist beispielsweise nicht falsifizierbar. Wir können diese Annahme daher weder empirisch wider-, noch belegen. Die Annahme, dass ein Gott existieren könnte, beruht deshalb nicht auf Wissen, sondern nur auf Glauben.

Kommen wir zu unserem Hundebeispiel. Diese Hypothese ist falsifizierbar, d. h. es muss zumindest die M9glichkeit bestehen, dass es irgendwo auf der Welt einen Hund gibt, der nicht bellt. Nun müssen wir die Hypothese testen. Unser "Experiment" dafür ist ganz einfach. Wir beobachten eine ausreichend große Anzahl an Hunden und schauen, ob sie bellen oder nicht. Natürlich beibachten wir nicht nur Dackel, sondern auch Mopse, Schäferhunde, Terrier, usw. Und wir stellen mit jeder weiteren Einzelbeobachtung fest, dass unsere Hypothese zutrifft, denn all unsere beobachteten Hunde bellen. Mal lauter, mal leiser, mal nur kurz, mal lang und ausdauernd. Aber alle bellen. Mit jeder neuen Einzelbeobachtung wird die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Hypothese stimmt, immer größer. Und wenn wir hunderte oder tausende Hunde beobachtet haben, können wir uns sicher sein, dass unsere Hypothese eine Tatsache ist. Aus unserer Hypothese "Hunde bellen" ist damit eine Theorie geworden.

Die ET ist die wahrscheinlich am gründlichsten untersuchte Theorie in den Naturwissenschaften überhaupt. Sie wurde erstmals 1859 von Charles Darwin formuliert und seitdem gründlich von den Forschenden untersucht. Dabei blieb die Theorie im Lauf der Zeit nicht gleich. In vielen Punkten hat Darwin sich geirrt und die Beobachtungen späterer Forscher führten dazu, dass unsere moderne ET, die so genannte synthetische Evolutionstheorie, die ursprüngliche darwinistis he ET erweitert, korrigiert und konkretisiert hat. Die wichtigsten Kernideen der darwinistischen ET, die Veränderung und Entstehung von Arten durch natürliche Selektion und die gemeinsame Abstammung aller Spezies von einem gemeinsamen Vorfahren, gelten aber bis heute und sind unzweifelhaft belegt. Bis heute gibt es keinen berechtigten Einwand, der die ET widerlegen könnte. Auch wenn Gegner der ET, die Kreationisten, dies gerne behaupten und nicht müde werden, angebliche "Fakten" zu präsentieren, welche die ET ihrer Meinung nach widerlegen sollen. Die Wahrheit ist aber, dass dies nur heiße Luft ist. Einer wissenschaftlichen Überprüfung halten diese Einwände nicht statt, sie können im Gegenteil sogar allesamt ganz leicht entkräftet werden.

Im gleichen Zeitraum haben die Evolutionsbiologen dafür unzählige Belege gesammelt, die die ET stützen. Sie haben, bildlich gesprochen, nicht nur hunderte oder tausende, sondern zig Millionen Hunde beobachtet - und ausnahmslos alle haben hebellt. Hier eine wirklich kleine Auswahl der "bellenden Hunde":

  • ein System der abgestuften Ähnlichkeit: Merkmale sind nicht zufällig verteilt, sondern gruppenspezifisch. Dieses System kann ganz zwanglos in einen Stammbaum des Lebens ungeschrieben werden.
  • Befunde aus der Molekularbiologie (z. B. DNA-Vergleiche) bestätigen unabhängig von den morphologischen Merkmalen diesen Stammbaum des Lebens.
  • Fossilien lassen sich in den Stammbaum problemlos einfügen, sind also eindeutig mit den heutigen Arten verwandt. Insbesondere Brückenorganismen wie Tiktaalik, Ichthyostega, Morganucodon oder Archaeopteryx und paläontologische Stufenreihen (z. B. die des Menschen ider der Pferde) bestätigen die Veränderlichkeit der Arten und deren Abstammung von heute ausgestorbenen Vorfahren.
  • Morphologische Stufenreihen und lebende Fossilien sind rezente Beispiele, die die ET belegen.
  • Atavismen und Rudimente belegen die Evolutionsgeschichte der Arten. Beispielsweise müssen gelegentlich auftrefende Halsfisteln beim Menschen als Rückschlag der Kiemenspalten seiner fischartigen Vorfahren gedeutet werden. Und Wale besitzen noch rudimentäre Reste der Hinterbeine ihrer landlebenden Urahnen.
  • Grundlegende Übereinstimmungen in der Proteinbiosynthese und die Universalität des genetischen Codes belegen die gemeinsame Abstammung aller Arten von einem gemeinsamen Vorfahren.
  • Die biogenetische Grundregel gilt zwar nicht uneingeschränkt, ist dafür aber sehr anschaulich. Die Metamorphose der Amphibien demonstriert z. B. in Zeitraffer die Entwicklung der Landwirbeltiere aus fischartigen Vorfahren.
  • Es gibt zahlreiche Labor- und Feldexperimente und Freilandbeobachtungen und sogar Computersimulationsmodelle, welche die ET stützen. Jahrzehntelange Aufzeichnungen der Schnabellänge von Galápagosfinken durchgeführt von Mary und Peter Grant bestätigen z. B. die Veränderlichkeit der Arten und die Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen.
  • ... Die Liste kann beliebig fortgeführt werden!
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Von Experte agrabin bestätigt

Mir ist nichts bekannt, was sie widerlegen oder auch nur zweifelhaft erscheinen lassen würde. Prozentangaben sind in diesem Zusammenhang sinnlos. Entweder gibt es etwas, was der Evolutionstheorie widerspricht, oder nicht.
Wissenschaftliche Theorien werden bestätigt oder widerlegt, nicht bewiesen.


Aoeteroaner  09.06.2022, 03:55

Na ja, Mathematische Sätze sind schon bewiesen.........

Aber für die beobachtenden und beschreibenden Wissenschaften hast Du natürlich Recht!

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ThomasJNewton  09.06.2022, 04:06
@Aoeteroaner

Das sind dann eben Sätze und keine Theorien.
Gibt es überhaupt Theorien in der Mathematik?
Aber klar, ich hätte auch "naturwissenschaftlich" schreiben können.

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Aoeteroaner  09.06.2022, 04:14
@ThomasJNewton
Gibt es überhaupt Theorien in der Mathematik?

nein, die nennt man dann nämlich einfach "Vermutung". Die von Fermat ist ganz berühmt geworden, weil er mal in ein Mathebuch an den rand geschrieben hat, er hätte da einen ganz einfachen Beweis dafür. Na ja, wurde dann jahrhundertelang gesucht, geforscht. Er wurde erst 1994 von Andrew Wiles bewiesen, und wird seitdem nach einer, durchaus als dramatisch zu nennenden, Namensänderung jetzt Satz von Fermat genannt!

https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Fermatscher_Satz

Der Hinweis auf die Mathematik ist deshalb interessant, weil die Bedeutung einer Theorie in den Naturwissenschaften halt einem Satz in der Mathematik entspricht, der, wie wir jetzt wissen, als bewiesen gilt!

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Aoeteroaner  09.06.2022, 04:27
@ThomasJNewton

Um noch einmal auf den Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Theorie und einem Satz in der Mathematik einzugehen:

Die Evolutionstheorie lässt sich nicht wirklich beweisen, wie ein Satz in der Mathematik. Aber zur Evolutionstheorie wurden noch keine Widersprüche gefunden, welche die Evolutionstheorie aus wissenschaftlicher Sicht in frage stellen könnte! Im Gegenteil, es gibt inzwischen sogar Hinweise, dass die Mechanismen, die Lamarck vermutete bei der Entwicklung der Arten durchaus auch eine Rolle spielen!

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Gruffalo  09.06.2022, 05:03
@ThomasJNewton
Gibt es überhaupt Theorien in der Mathematik?

ja klar, z.B.
Maßtheorie
Integrationstheorie
Komplexitätstheorie

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ThomasJNewton  09.06.2022, 10:51
@Gruffalo

Danke!. War auch keine rhetorische Frage.
Die nächste Frage wäre, ob sie mit Theorien in den Naturwisenschaften vergleichbar, dass sie gewisse Vorhersagen treffen, die dann verifizierbar oder falsifizierbar sind, oder eher Themengebiete, wie ein kurzer Blick auf Komplexitästheorie mich vermuten lässt.

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Gruffalo  10.06.2022, 02:57
@ThomasJNewton

Ich denke, es sind einfach Themengebiete. Eine der wichtigsten Aussagen der Komplexitätstheorie P ≠ NP ist übrigens bis heute nicht bewiesen.

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" Ein Jahrhundert nach Darwins Tod haben wir nach wie vor nicht die geringste plausible Erklärung dafür, wie die Evolution wirklich vor sich ging".

Die Evolutionstheori ist unbiblisch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Zu 100% kann man fast nie etwas bestätigen aber ja die Evolutionstheorie ist nicht nur eine Theorie sondern auch belegt. Wir menschen z.b. haben noch reste vom affen wie das steißbein.

In einer wissenschaftlichen Theorie gibt es kein 100%.