Hund aus Auffangstation in Bulgarien aufnehmen?

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Meine Eltern und ich haben insgesamt vier Hündinnen aus Rumänien. Bis auf eine lebten sie allerdings nicht in einem großem Tierheim oder gar der Tötung, sondern in einem kleinen, privaten Shelter einer mittlerweile sehr guten Freundin von uns. Und auch die vierte Hündin ist nach kurzer Zeit zu ihr gezogen. Zwei von ihnen haben ihr voriges Leben komplett auf der Straße verbracht, bei den anderen beiden weiß man nicht sicher, ob sie ein zu Hause hatten. Die jüngste war knapp 2, die älteste 4 - 5 Jahre, als wir sie bekommen haben. 

Hündin 1 ist der Peki-Mix meiner Mutter. Sie hat mit Abstand am längsten gebraucht, um uns zu vertrauen. Die ersten Wochen hat sie ihr Körbchen nur zum Fressen und Lösen verlassen. Wir haben ihr einen Napf mit Wasser hingestellt und sie ansonsten weitestgehend in Frieden gelassen. Nach einiger Zeit hat sie angefangen das Haus zu erkunden und unsere Nähe zu suchen, auch wenn sie, im Vergleich zu den anderen, den wenigsten Körperkontakt sucht. Aber sie verlässt bis heute nicht freiwillig das Grundstück. Wenn es nach ihr ginge würde sie "ihren" Garten nur verlassen, um sich auf die Couch zu legen. Wenn wir erst einmal unterwegs sind, ist auch alles in Ordnung, so lange sie nicht wieder ins Auto steigen soll. Man muss nur aufpassen, weil sie einen ausgeprägten Jagdtrieb hat. Außerdem ist sie der sturste Hund, den ich je kennengelernt habe ^^ 

Hündin 2 ist meine Terrier-Hündin, die aber bei bei meinen Eltern lebt. Sie wurde schwer misshandelt  (u.A. Zähne ausgeschlagen oder getreten, wahrscheinlich der Kiefer gebrochen) und sie hatte Herzwürmer, die mit einer sehr schmerzhaften Behandlung verbunden waren. Trotzdem ist sie ein kleiner Sonnenschein, der (fast) alles und jeden liebt. Für Angst hat sie keine Zeit, weil die Welt viel zu interessant ist und sie alles kennenlernen will (Terrier halt ;)). Sie ist eigentlich zu Hause angekommen sobald die Haustür geschlossen wurde. Da sie aber ebenfalls einen ausgeprägten Jagdtrieb hat und schnell gelangweilt ist, muss man draußen gut aufpassen. Ansonsten wäre sie der perfekte Hund für eine Familie mit Kindern. 

Hündin 3 ist die extrem sensible mittelgroße Hündin von meinem Freund und mir und wurde auch schwer verletzt gefunden. Sie war ein "Angsthund" und wird vermutlich ihr Leben lang sehr schreckhaft bleiben (wir wussten was auf uns zukommt). Sie hat uns überraschend schnell vertraut. Ein Besuch in der Hundeschule wäre bei ihr aber kontraproduktiv gewesen, deshalb haben wir uns einen Hundetrainer gesucht, der zu uns nach Hause kam. Theoretisch wussten wir zwar, was wir tun mussten, trotzdem hätten wir ohne Trainer nicht so schnell so "große" Fortschritte machen können. Sie wird wohl nie ein "einfacher" Hund sein, aber inzwischen ist schon fast ein "normales" Leben mit ihr möglich. Sie orientiert sich stark an unserer anderen Hündin, hat aber im Gegensatz zu den anderen überhaupt keinen Jagdtrieb. 

Hündin 4 ist mein Mops-Mix (?). Sie war, als sie gefunden wurde, fast verhungert und hatte Welpen, von denen aber leider keiner überlebt hat. Sie liebt auch fast jeden und würde sich am liebsten von jeder Frau streicheln lassen, bei Männern ist sie ein wenig zögerlicher, aber nicht ängstlich. Auch sie hat sich nach wenigen Tagen schon eingelebt. Da sie, wie die Mädels 1 und 2, einen sehr ausgeprägten Jagdtrieb hat und sehr eigenständig ist, ist ableinen bisher undenkbar. Das größte Problem bei ihr ist ihre Versessenheit auf Futter. Sie versucht oft, besonders nachdem sie Futter/Leckerlis bekommen hat, krankhaft mehr Futter zu finden (und zu fressen). Zum Glück kann ich ihr alles wegnehmen (bzw. mit ihr tauschen), aber es ist sehr anstrengend, weil man sie unterwegs nie aus den Augen lassen darf. Mit Leckerlis kann man mit ihr gar nicht arbeiten. 

Stubenrein waren alle nach relativ kurzer Zeit und auch bei der Leinenführigkeit hat nur bei "Nr. 1" länger als ein paar Tage gebraucht. Wichtig ist, dass der Hund Zeit hat, um sich an alles zu gewöhnen und in seinem Tempo zu erkunden. Auch nicht jeder Hund will am Anfang angefasst werden. Am Anfang sollte der Hund auch nur doppelt gesichert und/oder an einem Panikgeschirr geführt werden. Je nach Hund sollte ein Anfänger entweder eine (gewaltfrei arbeitende!) Hundeschule besuchen oder das Geld für einen Trainer investieren. So kann ungewünschtes Verhalten schon im Ansatz korrigiert werden. Auch das Alleinebleiben muss ganz langsam aufgebaut werden, nachdem der Hund Vertrauen gefasst hat. 

Natürlich ist ein Hund mit (unbekannter) Vergangenheit "schwieriger" als ein gut aufgezogener Welpe vom Züchter, aber ich würde mich jederzeit wieder für eine "Straßenratte" entscheiden. Klar, zum Teil sind sie sehr zeit- und arbeitsintensiv, aber es lohnt sich! Natürlich gibt es Problemhunde, aber eine gute Orga wird diese Hunde nicht an Anfänger vermitteln! Ich habe in Rumänien so viele tolle Hunde kennengelernt, die perfekte Familienhunde wären <3  

Ich denke generelle Tips gibt es da kaum. Wichtig ist, dass der Hund zu Anfang viel Zeit und genügen Freiraum bekommt sich zurück zu ziehen und das alles zu verarbeiten. Außerdem solltet ihr in erstmal nicht von der Leine lassen, wenn ihr draußen seid. Eventuell müsst ihr auch mit dem Futter vorsichtig anfangen um zu gucken, ob der Hund das auch alles gut verträgt, zumal er ja auch unter starkem Stress gestanden hat. 

Ich finde es eine tolle Entscheidung einen Hund aus dem Tierschutz zu holen :) Viel Spaß und Erfolg mit eurem neuen Bewohner :)

Auch ich habe zwei Hunde aus dem Ausland, als sie kamen, waren sie schon 7 und 8 Jahre alt.

Sie sind jetzt 17 bzw. 15 Monate bei uns - "normale" Hunde, wie ich es von meinen vorherigen Hunden, die ich vom Züchter und von klein auf hatte, werden sie wohl nie.

Die übergroße Angst hat sich gelegt, ist aber immer noch vorhanden, sie wird auch sicher niemals vollständig verschwinden. Von der Leine lassen - obwohl ich sehr erfahren im Umgang mit Jagdhunden bin - daran ist nicht zu denken. Sie haben überlebt, weil sie scheinbar gute Jägerinnen waren - das Jagdverhalten ist aber nicht mehr sicher zu kontrollieren. Damit sind sie eine Gefahr für sich selbst und für andere.

Obwohl sie nun in einem sehr ruhigen, sicheren Umfeld leben, können sie nicht wirklich entspannt schlafen, fürchten sich vor allem Neuen.

Ja, sie sind sogar recht problemlos stubenrein geworden, sie können auch alleine bleiben - sie suchen auch die Nähe und wollen schmusen - aber eine unbedachte Bewegung - und sie sind weg.

Du brauchst viel Geduld und noch mehr Liebe - und musst dich an allem erfreuen, was der Hund von sich aus zu geben bereit ist. Unter Umständen ist das nicht viel - aber es gibt auch andere Fälle.

Mein Tochter hat eine Podenca aus Spanien - über ein dt. Tierheim. Der Hund war ca. 3 - 4 Jahre alt (schwer misshandelt worden, mit schiefer Schnauze und vielen Narben gezeichnet) - und hat fast ein ganzes Jahr nur in einer Ecke in ihrem Wohnzimmer gelebt. Nahm keinen Kontakt auf, wollte nicht berührt werden, war vollkommen teilnahmslos - so einen Hund hatten wir alle noch nicht erlebt.

Und dann platzte der Knoten - von heute auf morgen war es ein völlig anderer Hund, der seine Streicheleinheiten forderte, auf die Couch hüpfte, freudig spazieren ging, mittlerweile frei laufen kann und hört ....

Auch so kann es gehen - aber es braucht manchmal einen langen Atem. Zum Glück hatte meine Tochter diesen und den starken Willen, diesen Hund zurück ins Leben zu holen.

Ich wünsche euch einen prima Freund.

Wir haben seit ueber 10 Jahren 2 ungarische Straßenhunde (aus der Toetungsstation) und hatten auch mal einen uralten russischen Tierheimhund. Alles tolle Hunde. Die Ungarin ist (immer noch) etwas aengstlich, der maennliche Kollege dafuer um so weniger. In unserer Nachbarschaft sind viele Tierheimhunde und keiner ist ein Problemfall.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Hatte in den letzten 15 Jahren 5 Hunde, 1 -3 gleichzeitig.

Ich habe bisher nur Nothunde aufgenommen, sowohl Welpen, als auch erwachsene Tiere. Diese Hunde sind unheimlich dankbar aber nicht immer einfach. Ich nehmen mal an, dass dein kleiner vorher auf der Straße gelebt hat.

Jetzt versetze dich einfach mal in den Hund: Stubenreinheit? Nein, Erziehung? Nein (außer evtl. auf der Pflegestelle), Leinenführigkeit? Nein usw. du kannst so einen Hund anfangs auch kaum allein lassen (ich hoffe das hast du bedacht)!

Viele dieser Hunde tauen sehr schnell auf, andere bleiben
lange ängstlich und unsicher. Habe leider gerade so einen Fall in meinem
Bekanntenkreis, zu wenig informiert, Hund geholt. Die Maus ist eine ganz süße aber sehr ängstlich. An der Leine läuft sie, versteckt sich dabei hinter Frauchen.
Kommandos kann sie keine. Zuhause gräbt sie den Müll um, weil sie das von
früher kennt. Vor dem Ehemann hat sie immer noch gehörigen Respekt. Alleine Bleiben geht noch gar nicht, da hat sie Todesängste und Kotet alles voll, neulich ist sie vor lauter Panik aus dem Fenster des ersten Stocks gesprungen, zum Glück ist nicht viel passiert und sie wurde von Nachbarn eingefangen. Aber sowas muss man bedenken. Du brauchst am Anfang sehr viel Zeit und Geduld. Es kann auch ein sehr aufgeschlossener Hund sein, ich hatte schon Fälle, die nach ein paar Tagen die Grundkommandos beherrschten und freundlich auf alle Menschen
zugekommen sind. Jeder Hund ist anders. Aber du brauchst auf jeden Fall Geduld, Zeit und Wissen. Am besten besuchts du auch eine Hundeschule.

Ich wünsche dir und dem Kleinen gutes Gelingen.


planplants2  13.09.2016, 15:09

Habe noch etwas vergessen: Je nach Ängstlichkeit/Unsicherheit nicht gleich die Hundeschule besuchen, das würde ihn überforndern! Erstmal Geduld haben und Vertrauen aufbauen.