Hat unser heutiger Blick auf die Geschichte auch etwas damit zu tun, wie wir das politische Geschehen bewerten?
Viele Geschichtsbücher sind heute vom Postkolonialismus geprägt. Der Westen wird als eine imperialistische Größe geschildert, die andere Völker unterdrückt hat, da man in einem Eurozentrismus gelebt hat. Viele westliche Denker werden längst danach bewertet, ob sie etwas gesagt haben, das nach heutigen Maßstäben nicht politisch korrekt ist.
Ist es bei all dieser Kritik am Westen, bei all dieser Betonung der Neutralität nicht eigentlich nur natürlich, dass viele Menschen heute nicht westliche Positionen vertreten?
In einem großen Streit wurde früher in Deutschland diskutiert, ob man den Holocaust ganz neutral darstellen könne oder ob der Holocaust etwas Einmaliges ist, dass immer auch negativ bewertet werden muss, wie Habermas meinte.
Viele Historiker beschreiben Geschichte heute jedoch wie ein bloßes Aufzählen trockener Fakten ohne jegliche moralische Bewertung, alles scheint relativ und sogar Spekulationen über Alternative Geschichtsverläufe werden populärer. Heute habe ich ein Buch über die Kreuzzüge gesehen, das versprochen hat, alle Seiten gleichberechtigt und neutral zu beleuchten. Die unbedingte Neutralität, das Leugnen von Gut und Böse, ein Mantra der Postmoderne.
In meinen Augen ist das ein Fehler, der dazu führt, dass viele Menschen heute beim Ukraine-Krieg und beim Nahost-Konflikt eine unbedingte Neutralität fordern und sich mit westlichen Idealen nicht mehr identifizieren können.
2 Antworten
Natürlich. In mehrerlei Hinsicht.
Zum einen durch den Postmodernismus, der mittlerweile darin ausartet, dass „der Westen“ und „der Weiße“ böse und Schuld an allem ist(White Guilt), was dazu führt, dass das Abendland ein negativistisches(übertrieben negatives) Selbstbild von sich hat und man sich nicht damit identifizieren kann oder will.
Zum anderen dadurch, dass wir Geschichte stets von der Siegerseite berichtet bekommen. Es wird immer von der herrschenden Klasse historisiert und Geschehnisse werden dadurch verzehrt wahrgenommen („Gentleman-Historiker“)
Cicero z.B gilt mittlerweile als Propagandist ähnlich wie ein Bannon heute.
Durch letzteres ergibt sich der heutige woke Imperialismus, dass - obwohl man sich schlecht redet - sich wieder über allen anderen erhebt, weil man doch so schuldbeladen und besser als andere sei. Das heißt, wir leben in widersprüchlichen Zeiten und es zeigt uns, dass so richtig der faustische Drang oder das Faustische, wie es Spengler nannte, nie von unserer abendländischen Kultur wegzudenken ist.
Ja natürlich. Uns Ostschülern wurden ganz andere Informationen vermittelt und Inhalte anders bewertet als in den alten Bundesländern. Nur ein Beispiel.