Goethe, Das Sonett, Kernaussage und Interpretation?

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Das Gedicht ist selbst bezüglich. Ein Sonett hat ja einen ganz strengen Aufbau, an den sich der Dichter halten muss. Goethe schreibt also ein Sonett darüber, welche Vorteile ("Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben") so ein strenger Aufbau hat, er schreibt aber auch darüber, wie mühsam es manchmal ist, sich an so einen strengen Aufbau zu halten ("Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten"). Man unterwirft sich beim Sonett schreiben ganz genauen Regeln, die einem helfen, die eigene wilde Kreativität in bestimmte Bahnen zu leiten, gleichzeitig machen es diese Regeln einem aber auch schwer, sich so wie sonst frei auszudrücken, weil man eben nicht alle Freiheit hat.

Goethe ist nicht der einzige, der sich in Sonettform mit dem Thema Sonett beschäftigt, da gibt es noch Robert Gernhardt (etwas drastischer, so dass gutefrage das nur zensiert zulässt)

Sonette find ich sowas von beschissen,

so eng, rigide, irgendwie nicht gut;

es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,

daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

hat, heute noch so'n dumpfen Scheiß zu bauen;

allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,

kann mir in echt den ganzen Tag versauen.

Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so'n abgefuckter Kacker

mich mittels seiner W*** blockiert,

schafft in mir Aggressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das A*** motiviert.

Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:

Ich find Sonette unheimlich beschissen.

Und dann gibt es noch das schöne Sonett von Gerhard Rühm:

erste strophe erste zeile
erste strophe zweite zeile
erste strophe dritte zeile
erste strophe vierte zeile

zweite strophe erste zeile
zweite strophe zweite zeile
zweite strophe dritte zeile
zweite strophe vierte zeile

dritte strophe erste zeile
dritte strophe zweite zeile
dritte strophe dritte zeile

vierte strophe erste zeile
vierte strophe zweite zeile
vierte strophe dritte zeile

Man kann die Bedeutung natürlich auch noch verallgemeinern: Grundsätzlich steht ein Künstler immer zwischen den Konventionen der aktuellen Zeit, also den vorgegebenen Mustern und Strukturen und seiner eigenen erstmal ungeregelten Kreativität. Solche Strukturen können alles mögliche sein - ein klassischer griechischer Dichter hat natürlich in Hexametern geschrieben, sich also an ein bestimmtes Muster gehalten, ein bildender Künstler malt auf rechteckige Leinwände usw. usw. Diese Konventionen helfen einerseits, weil sich schon mal einen Rahmen geben. Andererseits gibt es dann immer wieder den Drang, diese Formen abzuändern und was ganz anderes zu machen, weil man sich in diesen Mustern nicht wohl fühlt.


Linaaa339 
Fragesteller
 24.11.2022, 18:31

Vielen lieben Dank! Ich hatte das ja komplett falsch verstanden! Bin dir unendlich dankbar!

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