FSJ/BFD im Rettungsdienst/Krankentransport?

4 Antworten

Von Experte Rollerfreake bestätigt

Hi,

Meine Frage ist, was man als Anfänger eigentlich für Aufgaben bekommt.

Man übernimmt regelhaft die normalen Aufgaben eines Besatzungsmitglieds - sowohl im Einsatz, als auch im gesamten "Drumherum".

Denn

Am Anfang ist man ja noch relativ unerfahren

stimmt zwar, allerdings mit einem großen "Aber": für einen Freiwilligendienst im Rettungsdienst ist eine rettungsdienstliche Qualifikation Pflicht.

Heißt also: man muss zwangsläufig vorher (auf Kosten des Trägers) eine Qualifikation zum Rettungssanitäter (520-h-Lehrgang) oder zum Rettungshelfer (i.d.R. 320 h) absolvieren.

Zum Teil erfolgt es vor dem FSJ, zum Teil während der ersten Monate des Freiwilligendienstes.

Dementsprechend kann (und muss) man wie ein hauptamtlicher Mitarbeiter die anfallenden Aufgaben wahrnehmen - auch im Einsatz.

Aber wie siehts aus, wenn man eine Person tragen muss (auf Liege oder Stuhl) ohne Aufzug? Hab jetzt genug Videos gesehen, wo vorallem die FSJler für das Tragen verantwortlich sind. Ist das auf dauer nicht irgendwie schädlich für den Rücken?

Tragen muss ohnehin jeder. "Alleine tragen" funktioniert einfach nicht - da hat die Tätigkeit als FSJler weder Vor- noch Nachteile.

"Gut für den Rücken" ist eine Tätigkeit im Rettungsdienst allgemein nicht. Es ist zwar bei weitem nicht mehr so schlimm, wie vor 30 Jahren, die Belastung ist aber dennoch vergleichsweise hoch.

Würde mich über Erfahrungsberichte sehr freuen, über die Aufgaben, die ihr machen musstet und ob ihr es weiterempfehlen würdet. Also lohnt es sich überhaupt?

Ob es sich lohnt, hängt ganz davon ab, was man denn als "Ziel" definiert.

Man bekommt zweifellos einen niedrigschwelligen Einstieg in den Rettungsdienst, eine Zusatzqualifikation im Lebenslauf und sinnvolle erste Arbeitserfahrungen.

Erfahrungen

Mein Weg in den Rettungsdienst (und auch die spätere hauptamtliche Tätigkeit) führte über ein FSJ.

Die Qualifikation zum Rettungssanitäter musste in meinem Falle vor Beginn des FSJ absolviert werden, danach folgten die zwölf Monate Freiwilligendienst.

Die erste Zeit wurde ich im Krankentransport eingesetzt (wie allgemein üblich), im Verlauf kam dann auch die Notfallrettung dazu. Der Einsatz hängt von der jeweiligen Einsatzstelle und dem Personalbedarf ab - mancherorts darf der FSJler von Anfang an "alles", anderenorts fährt er ausschließlich KTW, und alles dazwischen.

Der Status als "Depp vom Dienst" gibt es zumindest im Falle des Rettungsdienstes nicht. Man hat genau die gleiche Qualifikation, mit der man auch hauptamtlich arbeiten kann, und macht dieselben Dinge.

In kurz und knapp: bereut habe ich es nicht, sonst wäre ich wohl kaum heute noch im Rettungsdienst ;-)

Empfehlung

Prinzipiell muss ich sagen: wenn es der Rettungsdienst werden soll - würde ich nur ein FSJ empfehlen, wenn man eben ein FSJ "braucht", zum Beispiel für den praktischen Teil der Fachhochschulreife.

Ansonsten ist ein FSJ im Rettungsdienst gerade finanziell ein Verlustgeschäft, dass sich schlicht für den Freiwilligendienstleistenden nicht rechnet.

Ja, man bekommt eine rettungsdienstliche Qualifikation "geschenkt" - danach arbeitet man allerdings genauso wie ein Hauptamtlicher, nur für ein Fünftel des üblichen Gehalts.

Und es gibt noch genügend andere Varianten für den Einstieg in den Rettungsdienst: über das Jobcenter, das Ehrenamt, als Selbstzahler oder auch mit Finanzierung über die Rettungsdienste selbst.

Selbst wenn man den Rettungssanitäter zahlen müsste, stünde man am Ende des Jahres finanziell um Welten besser dar - mit den gleichen Erfahrungen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Das FSJ im Rettungsdienst ist etwas Besonderes, weil man dort regulär keine reine Hilfsarbeit leistet, sondern tatsächlich eine beruflich angestellte Kraft ersetzt. Das heißt, man hat die selben Aufgaben, wie sie auch jemand hätte der davon lebt.

Dafür gibt es am Anfang erst einmal eine rettungsdienstliche Qualifikation - nicht selten ist das der Rettungssanitäter, mit dem du hinterher auch beruflich in einem Rettungsdienst arbeiten kannst. Und wenn du Rettungssanitäter bist, darfst du alles machen, was ein Rettungssanitäter im Rettungsdienst eben machen darf ;) In den meisten Bundesländern bist du damit qualifiziert, als verantwortliche Person im Krankentransport und als Fahrer in der Notfallrettung eingesetzt zu werden. Was davon du in welchem Umfang machst, hängt stark vom Dienstherren ab und davon, welchen Eindruck er hat. Manche FSJler fahren ausschließlich Krankentransport, dafür aber z.T. mit einem anderen FSJler zusammen, sodass tatsächlich das FSJ die Verantwortung für Menschen übernimmt. Andere FSJler fahren von Anfang an fast nur in der Notfallrettung, wo ein Notfallsanitäter mit im Team sein muss... und sind deshalb immer "nur" der Hilfsarbeiter. Hat beides so seine Vor- und Nachteile.

Am Anfang ist man ja noch relativ unerfahren, deswegen kann man ja nicht viel machen.

Man fährt am Anfang (im Rahmen der rettungsdienstlichen Qualifikation) ein paar Wochen als "Dritter" mit, in denen einem alles in der Praxis gezeigt wird. Danach wird von einem erwartet, dass man alles kann, was man können muss. Im Rettungsdienst gibt es nicht wirklich sowas wie Welpenschutz.

Aber wie siehts aus, wenn man eine Person tragen muss (auf Liege oder Stuhl) ohne Aufzug?

Dann trägt man die Person eben. Und weiter?

Abgesehen von der Betreuung während der Fahrt ist das der Grund, weshalb im Krankentransport zwei Personen auf dem Auto sitzen. Es ist sehr häufig, dass Patienten getragen werden müssen.

Ist das auf dauer nicht irgendwie schädlich für den Rücken?

Man kann sich in dem einen Jahr als FSJler tatsächlich die Bandscheiben ruinieren, wenn man es darauf anlegt.

Wenn man ein paar Grundregeln betrachtet, u.a. den Rücken mit Krafttraining zu stärken und aus den Beinen heraus zu heben, passiert aber normalerweise nichts. Für die ganz schweren Fälle kann man auch ein zweites Fahrzeug dazu holen, damit nochmal vier Hände beim Tragen helfen.

Man sollte sich definitiv vorher darüber im Klaren sein, dass die Arbeit im Rettungsdienst körperlich anspruchsvoll ist!

Würde mich über Erfahrungsberichte sehr freuen, über die Aufgaben, die ihr machen musstet und ob ihr es weiterempfehlen würdet. Also lohnt es sich überhaupt?

Ich bin tatsächlich im FSJ ausschließlich Krankentransport gefahren. Zu meiner Zeit gab es bei uns keine Hauptamtlichen im Krankentransport. Das heißt, dass man als FSJler tatsächlich die Verantwortung für die Patienten trug. Das kann durchaus auch spannend werden, wenn man unterwegs neben seinem Patienten sitzt und nicht sicher ist, ob er noch atmet...

Es ist auch für medizinisch interessierte eine schöne Gelegenheit, "unverbindlich" in die Welt der Medizin reinzuschnuppern. Wenn man die Augen offen hält und während der Ausbildung und anschließend im Alltag zusieht, möglichst viel aufzuschnappen, kann man wahnsinnig viel lernen.

Für mich persönlich war es quasi das "Erwachsenwerden". Ich kam ziemlich schüchtern und zurückhaltend aus der Schule und habe im Rettungsdienst gelernt, selbstbewusst aufzutreten. Eine andere Wahl hat man in dem Job nicht. Außerdem ist es eine ganz eigene Qualität an Lebenserfahrung, jemanden wiederzubeleben mit dem man vorher noch gesprochen hat. Du fühlst dich nach diesem Jahr um weit mehr als nur ein Jahr reifer. Und du kannst dann Auto fahren: Wenn du ein Jahr lang jede 2. Schicht ca. 150-250 km 'runtergerissen hast, braucht dich keiner mehr als Fahranfänger sehen.

Allerdings wird man eben auch als billige Arbeitskraft verheizt. Andere, die formal keine höhere Qualifikation haben, bekommen nicht 400€, sondern 2500€ im Monat für exakt die gleiche Arbeit. Es ist also auch ein Bisschen Idealismus gefragt.

Hauptsächlich wirst du ausgenutzt, denn die Organisation zahlt dir so ca. 400€, während hauptamtliche Kräfte mit gleicher Qualifikation so ca. 1900€ verdienen. Kurzum: LASS ES! Entweder mach ein FSJ im wirklichen sozialen Bereich oder besuche den Rettungssani-Lehrgang auf eigene Faust und Rechnung und suche dir danach eine richtige Stelle, am besten beim kommunalen Arbeitgeber. Die Kosten hast du innerhalb weniger Monate raus.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

In einem FSJ im Rettungsdienst, wird man grundsätzlich nicht ohne eine notfallmedizinische Qualifizierung eingesetzt. Man wird abhängig von der FSJ Stelle, dem Träger mindestens zum Rettungs(dienst)helfer (in den meisten Bundesländern 320 Stunden Dauer) oder aber auch direkt zum Rettungssanitäter (mindestens 520 Stunden Ausbildungsdauer, insgesamt vier Ausbildungsmodule) ausgebildet, mit diesen Qualifikationen, darf man als Teil der Regelbesatzung auf dem Krankentransportwagen (Rettungshelfer in assistierender- und Fahrerfunktion) bzw. Auf dem Rettungswagen (Rettungssanitäter, Unterstützung des verantwortlichen Notfallsanitäters oder übergangsweise aktuell auch noch des Rettungsassistenten bei der Versorgung des Notfallpatienten vor Ort und zugleich als Fahrer des Rettungswagens sowie eigenständige Betreuung der Patientinnen und Patienten im qualifizierten Krankentransport zum Einsatz kommen). Allerdings, ist für die überwiegende Mehrheit der Rettungswagen heutzutage eine Fahrerlaubnis der Klasse C1 erforderlich, dann ist der Einsatzbereich des FSJ'lers auf den qualifizierten Krankentransport eingeschränkt, unabhängig davon, ob er nun zum Rettungshelfer oder zum Rettungssanitäter ausgebildet worden ist. Die Patientinnen und Patienten heben und tragen, dass muss das hauptberuflich tätige Rettungsfachpersonal ebenfalls, im qualifizierten Krankentransport im übrigen generell häufiger als bei den Einsätzen in der Notfallrettung. Ja, auf die Dauer, ist es schädlich für den Rücken, natürlich, auf dem Bau, da sind aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen die Betonsäcke mittlerweile auf maximal 30 Kilogramm beschränkt, nicht's gegen einen 100 Kilogramm Patienten, den man zu zweit heben und Tragen muss. Diese Problematik betrifft allerdings vorrangig das hauptberuflich tätige Rettungsfachpersonal und nicht den FSJ'ler, der dass "nur" ein Jahr lang machen muss.

Bringt es was?. Ja, es bringt dir viele wertvolle Erfahrungen und da hast schoneinmal eine Qualifizierung, mit der du bei beruflichen "Engpässen" quasi jederzeit -vorübergehend- einer Tätigkeit im Rettungsdienst nachgehen kannst. Ich selber habe zwar kein FSJ gemacht sondern habe die Qualifikation des Rettungssanitäters als Selbstzahler absolviert, habe jedoch FSJ'ler getroffen und die waren alle "zufrieden" mit ihreren Tätigkeiten im FSJ.

Mfg.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

Rollerfreake  19.11.2020, 00:06

Den "Sanitäter" gibt es nicht, sondern die insgesamt vier Qualifikationsgrade, die du oben in meiner Antwort gelesen hast:

1.) Rettungshelfer/in: In den meisten Bundesländern insgesamt 320 Stunden Ausbildung bestehend aus 160 Stunden Lehrgang mit schriftlicher und praktischer Prüfung 160 Stunden Praxisausbildung, eine Abschlussprüfung nach der Praxisausbildung, die gibt es nicht. Aufgaben: zweite Person (Assistent und Fahrer) im qualifizierten Krankebtransport,

2.) Rettungssanitäter/in: mindestens 520 Stunden Ausbildung bestehend aus mind. 160 Stunden Lehrgang mit Prüfung, 160 Stunden Praxis im Krankenhaus (Aufteilung in der Regel in 80 Stunden in Anästhesie/OP und 80 Stunden in der Notfallaufnahme oder Intensivstation), 160 Stunden Praxis im Rettungsdienst an einer anerkannten Lehrrettungswache, davon sollen mind. 80 Stunden an einer LRW mit Notarztstandort auf dem Gelände sein und zuletzt mind. 40 Stunden Rettungssanitäter- Abschlusslehrgang/ Prüfungslehrgang mit schriftlicher, mündlicher und praktischer Abschlussprüfung. Aufgaben: zweite Fachperson in der Notfallrettung auf einem Rettungswagen (Assistenzleistung und Fahrer) und eigenständige Betreuung von Patientinnen und Patienten bei qualifizierten Krankentransporten. In manchen Bundesländern, dürfen Rettungssanitäter auch noch das Notarzteinsatzfahrzeug fahren.

3.) Rettungsassistent/in: Neubeginn seit 2015 nicht mehr möglich, war eine zweijährige Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz (RettAssG) und der RettAssAPrV bestehend aus 1.200 Stunden Fachlehrgang mit staatlicher Prüfung und 1.600 Stunden praktischer Ausbildung im Rettungsdienst an einer anerkannten Lehrrettungswache mit einem Abschlussgespräch (einer Art mündlichen Prüfung) am Ende. Aufgaben: gemäß der Ausbildungszielbestimmungen in Paragraph 3 des RettAssG übergangsweise noch als verantwortliche Fachperson auf dem Rettungswagen in der Notfallrettung, Assistenz des Notarztes auf den notarztbesetzten Rettungsmitteln. Rettungsassistenten können und dürfen unter gewissen rechtlichen Voraussetzungen auch bestimmte Maßnahmen durchführen, die eigentlich ärztliche Maßnahmen sind, u.a. bestimmte Notfallmedikamente verabreichen, sogenannte "Notkompetenz des Rettungsassistenten" und

4.) Notfallsanitäter/in: 2014 durch das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen NotSanAPrV neu eingeführtes Berufsbild mit einer dreijährigen Ausbildung, hat den Rettungsassistenten als Ausbildung und somit langfristig auch als Berufsbild abgelöst. Rettungsassistenten haben allerdings bis zum 31. Dezember 2023 die Möglichkeit, die neue Berufsbezeichnung zu erlangen, in dem sie eine staatliche Ergänzungsprüfung bestehen und ggf. vorher an einer weiteren Ausbildung von bis zu 960 Stunden Dauer teilgenommen haben. Aufgaben: neue verantwortliche Fachperson in der Notfallrettung und Assistenz des Notarztes auf notarztbesetzten Rettungsmitteln. Notfallsanitäter haben in Paragraph 4 des NotSanG sehr umfangreiche Ausbildungszielbestimmungen, sie müssen in ihrer Ausbildung auch viel mehr eigentlich ärztliche Versorgungsmaßnahmen beherrschen, die rechtlichen Voraussetzungen für deren Durchführung, sind aktuell jedoch mit denen des Rettungsassistenten identisch, d.h., die Notfallsanitäter können viel mehr, sie dürfen aber ersteinmal nicht mehr.

Mfg.

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