Der hilflose Nachbar nervt - oder bin ich das A?
Hi, meine Mutter hat einen 81 jährigen Nachbarn, der m.M. nach extrem nervt..
Meine Mutter lebt seit ca. 15 Jahren in ihrer Wohnung. Ich weiß noch, wie sie in den ganzen Jahren darüber geredet hat, dass sie diese Nachbarn komisch/unhöflich findet, da sie kaum Kontakt mit dem restlichen Haus suchten, und wenn sie sich mal trafen im Flur, nur kurz angebunden und gleich wieder weg sind.
Vor einigen Monaten ist dann seine Frau an Krebs gestorben, erzählte mir meine Mutter, und wie er dann plötzlich bei ihr klingelte, sagte, wie überrascht er über den Tod war, und sie bat, doch ab und zu nach ihm zu schauen, weil er jetzt gar nicht wisse, wohin mit sich. Kurze Zeit später erzählte mir meine Mutter, dass sie für ihn seine Handys durchschaue, für ihn Sachen organisiere.. etc. Auch ein anderer Nachbar, der sich laut meiner Mutter "ziemlich hereinhänge". So als gäbe es eine Art "Wettbewerb", wer sich nun besser kümmere..?
Gleichzeitig wirkte sie doch öfter etwas gestresst und hatte immer wieder keine Zeit für mich (d.h. mehrere Tage lang nicht erreichbar, unzuverlässig), weil sie etwas für den Nachbar tat, wie sich dann herausstellte. Eines Tages meinte ich, ob sie sich nicht etwas übernimmt, dass sie doch genug eigene Baustellen habe (denn die hat sie!), und ob es nicht mehr Sinn machen würde, eine Betreuung zu organisieren. In den nachfolgenden Wochen gab es immer wieder Gespräche über diese Situation und es kam zunehmend von ihr, dass es doch etwas zu viel sei und er sehr viel Aufmerksamkeit von ihr einfordere.
Anfangs noch lud sie mich einmal zu einem Essen bei ihm ein, da gab es auch noch eine Idee, eventuell eine Wohnung im Haus über ihn vermittelt zu bekommen. Das war ganz nett, ich stellte Fragen und er erzählte aus seinem Leben und über seine Frau. Die Sache mit der Wohnung zerschlug sich wieder.
Ein zweites Mal erzählte mir meine Mutter, dass er sie und mich zum Kaffeetrinken einlädt. Ich weiß noch, dass wir im Vorfeld überlegten, es sollte "mal was anderes sein", ich schlug ein Cafe in einem Museum vor. Der Nachbar fuhr uns mit seinem Auto dorthin, ich weiß noch, wie meine Mutter mir sagte, er sei nicht mehr ganz sicher beim Fahren, und bräuchte etwas Ermutigung. Überhaupt, der ganze Termin lief so ab, dass er saß und jammerte. Er stellte null Fragen, meine Mutter versuchte, positive Themen anzusprechen, auf die ich einging, und er unbeteiligt oder klagend daneben saß. Ich fand es irgendwann unhöflich und gab das freundliche Gespräch auf. Ich verhielt mich nur noch ruhig, aber höflich, bis wir zurück zuhause waren.
Kurze Zeit später erzählte mir meine Mutter, er sei im Krankenhaus gewesen, da in der Badewanne gestolpert. Sie war währenddessen mit einer fetten Bronchitis krank geschrieben. Ich war bei ihr, bekam mit, wie er wollte, dass sie ihn zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus fährt, obwohl sie ihm gesagt hatte, das könne er anders regeln. Ich weiß noch, wie er im Flur vor der Tür stand und sagte, meine Mutter könne ihn doch fahren. Ich sagte "Meine Mutter ist krank, wissen Sie", und dann sagte er "Ja, aber ich bin doch auch krank." Ich fand das suuuper dreist.
Seitdem bin ich auf den Mann auch nicht mehr gut zu sprechen. Ja, er ist alt, ja, er hat seine Frau verloren. Meine Mutter sagte mir auch, er habe Demenz, das sei alles nicht leicht für ihn. Aber gleichzeitig erzählt sie mir, wie er einfach "zu viel" bei ihr anruft, klingelt, und sie ständig für ihn noch was nachprüfen muss. Ich habe sie gewarnt, dass das zuviel ist. Und jetzt über Weihnachten, sagte sie mir, sie habe in letzter Zeit nochmal "ganz viele Grenzen" gesetzt und sei jetzt auch richtig froh, dass er über die Feiertage bei dem anderen Nachbarn eingeladen und ein paar Tage weg war.
Aber jetzt - kaum ist er wieder da, gibts Anrufe/Klingeln, bringt meine Mutter ihm warmes Essen und Küchlein. Sagte mir gestern, als sie für ein paar Stunden weg war, es könne sein, dass er zwischendurch mal klingelt. Als ich gerade eben ins Haus kam, kam er mir entgegen, und meine Mutter rief, ob ich ihm helfen kann, zu gucken, ob sein Auto abgeschlossen ist, er sei sich nicht sicher.
Ich habe keine Lust, da mitzumachen, ich finde das alles sehr skurril. Meine Mutter ist geradezu servil, er fordert und ist ungeduldig. Aber sie schuldet ihm doch eigentlich gar nichts?! Ich habe das Gefühl, er suhlt sich in einer Opferhaltung und sie macht das nur allzugerne mit.
Und jetzt gibt sie mir die Schuld dafür, dass ich die Beziehung zu ihrem Nachbarn "kaputt mache", weil ich eben nicht mitspiele. Gerade eben war sie mit ihm essen und wirkte etwas aufgekratzt, sagte zu mir, er denkt, ich gucke ihn böse an, und dass es meine Schuld sei, dass er ihr gegenüber misstrauisch werde, weil ich nicht höflich und freundlich genug bin.. Auch ist es plötzlich meine Schuld, dass wir damals in dem Museums-Cafe waren und er eben doch nicht eingeladen hat..
Sollte ich jetzt zuckersüß und lieb zu dem Mann sein? Oder was ist da los?
Wohnst du auch in dieser Wohnung?
Nein, ich bin aktuell nur für ein paar Tage zu Besuch bei meiner Mutter. Es ist aber auch dann ein Thema, wenn ich nicht bei ihr bin, da sie spontan weg muss, erschöpft ist, etc.
1 Antwort
Letztlich gehören zwei dazu: Der alte Mann, der sicherlich einsam und allein ist, aber sich ggf. auch ungeschickter und dümmer darstellt als dass er ist um Aufmerksamkeit und Hilfe bzw. Gesellschaft (darum wird es ihm gehen!) zu bekommen und deine Mutter, die macht, was er will und ggf. auch froh um diesen Kontakt ist und um die Beschäftigung, die der Mann ihr gibt.
er suhlt sich in einer Opferhaltung und sie macht das nur allzugerne mit.
Den Eindruck habe ich auch, eventuell zahlt er auch gut - ich war mal selbst für eine ältere, alleinstehende Nachbarin ohne Verwandte im Einsatz, die sogar für Besuche bezahlen wollte bzw. Leute für Besuche bezahlt hat (ich lehnte das immer ab); sie hat diese Leute mehr oder weniger auch durch Geld an sich gebunden und suchte sich gezielt Leute raus, die 20 Euro brauchen konnten und alles für Geld machten, und selbst wenn es darum bei ihr zu sitzen und sich traurige Geschichten und Selbstmitleid anzuhören.
Einschreiten kann man kaum - man könnte allenfalls versuchen, Verwandte des MAnnes aufzutreiben und denen zu sagen, was da vor sich geht und dass dieses Szenario sehr sauer aufstößt und bei euch einen Keil in die Familie treibt.
Ich würde dem Mann nicht übertrieben herzlich begegnen, aber auch nicht so, dass er das Gefühl hat man würde ihn unfreundlich behandeln oder durchschauen. Er würde es deiner Mutter sagen, die dann ggf. eher zu ihm halten würde als zu dir - weil er der arme alte Mann ist, der ach so sehr um seine geliebte Frau trauert und ja gar niemanden mehr hat. Nicht selten spielen Leute durchaus mit diesem "Ansehen" nach dem Motto, ach, ich armer Tropf, und führen ihr ganzes Umfeld hemmungslos vor.