Oxidationszahl des Sauerstoffatoms von Ethylmethylether?
Moin,
letztens im Chemieunterricht fingen wir mit Oxidationszahlen an und bekamen entsprechend Aufgaben, in welchen wir die Oxidationszahlen von Atomen innerhalb verschiedenster Bindungen bestimmen sollten. Eine dieser Bindungen war Ethylmethylether. Eine Person aus meiner Klasse meldete sich und behauptete die Oxidationszahl vom Sauerstoffatom des Ethers sei 0, da es hier als Element behandelt werden soll. Ich bin mir eigentlich 99% sicher, dass die Erklärung falsch sein muss, da das Sauerstoffatom in einer Bindung und nicht als Element vorlag (kann natürlich sein, dass ich hier einen Fehler habe).
Also bin ich den Reaktionsmechanismus durchgegangen von dem man zu Ethylmethylether kommt, sprich eine Williamson-Ethersynthese bestehend aus Brommethan und Natriumethanolat durchgegangen. Da hier keine Oxidation oder Reduktion durchgeführt wird, sondern eine nucleophile-Substitution bei der hier keine Elektronen ausgetauscht bzw. abgegeben oder aufgenommen werden. Müssten die Oxidationszahlen eigentlich gleich bleiben.
Da das Sauerstoffatom in der Natriumethanolat-Bindung eine OZ von -2 hat, dürfte sich diese nicht verändern, selbiges müsste für die anderen OZ gelten, und somit müsste das Sauerstoffatom in der Ethylmethylether-Bindung eine OZ von -2 haben.
Ich hatte mich schon an meine Lehrerin gewendet aber sie schien sich nicht unglaublich sicher zu sein, meint aber dass meine Idee richtiger sei als die Idee, dass die OZ des Sauerstoffatoms 0 ist.
Auch frage ich mich, wie sich die Geschichte mit der OZ bei den Ethern verhält, also falls da jemand was weiß, wäre das hilfreich.
Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen, auch wenn sie sehr lang und/oder komplex sein würd. Vielen Dank für eure Zeit.
2 Antworten
![](https://images.gutefrage.net/media/user/indiachinacook/1444747442_nmmslarge.jpg?v=1444747442000)
In einem Ether ist das O an zwei C-Atome gebunden. O ist elektronegativer als C oder H, also hat der Sauerstoff in Ethern, Alkoholen und auch im Wasser die Oxidationszahl −II. Wenn Deine Lehrerin etwas anderes behauptet, dann irrt sie oder hat eine Privatdefinition von „Oxidationszahl“.
In die Standard-Methode zur Bestimmung von Oxidationszahlen schreibt man eine Lewis-Formel auf und weist jedes Elektron per Elektronegativität genau einem Atom zu; anschließend zählt man einfach ab und kommt so zur Oxidationszahl. Dieses Schema ist nicht für alle Verbindungen eindeutig machbar, aber bei Ethern liefert sie klaglos −II: O hat zwei lone pairs, das sind schon mal 4 Elektronen, dazu kommen noch vier aus den O–C-Bindungen, die dem O wegen der höheren Elektronegativität zugeordnet werden. Das macht insgesamt acht Elektronen, zwei mehr als im Atom, also −II.
Dein Argument mit der Williamson-Synthese ist korrekt; aber ich weiß nicht, wozu Du es eigentlich brauchst. Immerhin mußtest Du dazu annehmen, daß der Sauerstoff im Alkohol OZ −II hat, und das stimmt zwar, aber jemand könnte es bezweifeln, und was machst Du dann? Außerdem ist Deine Annahme, daß eine nukleophile Substitution keine Oxidationszahlen ändert, nicht notwendigerweise korrekt, z.B.
C¯ᴵᴵH₃Cl + C⁺ᴵᴵN¯ ⟶ C¯ᴵᴵᴵH₃C⁺ᴵᴵᴵN + Cl¯
Grundsätzlich ist Sauerstoff in fast allen seinen Verbindungen an zwei elektropositivere Atome gebunden und hat dann unweigerlich die Oxidationszahl −II. Daran ändert sich auch nicht, wenn stattdessen eine Doppelbindung zu einem elektropositiven Atom vorliegt (z.B. CO₂), oder ein Oxonium-Ion mit drei elektropositiven Bindungspartnern plus einer positiven Ladung, z.B. (CH₃)₃O⁺.
Nur wenige Sauerstoffverbindungen fallen nicht unter diese Beschreibung, einfach deshalb, weil fast das ganze Periodensystem elektropositiver als Sauerstoff ist, und deshalb können nur O–F-Bindungen und O–O-Bindungen aus den Schemata des letzten Absatzes ausbrechen:
- Im OF₂ (Sauerstoffdifluorid) F–O⁺ᴵᴵ–F hat Sauerstoff ernsthaft die OZ +II. Eine höhere ist nicht möglich, weil Sauerstoff nicht hypervalent ist (im Gegensatz dazu bildet Schwefel unter anderem die Fluoride SF₂, SF₄ und SF₆).
- Ein Fluor und ein anderes Element als Bindungspartner ergeben die Oxidationszahl Null, z.B. in HOF (hypofluorige Säure) und organischen Derivaten wie CF₃OF.
- Peroxide enthalten O–O-Bindungen. Der Sauerstoff hat dabei OZ −I wenn die weiteren Bindungspartner elektropositiv sind, z.B. H₂O₂ oder CH₃OOCH₃.
- Im Fall von Disauerstoffdifluorid F–O⁺ᴵ–O⁺ᴵ–F hat Sauerstoff +I, aber ich glaube, davon gibt es keine weiteren Derivate.
- Stoffe mit drei oder mehr O-Atomen in einer Art Kette sind extrem exotisch und extrem instabil, z.B. H₂O₃ mit der Strukturformel H–O¯ᴵ–O⁰–O¯ᴵ–H oder O₄F₂.
- Es gibt noch ein paar schräge Ionen wie O₂¯, O₃¯ und O₂⁺ mit gebrochenen Oxidationszahlen, die in der anorganischen Chemie als Salze vorkommen können (z.B. NaO₂, KO₃, O₂PtF₆), die aber keine organischen Derivate haben; O₂⁺ hat immerhin ein anorganisches Derivat, nämlich das sehr mäßig stabile Radikal O₂F.
![](https://images.gutefrage.net/media/default/user/15_nmmslarge.png?v=1551279448000)
Deine Überlegungen sind korrekt, aber es geht auch viel einfacher:
Du kannst für jedes Atom die OZ bestimmen, indem du die Struktur zeichnest und die Anzahl der Elektronen von der Hauptgruppe subtrahierst. Dabei gilt, dass alle bindenden Elektronenpaare dem elektronegativeren(!) Atom zugeschlagen werden. Daraus ergibt sich für das Sauerstoffatom:
Hauptgruppe: 6
Freie Elektronenpaare: 2 => 4 Elektronen
Bindende Elektronenpaare: 2 => Da in diesen beiden C-O-Bindungen das Sauerstoffatom elektronegativer als das Kohlenstoffatom ist, bekommt es deren 4 Elektronen in der Rechnung auch.
6 - (4 + 4) = -II
=> Die OZ ist die Ladung, die ein Atom hätte, wenn es ein Ion wäre.