In einem Ether ist das O an zwei C-Atome gebunden. O ist elektronegativer als C oder H, also hat der Sauerstoff in Ethern, Alkoholen und auch im Wasser die Oxidationszahl −II. Wenn Deine Lehrerin etwas anderes behauptet, dann irrt sie oder hat eine Privatdefinition von „Oxidationszahl“.
In die Standard-Methode zur Bestimmung von Oxidationszahlen schreibt man eine Lewis-Formel auf und weist jedes Elektron per Elektronegativität genau einem Atom zu; anschließend zählt man einfach ab und kommt so zur Oxidationszahl. Dieses Schema ist nicht für alle Verbindungen eindeutig machbar, aber bei Ethern liefert sie klaglos −II: O hat zwei lone pairs, das sind schon mal 4 Elektronen, dazu kommen noch vier aus den O–C-Bindungen, die dem O wegen der höheren Elektronegativität zugeordnet werden. Das macht insgesamt acht Elektronen, zwei mehr als im Atom, also −II.
Dein Argument mit der Williamson-Synthese ist korrekt; aber ich weiß nicht, wozu Du es eigentlich brauchst. Immerhin mußtest Du dazu annehmen, daß der Sauerstoff im Alkohol OZ −II hat, und das stimmt zwar, aber jemand könnte es bezweifeln, und was machst Du dann? Außerdem ist Deine Annahme, daß eine nukleophile Substitution keine Oxidationszahlen ändert, nicht notwendigerweise korrekt, z.B.
C¯ᴵᴵH₃Cl + C⁺ᴵᴵN¯ ⟶ C¯ᴵᴵᴵH₃C⁺ᴵᴵᴵN + Cl¯
Grundsätzlich ist Sauerstoff in fast allen seinen Verbindungen an zwei elektropositivere Atome gebunden und hat dann unweigerlich die Oxidationszahl −II. Daran ändert sich auch nicht, wenn stattdessen eine Doppelbindung zu einem elektropositiven Atom vorliegt (z.B. CO₂), oder ein Oxonium-Ion mit drei elektropositiven Bindungspartnern plus einer positiven Ladung, z.B. (CH₃)₃O⁺.
Nur wenige Sauerstoffverbindungen fallen nicht unter diese Beschreibung, einfach deshalb, weil fast das ganze Periodensystem elektropositiver als Sauerstoff ist, und deshalb können nur O–F-Bindungen und O–O-Bindungen aus den Schemata des letzten Absatzes ausbrechen:
- Im OF₂ (Sauerstoffdifluorid) F–O⁺ᴵᴵ–F hat Sauerstoff ernsthaft die OZ +II. Eine höhere ist nicht möglich, weil Sauerstoff nicht hypervalent ist (im Gegensatz dazu bildet Schwefel unter anderem die Fluoride SF₂, SF₄ und SF₆).
- Ein Fluor und ein anderes Element als Bindungspartner ergeben die Oxidationszahl Null, z.B. in HOF (hypofluorige Säure) und organischen Derivaten wie CF₃OF.
- Peroxide enthalten O–O-Bindungen. Der Sauerstoff hat dabei OZ −I wenn die weiteren Bindungspartner elektropositiv sind, z.B. H₂O₂ oder CH₃OOCH₃.
- Im Fall von Disauerstoffdifluorid F–O⁺ᴵ–O⁺ᴵ–F hat Sauerstoff +I, aber ich glaube, davon gibt es keine weiteren Derivate.
- Stoffe mit drei oder mehr O-Atomen in einer Art Kette sind extrem exotisch und extrem instabil, z.B. H₂O₃ mit der Strukturformel H–O¯ᴵ–O⁰–O¯ᴵ–H oder O₄F₂.
- Es gibt noch ein paar schräge Ionen wie O₂¯, O₃¯ und O₂⁺ mit gebrochenen Oxidationszahlen, die in der anorganischen Chemie als Salze vorkommen können (z.B. NaO₂, KO₃, O₂PtF₆), die aber keine organischen Derivate haben; O₂⁺ hat immerhin ein anorganisches Derivat, nämlich das sehr mäßig stabile Radikal O₂F.