Wie wird ein Aktiengewinn mit meinem Hartz IV verrechnet?

7 Antworten

Wenn Du die Aktien mit Gewinn verkaufst, mußt Du dies in jedem Fall dem Jobcenter melden, und der Gewinn wird angerechnet. Dividenden natürlich auch.

Wie Wertsteigerungen der Aktien sozialrechtlich zu bewerten sind, kann ich nicht sagen. Ich vermute aber, daß sich in jedem Fall das Finanzamt dafür interessieren wird.

Bevor Du aus Unwissenheit eine "Bauchlandung" machst, solltest Du die Angelegenheit mit einem Fachanwalt für Sozialrecht erörtern:

https://de.wikipedia.org/wiki/Beratungshilfe

Freibetrag von 801 Euro
meinen Grundbetrag von 458

Woher hast Du diese Zahlen?

und wie ist das mit der abgeltungssteuer, soli, kirchensteuer, etc ... wenn ein aktiendepot wert X hat, ist das ja nicht der gewinn der letztlich aufs konto fliesst bei einem verkauf. da gehen ja im schnitt nochmal 27.5% weg. ??

Ein "Aktiengewinn"? Es gibt "Aktienkurs-Gewinne" und Dividenden. Und Prämien und Sonder-Ausschüttungen und Aktien-Zuteilungen und so weiter.

Beim ALG II (das ist die Sozialleistung, die man erhält nach den Vorschlägen im Paket IV der Arbeitsgruppe, die Peter Hartz geleitet hatte, weshalb diese Leistung fälschlicherweise umgangssprachlich "Hartz IV" genannt wird)

gibt es laut SGB II

  1. § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen 
  2. § 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen  
  3. § 11b Absetzbeträge  
  4. § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen

Aktien und andere Wertpapiere gehören (wie Bargeld, Spargeld, Gold, Gemälde und Immbilien) zu Nr. 4, Vermögen.

Wenn das Vermögen am Markt plötzlich mehr wert ist als gestern, dann ist das kein Zu berücksichtigendes Einkommen,

  • sondern eine Veränderung des Verkehrswerts des Vermögens,
  • genauso wie wenn du für 1,- € in England plötzlich statt 5 Eier plötzlich 6 Eier bekommst, weil der Verkehrswerts des Euros sich verändert hat.

Dazu schreibt SGB II § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen in Absatz 4:

(4) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen.

Wenn du nun ein Vermögen in Form von Aktien von 100,- € besitzt und dazu noch Bar- und Spar-Vermögen von von 3.000,- €, bist du genau am Limit von § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen Absatz 2 Nr. 1:

"(2) Vom Vermögen sind abzusetzen [...]

  1. mindestens aber jeweils 3 100 Euro"

(wenn wir Nr. 4 mal außer Acht lassen).

Wenn deine Aktie nun an der Börse plötzlich statt für deinen Einstandspreis von 100,- für 400,- gehandelt wird, ist das der neue "Verkehrswert" der Aktie.

  1. Wenn diese Änderung "wesentlich" ist, muss dies sofort berücksichtigt werden vom Jobcenter - und du musst es umgehend melden.
  2. Wenn diese Änderung nicht "wesentlich" ist, wird das von dir gemeldet und vom Jobcenter berücksichtigt, wenn dein Weiterbewilligungsantrag für ALG II fällig ist.

Hier läge Fall 1 vor: Du hast 300,- Euro mehr vermögen, als die 3 100 Euro, die du absetzen kannst.

Also musst du zuerst von diesen 300,- € leben, bevor du wieder ALG II erhalten kannst. Bis dahin kannst du aber ALG II als Darlehen erhalten, siehe SGB II § 24 Abweichende Erbringung von Leistungen Absatz 5:

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

Wenn du überhaupt nicht in die Nähe der 3 100 Euro Absetzbetrag kommst, musst du dir überhaupt keine Gedanken machen - auch nicht, wenn du dein Aktien-Vermögen in Bar-Vermögen umwaldest durch Verkauf oder Beleihung deiner Aktien.

Anders sieht es aus bei Prämien, Dividenden und Sonderausschüttungen: Dies ist alles § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen. Davon kannst du § 11b Absetzbeträge Absatz 1 abziehen - Absatz 2 folgende aber nur, wenn du gewerbsmäßig mit Aktien handelst.

Was dann übrig bleibt, mindert deinen Bedarf an ALG II - also auch das Geld, das "Hartz IV" vom Jobcenter, das deine Bedarfsgemeinschaft in dem Auszahlungsmonat der Dividende, Prämie usw. überwiesen bekommt.

Gruß aus Berlin, Gerd

Geol21 
Fragesteller
 28.05.2021, 02:51

Damit ich das richtig verstehe, ich habe sagen wir Aktien im wert von 100€ gekauft. Ich beziehe momentan noch ALG II, diese 100 Euro an Aktien würden nach Monate nun 400 Euro Wert haben. Würde ich diese jetzt verkaufen habe ich einen Gewinn von 300€. Ich besitze kein Spar oder Barvermögen. Dürfte ich diese 300€ dann behalten und/oder muss ich diesen Gewinn melden? Vielen Dank schonmal für deine Antwort!

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GerdausBerlin  28.05.2021, 03:18
@Geol21

Ein Gewinn ist das Ergebnis von gewerblichem Handeln: Einkaufen und für mehr Verkaufen - nach Abzug der Kosten ist der Rest Gewinn.

Wenn du also Daytrader bist und jeden Tag 100 Wertpapiere an- und verkaufst, dann erzielst du einen Gewinn.

Wenn du heute eine Aktie kaufst, weil die Zinsen zu Hause Null sind und auf der Bank auch fast, oder Gold oder ein Gemälde, dann ist das eine Wertanlage = Vermögen, nur nicht in Form von Bargeld oder Spargeld.

Und wenn dein Vermögen an Wert zunimmt, ist das immer noch kein Gewinn. Sondern eine Veränderung des Verkehrswerts.

Melden musst du das dem Jobcenter nur

"Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind": SGB I § 60 Angabe von Tatsachen

Als wenn eine Aktie hochgeht und den Schonrahmen deines Vermögens sprengt - also über 3.100,- € schießt ;-).

Oder wenn du gewerblich mit Aktien handelst, dann ist der Unterschied zwischen An- und Verkauf (abzüglich Kosten) Gewinn in Form von Einkommen.

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Geol21 
Fragesteller
 28.05.2021, 03:31
@GerdausBerlin

Also in meinem Fall müsste ich dann die 300€ Gewinn aus dem Verkauf der Aktien dem jobcenter melden und diese werden dann verrechnet, richtig?

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GerdausBerlin  28.05.2021, 03:38
@Geol21

Nein. Ich hatte zweimal geschrieben, dass Veränderungen des Verkehrswert des Vermögens nur gemeldet werden müssen, wenn sie "erheblich" sind - also wenn sie den Absetzbetrag für Vermögen überschreiten, und der liegt bei dir bei 3.100,- €.

Deine Wertsteigerung ist aber nicht erheblich, und deine Wertsteigerung ist noch kein Gewinn! Und wird auch nie ein Gewinn werden - außer dann, wenn du täglich 20 Wertpapiere kaufst und verkaufst!

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Geol21 
Fragesteller
 28.05.2021, 03:45
@GerdausBerlin

Ja gut, bin nur verwirrt weil jeder andere hier geschrieben hat, dass mein Geld verrechnet wird. Also würden Sie abschließend definitiv sagen können, dass ich die 300 Euro vom Aktienverkauf ohne Probleme abgehen darf? Außerdem danke dass sie sich noch um 3 Uhr so viel Mühe geben mir zu helfen!

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GerdausBerlin  28.05.2021, 03:48
@Geol21

Viele sagen Vieles hier. Viele denken auch, wenn ich meinen uralten Fernseher bei ebay verkaufe, wäre das ein Einkommen. Es ist aber nur eine Vermögens-Umwandlung - von Sach-Vermögen in Barvermögen.

Andere glauben stattdessen, der Verkauf von 100 Socken auf ebay würde noch als "Privatverkauf" durchgehen - was aber schwer ist, wenn man vorher 100 Socken vom Großhändler gekauft hat. Da ist dann der Überschuss ein Gewinn, und damit Einkommen beim Jobcenter, beim Finanzamt und beim Gewerbeamt.

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GerdausBerlin  28.05.2021, 03:58
@GerdausBerlin

Wenn ich allerdings eine Aktie schon mit der Absicht kaufe, sie baldigst mit Gewinn zu verkaufen - also nicht als langfristige Sparanlage -, dann ist das bereits gewerbliches Handeln, spätestens beim Verkauf.

Das wird schon bei der Steuer deutlich: Ein früh wieder verkauftes Wertpapier wird besteuert, nach (früher) einem Jahr hingegen nicht - da gilt es nicht als Spekulation, sondern aus Vermögenssparanlage.

Wie ein Jobcenter den jeweiligen Akt beurteilt, kann man kaum vorher wissen. Im Streitfall entscheidet ein angerufenes Sozialgericht, ob es sich um eine reine Vermögenswertentwicklung oder um einen Spekulationsgewinn handelt.

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GerdausBerlin  28.05.2021, 11:30
@GerdausBerlin

Beim Finanzamt gilt der Verkaufserlös, der über dem Einkauspreis liegt, nicht mehr als einfacher Vermögenszuwachs, sondern als zu versteuernder Spekulations-Gewinn, wenn man eine Immobilie schon innerhalb von zehn Jahren wieder verkauft oder Gold, Gemälde und Antiquitäten schon innerhalb eines Jahres - so wie früher auch Wertpapiere. Das hat sich geändert seit der Einführung der Abgeltungssteuer. Seither "zählen Wertpapiergeschäfte nämlich nicht mehr zu den privaten Veräußerungsgeschäften, sondern zu den Einkünften aus Kapitalvermögen", schreibt diese vertrauenswürdige Quelle.

Daher könnte ein Jobcenter auch dazu neigen, in diesem Vermögenszuwachs ein Einkommen zu sehen, wenn man ihn "durch Verkauf realisiert", wie Rechtsanwalt Michael Kinder 2017 hier erläuterte [Hervorhebungen Gerd]:

Sie müssen daher davon ausgehen, dass der Zufluss von Spekulationsgewinnen nach deren Realisierung durch Verkauf als Einmaleinkommen gewertet wird. Selbstverständlich sind diese Gewinne um eventuelle Steuern und notwendige Ausgaben zu bereinigen.
Gegen eine entsprechende Anrechnung als Einkommen können Sie sich selbstverständlich mit Widerspruch und gegebenenfalls Klage vor dem Sozialgericht wehrenren. Ich halte die Erfolgsaussichten aus den genanntenGründen allerdings für gering.

Aber selbst falls es so schlecht laufen sollte, wäre § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen erst gegeben nach einem Verkauf der Wertpapiere. Und wenn, dann auch erst nach einer Bereinigung des Einkommens um einige der hier genannten § 11b Absetzbeträge.

Eine Pflicht zur vorrangigen (vorrangig vor dem Bezug von ALG II) Verwertung von Wertpapieren durch Verkauf kann es aber erst geben, wenn (zusammen mit sonstigem zu berücksichtigendem Vermögen) die Grenzen der Absetzbeträge in Absatz 2 § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen durch den Verkehrswert der Wertpapiere überschritten werden!

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Grundsätzlich sind alle Einnahmen, dazu gehören auch Zinseinnahmen und Aktiengewinne, dem Job Center zu melden. Diese werden dann mit dem Regelsatz der Bedarfsgemeinschaft verrechnet.

Normalerweise ist jedoch ein 20-prozentiger Anteil, höchstens aber 100 €, anrechnungsfrei, den du dann behalten dürftest.

Geol21 
Fragesteller
 27.05.2021, 20:03

Das heißt beim Regelsatz 900 Euro bei meiner Bedarfsgemeinschaft würde ich bei 1000 Euro Gewinn gerade mal 100 Euro bekommen?

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beerchang  27.05.2021, 20:25
@Geol21

Die Rechnung geht dann so:

Wer zwischen 100 € und 1.000 Euro hinzuverdient, darf davon 20 Prozent behalten, bei 1.000 bis 1.200 Euro sind es noch einmal 10 Prozent zusätzlich.

Grundsätzlich stimmt dann deine Rechnung.

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Bei Verkauf also Realisierung des Gewinns, wird ein Freibetrag von 30 € berücksichtigt und der Rest angerechnet. Du musst die gehaltenen Aktien beim WBA als Vermögen angeben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
beerchang  27.05.2021, 23:55

Strenggenommen hätte das bereits bei der Antragstellung auf auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII erfolgen müssen. Ein gewisses Schonvermögen wird ja eh berücksichtigt, muss allerdings angegeben werden.

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