Worin unterscheidet sich das elisabethanische Theater zu unserem heute?

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  • Anerkennung: Das elisabethanische Theater hatte keinen anerkannten Platz als Kultur- und Bildungseinrichtung, mit einer Überzeugung, es sei Träger wichtiger gesellschaftlicher Funktionen. Es war rein privatwirtschaftlich, ein kommerzielles Unterhaltungstheater, von Behörden drangsaliert oder bestenfalls auf Betreiben des Hofes geduldet.

  • Gesellschaftliche Zusammensetzung des Publikums: Ohne die Masse einfacher Bürger wäre der Betrieb der Theater weder rentabel noch sinnvoll gewesen, ohne Patronage des Hofes und des Adels hätte sich das Theater seiner Gegner nicht erwehren können. Gegner kamen vor allem aus der Mittelschicht, unter anderem gab es dort moralische Vorbehalte.

  • Enge der Platzverhältnisse: Englische Theater galten damals als mächtige und eindrucksvolle Bauten und sie hatten bis zu 3000 Zuschauer, aber sie waren deutlich kleiner als heutige Theater mit gleich viel Zuschauerplätzen. Damals saß das Publikum sehr beengt (einander ellbogennahe).

  • geringere Distanz zwischen Spielfläche und Publikum: Zwischen Spielfläche und Publikum gab es kaum einen Abstand, der die Reaktion verzögerte. Beleuchtung: Die Beleuchtungsverhältnisse waren auf der Bühne und im Zuschauerraum gleich. Es gab keine Möglichkeit zu Absonderung, Hervorhebung einzelner Partien der Spielfläche oder zu Übergängen (von einer Tageszeit der Bühnenhandlung zur anderen). Es wurde in den „öffentlichen Theatern“ (große Freilufttheater) nur bei Tageslicht gespielt.

  • Aufführungszeiten: Es ergingen Verbote, an Feiertagen („Sabbat“) und während der Fastenzeit zu spielen (nicht immer befolgt, erst nach 1600 entschiedener durchgesetzt). In den „öffentlichen Theatern begannen die Aufführungen nachmittags um zwei Uhr.

  • räumlicher Aufbau und seine Auswirkungen: Die Bühne war damals eine offene Fläche, die auf einer Seite von einer Wand begrenzt war. Die moderne Bühne ist ein geschlossener Raum mit einer Öffnung, wie ein Zimmer mit weggelassener Vorderwand. Die Mitspielenden im elisabethanischen Theater wurden nach und nach auf die Bühne gebracht und entsprechend war am Ende entsprechend ein gradueller Abbau des Spielgeschehens erforderlich. Dies führte zu dem zwang, in jeder Szene bei Nullstand zu beginnen und zu enden. Die Einzelszene erhielt so verstärkt den Charakter eines abgeschlossenen Vorgangs.

  • Bühnenbild: Im elisabethanischen Theater gab es weniger Bühnenbild. Anstelle realer Bühnendekoration wurden dann vermehrt Wortdekorationen eingesetzt (zusammenhängende Ortsschilderungen oder – häufiger – über den Dialog verteilte Beschreibung).

  • Regieberuf: Im elisabethanischen Theater gab es keinen Regisseur im modernen Sinn. Der Spielleiter (book-keeper, prompter) war nur mit wenig Autorität ausgestattet. Seine Aufgabe war, das Manuskript des Autors (foul papers) im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten zu bearbeiten, diese Fassung (book) vom Master oft he Revels genehmigen zu lassen (allowed book) und sie durch zusätzliche Regieanweisungen (vor allem die Vorbereitung der Auftritte) für seine Aufgabe als Souffleur praktikabel zu gestalten.

  • Schauspieler: Vor 1660 war ein Auftreten von Frauen im professionellen Theater (von Ausnahmen abgesehen) nicht üblich. Es gab eine Spielkonvention der Knabenschauspieler.

In Büchern gibt es Hinweise. Herangezogen ahbe ich:

Ulrich Suerbaum, Der Shakespeare-Führer. 2., durchgesehene und bibliographisch ergänze Auflage. Stuttgart : Reclam, 2006 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 17663), S. 23 – 38

Helmut Castrop, Das elisabethanische Theater. In: Shakespeare-Handbuch : die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. Herausgegeben von Ina Schabert. 4. Auflage. Stuttgart : Kröner, 2000, S. 72 – 117

S. 115: „Lärm und Rowdytum hat es zuweilen ähnlich wie in den privaten Theatern gegeben. Die meiste Zeugnisse sprechen jedoch von der großen Disziplin, Aufmerksamkeit und Stille, die im Theater herrschte und in der nur das Nüsseknacken als störendes Geräusch empfunden wurde. Wer sich austoben wollte, ging eher zur Bärenhatz oder in Wirtshaus. Die Klagen der Dichter richten sich weniger gegen »groundlings« als gegen die kleinen Gruppen der unintelligenten, aber lauten Plebejer und Spießer sowie gegen die blasierten und kritikwütigen Galane. Natürlich reagieren die Zuschauer in diesem Theater, das noch wesentlich als Gemeinschaftsleistung empfunden wurde, weniger distanziert als in der Folgezeit. Tränen, dröhnendes Gelächter, Zischen und enthusiastischer Beifall gehörten zu den üblichen Reaktionsweisen.“