Wie kommen Menschen mit einer auditiven Hörverarbeitungsschwäche im Berufsleben und auf der Arbeit zurecht?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Klingt vielleicht blöd, aber ich lebe einfach damit. Ich kenne es ja auch nicht anders, da ich schon immer so gehört habe. Wüsste ich nicht, dass meine Art zu hören falsch/anders ist, würde ich das ja gar nicht hinterfragen und für normal halten.

Was mir viel geholfen hat ist, dass meine Eltern mich früh haben ein Intrument spielen lassen und ich das auch meine gesamte Schulzeit über gemacht habe (unterschiedliche Instrumente). Lange bevor sie wussten, dass mit meiner Hörverarbeitung was nicht stimmt. Das hat das Gehör und auch die Verarbeitung gefördert, viele Ärzte waren überrascht wie wenig mich das im Alltag einschränkt (gerade als Erwachsene), obwohl meine Störung eigentlich relativ stark ist. Also wenn man mein Können mit dem Vergleich, was man bei den Testergebnissen zu erwarten wäre.

Es hieß auch immer als Kind ich könne nie in einem Großraumbüro arbeiten, da zu viele Störgeräuche und sollte mein Jobwünshe entsprechend planen. Wo bin ich gelandet: Im Großraumbüro. Ja, das ist nicht immer einfach, gerade wenn man dort Gesprächen folgen oder konzentriert arbeiten will, denn ich kann unter anderem keinerlei Geräuche ausblenden wie es ein normaler Mensch machen würde, aber ich habe gelernt damit zu leben und da ich den Job machen möchte, ist das eben so.

Manchmal bin ich dann abends davon erschöpft und froh, wenn es zu Hause totenstill ist, aber nach wenigen Minuten ist es dann auch wieder ok und er Alltag geht weiter. Ebenso arbeite ich wo möglich gerne zu Randzeiten, wo weniger Kollegen im Büro sind, so bin ich oft die letzte die abends geht. Gleich zwei positive Effekte, weniger Lärm im Büro und weniger störende Anrufe da viele andere Abteilungen ebenso schon im Feierabend sind.

Die meisten meiner Kollegen wissen auch gar nicht, dass ich ein Hörproblem habe und erst recht nicht, wie stark eigentlich. Zur Not frage ich eben einfach noch mal nach und konzentriere mich auf die Antwort, oft reicht das schon. Ich halte es nun nicht aktiv geheim, aber gerne drüber reden tue ich auch nicht, weil ich weiß, dass das Nachteile für michhaben kann.

Im normalen Alltag kommt es manchmal vor, dass es zu laut ist, damit kann meine Familie und engen Freunde umgehen. Beispielsweise während Corona mit Maske im Supermarkt einkaufen, viel zu laute Musik im Hintergrund, viele laute Menschen, rascheln und klackern von Packungen, schleifende Einkaufswagen usw. und dann durch Masken leider undeutlichere Sprache, da war für mich akustisch dann oft Ende. Zumal mit mini Lippenlesen + Mimik und aus Wortfetzen Wörter erkennen da dann nicht mehr helfen konnten, da Lippen und großer Teil der Mimik nicht sichtbar und Wortfetzen zu verschommen mit dem Rest. Da mussten sie mir dann eben schreiben was sie wollen oder die die können etwas Zeichensprache.

Oder als ich mit Freunden auf dem Konzert war, da hab ich dann als ich Getränke holen wollte schnell mein Handy rum gegeben damit jeder mit Namen schreiben kann was er möchte. Da war es auch zu laut, um reden zu können. Aber dafür konnte ich dann näher an die Boxen wo mand en Bass richtig spürt, verstanden hätte ich auch 10m eh nichts von Gesprächen, selbst wenn die Person neben mir mich anschreit... Vorteil daran: ich wusste durch das schriftliche auch nach ewig anstehen am Getränkestand noch, welche Getränke ich wie oft brauche und wer was bekommt. Den Leuten am Wagen habe ich auch einfach das Handy gezeigt mit der Bestellung, dann schon auf Anzahl zusammen geschrieben für sie und das Geld passend geben, kein Grund zur weiteren verbalen Kommunikation bei dem Lärm. Und ganz ehrlich, in der Zeit muss man auch nicht zwingend mit meinen Freunden reden, davor und danach bleibt genug Zeit dafür.

Ich habe Probleme aber schon immer als Anreiz gesehen um Lösungen zu finden. Mit einem "kann ich nicht" wolle ich mich auch als Kind selten zufrieden geben, egal ob es ums Gehört oder andere Dinge ging. Gerade da ich die Jüngste von mehreren Geschwistern bin, da habe ich oft die Älteren nachgemacht und wollte die Dinge auch können und dachte es läge einfach um jünger sein, wenn ich Dinge (noch) nicht so gut konnte.

Denn zusätzlich habe ich noch Legasthenie, vermutlich erblich da in unserer Familie gehäuft (die anderen hören normal), die Kombi aus Problemen mit Schrift und schlecht hören hat es als Kind nicht gerade einfach gemacht. Da gab es gerade in der Grundschule oft Frust, da mussten meine Eltern und Lehrer dann mit durch.

Aber ich hatte früh das Ziel mein Bestes zu geben und es zu versuchen. Wenn es gar nicht geht ok, aber vorher aufgeben oder gar nicht erst versuchen kam für mich oft nicht in Frage. Zudem auch wenn man scheitert einschätzen ob es Sinn ergibt weiter zu machen und dann immer wieder probieren.

Mein Studium habe ich letztlich sogar kompeltt ohne Nachteilsausgleich durchgezogen, weil ich das für mich so wollte. Ich wollte kein "ja, für deine Behinderungen ist das Ergebnis gut", sondern ein "dein Ergebnis ist gut", auch wenn es für mich dadurch vermutlich schwerer war als für eine vergleichbare gesunde Person.

Aber hier kommt eben wieder einleitende Punkt zum vorschein: ich kenne ja nur meine Welt, weiß also nicht wie viel einfacher es evtl. hätte sein können.

Und jeder den ich kenne hat irgendwelche ganzen Probleme, jeder muss irgendwie seinen Weg finden. Ich eben mit meinen Problemen.

Ich lebe also einfach mein Leben, so wie ich es möchte, mit dem Job der mir Spaß macht. zudem hat mich alldas ja zu dem Menschen gemacht der ich heute bin, wer weiß wo ich gelandet wäre wenn ich es "immer einfach" gehabt hätte.

Zudem muss man manchmal auch einfach realistisch sein und einsehen, dass man nicht alles haben kann, egal wie sehr man möchte und es probiert. Da muss man dann auch lernen abschließen zu können und weiter zu machen.

Von daher mein Rat: Jeder Fall ist anders, aber prüfe genau wo deine Grenzen sind und warum und schaue, ob du dafür Lösungen finden kannst. Gerade beim Thema Job ja möglichst ohne Mehraufwand für den Arbeitgeber.

Wenn du im Kommentar unter meiner Antwort ein wenig beschreibst wie es bei dir ausgeprägt ist, welche Berufe dir vorschweben und welche Schwierigkeiten du da siehst, kann ich dir evtl. ein paar Tipps geben wo ich Möglichkeiten zur Verbesserung sehe.