Welche Ursachen hat es, dass Gestik in manchen Ländern (z. B. Italien) sehr viel gebraucht wird, in anderen (z. B. Irland) sehr wenig?

7 Antworten

Das ist eine Sache des Temperaments.

Ganz pauschal gesprochen ist man in Südeuropa temperamentvoller. Man spricht häufig lauter, wartet nicht immer ab, bis der andere ausgeredet hat, um darauf zu reagieren. Da man nicht abgewartet hat, hat man vielleicht nicht richtig verstanden, was der andere sagen wollte. Während man selbst nun "loslegt", aber nicht passend auf das reagiert, was der andere nur angefangen hat, möchte der nachlegen und wartet natürlich auch nicht ab. Nun quatschen also beide gleichzeitig und müssen natürlich lauter werden. Jetzt schaltet sich noch ein Dritter ein, dann ein Vierter. Das wäre wahrscheinlich für einen Isländer, Irländer oder Norweger das perfekte Chaos, bei dem er verrückt werden würde, hätte er nicht die Möglichkeit, sich still in eine Ecke zu verziehen und abzuwarten, bis die "Anfälle" der südeuropäischen Diskutanten vorüber wären. Die 4 Leute, die sich da so lautstark unterhalten, nehmen gern zur Unterstützung noch die Hände und Arme dazu, treten vor und zurück, reißen die Augen auf, schütteln den Kopf, nicken zustimmend, schlagen sich vor die Stirn und dem anderen bestätigend oder ermunternd auf die Schultern. Sie verstehen sich bei all dem prächtig. Die Lautstärke hat sie weder aggressiv noch müde gemacht. Sie sind das nämlich schon von Kind auf gewöhnt.

Nordeuropäer sind da etwas oder sehr viel bedächtiger. Manche sind auch wortkarger. Bevor sie etwas äußern, haben sie darüber nachgedacht, was sie sagen wollen. Und wenn sie das dann endlich auch tun, dann erwarten sie selbstverständlich, dass man sie nicht einfach unterbricht. Sie reden nämlich nicht einfach nur lauter weiter, sondern verstummen, sobald ein anderer zu sprechen beginnt. Eigentlich ist das ja auch logisch - warum sollten sie weiterreden und Perlen vor die Säue werfen, wenn doch niemand zuhört? Wie sie beim Reden und Argumentieren bedächtiger sind, so ist auch ihre Gestik und Mimik spärlicher - bis hin zu einem völlig gleichmütigen Blick, bei dem man sich vielleicht fragt, was hinter dieser ruhigen Fassade wohl für Stürme toben mögen.

Wenn man von klein auf gewöhnt ist, dass die Menschen meistens ruhig miteinander umgehen, dann verhält man sich normalerweise auch so. Umgekehrt gilt natürlich auch: Wenn man in einer lebhaften und lauten Umgebung groß wird, dann kann man nur überleben und sich Gehör verschaffen, wenn man eben auch laut ist.

Ich habe meine Bilder zwar vielleicht etwas überzeichnet, aber von der Idee her kommt es, glaube ich, schon ungefähr hin.

Nenn es Temperament, aber hier ist Gestik einfach Teil der Sprache. Teilweise kann man sich völlig non verbal damit auf etwas einigen, kann diskret irgendwelche Signale senden.

Zum Beispiel telefoniert der Kollege seit einer Stunde nur 5 Minuten mit seiner Mutter und man will, ohne durchs Telefon hörbar zu sein, signalisieren, dass er aufhören soll. Ich glaube in Deutschland rollt man da einfach nur mit den Augen, während wir hier Faust ballen oder die Schere machen, je nach Dringlichkeit.

Man kann in der Situation auch völlig nonverbal sagen "beeil dich, ich hab Hunger, lass uns gehen".

Verstehe gar nicht, wie man ohne diese Art Kommunikation überleben kann 😂

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit 2010 in Italien

Laienmeinung: Ich vermute, dass das Gestikulieren mehr mit der Kultur zu tun hat, damit, ob man lebhaft oder eher zurückhaltend redet. Vielleicht auch damit, was als normal und höflich empfunden wird.

Ich glaub nicht, dass es nur um Temperament sondern auch um Temperatur geht. In kälteren Ländern wie Irland oder auch Skandinavien, lässt man die Hände eben lieber in den Taschen weil es einen großen Teil des Jahres kalt ist. In Italien ist es dagegen nie so kalt, dass das nötig ist. Klar, inzwischen verbringen die Menschen die meiste Zeit drinnen, wo es egal ist, aber früher war das anders und solche kulturellen Eigenheiten ändert man ja nicht mal eben. Ein Argument für meine These: in Nordschweden gibt es Menschen, die statt "ja" zu sagen ein Geräusch machen, als würden sie Luft einsaugen. Meine schwedische Donzentin hat das so erklärt, dass die Leute dadurch den Mund nicht so weit aufmachen müssen und dementsprechend nicht so viel kalte Luft abkriegen.

https://www.youtube.com/watch?v=URgdIAz4QNg&t=5s