Was ist der Inhalt dieses Gedichtes von August von Platen?

2 Antworten

Nach dem Ende komme ich noch auf den Anfang des Gedichts zu sprechen:

Es sehnt sich ewig dieser Geist ins Weite,

Die Heimat ist dem lyrischen Ich zu eng geworden, vor allem offenbar seinem Intellekt (Geist), mutmaßlich auch seinem Forschergeist:

Und möchte fürder, immer fürder streben:

Denn er möchte fürder = weiter (engl. „further“, dt. „weiterhin“ = „fürderhin“) kommen, mehr von der Welt sehen (als die Enge und das Immergleiche seiner Heimatstadt, seines Dorfes) – aber metaphorisch sicher auch eine weitere Welt, die nicht so engstirnig ist wie die Bauern seiner jetzigen Umgebung. Streben = anstreben = irgendwo hinkommen oder auch etwas erreichen, etwas (er)schaffen, beides.

Nie könnt’ ich lang an einer Scholle kleben,

Scholle = Acker, Boden, der bebaut wird mit Obst und Gemüse. „an der Scholle kleben“ = fester Ausdruck für konservativ, erdverbunden, heimatverbunden sein; Trachtenverein, Schützenfest statt großes Theater, Oper, Museen in der Großstadt!

Und hätt’ ein Eden ich an jeder Seite.

Eden ist der Garten Eden, ein poetischer Ausdruck für das Paradies, das wir angeblich hatten vor dem Sündenfall am Anfang der Bibel.

Aber eben auch ein Garten, also fruchtbares Land links und rechts von ihm, von seinem jetzigen Haus,

aber das alles würde ihn nicht hier halten auf der alten Scholle, auf dem alten Acker, besagt der Konjunktiv „hätt‘“.

 Mein Geist, bewegt von innerlichem Streite,

Aber er ist sich nicht sicher, seine Überlegungen schwanken, auch das Ergebnis seiner Abreise, seines Wegzugs ist nicht überzeugend, denn ...

Empfand so sehr in diesem kurzen Leben,

Wie leicht es ist, die Heimat aufzugeben,

 Allein wie schwer, zu finden eine zweite.

... denn es ist schwer, woanders eine neue, eine zweite Heimat zu finden, in der man auch so beheimatet ist wie in der ersten, der alten, engen Heimat.

Man findet dort nicht so leicht Freunde wie die alten daheim, man findet oft nicht denselben inneren Bezug zur neuen Gegend wie den, den man zur alten Gegend, zur alten Heimat hatte usw.

Vergleiche dazu Neil Diamond, „I am ... I said“ (oder auf YouTube, auch mit Text):

Well, I'm New York City born and raised
But nowadays, I'm lost between two shores
L.A.'s [Los Angeles; Gerd] fine, but it ain't home
New York's home, but it ain't mine no more

Gruß aus Berlin, Gerd

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Journalist, Buchautor, Dichter, wissenschaftlicher Lektor

heyhoallesgut 
Fragesteller
 29.01.2021, 15:08

Sie sind ein Held, danke!!!

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Was auch immer sehr interessant ist, ist der Hintergrund des Sonetts. Sonette sind eine Form der strengen Regelpoetik mit vorgeschriebenem Metrum und Strophen- sowie Zeilenanzahl. Sie wurden im Barock besonders gern verwendet, da sie einen starken Kontrast zum historischen Kontext boten. Damals waren Krieg und Armut die vorherrschenden Zustände. Die Menschen suchten Ordnung - und fanden sie in der Literatur. Sonette werden also meist von den Autoren als Flucht aus der Realität benutzt. Allerdings werden sie teils auch ironisiert. Vielleicht hilft dir das weiter.