Warum haben viele Menschen Angst oder Scheu davor, dass andere sie nackt sehen?

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Das ist ein Thema, mit dem auch ich mich beschäftige seit ungefähr einem Jahr. Es gibt auch Literatur dazu, aber der Affekt Scham ist noch eher unerforscht.

Richtig ist es natürlich, dass die jeweiligen Sitten dazu wie auch immer gesellschaftlich vermittelt werden. Sehr fraglich scheint mir aber die These, dass damit alles erklärt sei.

Richtig ist wohl auch, dass der Mensch ohne Sexualscham geboren wird. Ebenso richtig ist aber, dass fast alle Menschen sie im Laufe der ersten Lebensjahre entwickeln, nicht erst mit der Pubertät. Das ist selbst dann der Fall, wenn die Erziehung dagegen hält.

Ich gehe also davon aus, dass die Disposition dazu dem Menschen angeboren ist - wie die Dispositionen für die anderen Affekte auch.

Selbst Kinder, die auf dem FKK-Gelände (Ich besuche es regelmäßig) quasi aufgewachsen sind, werden plötzlich schamhaft, wenn die Pubertät beginnt. Sowohl der subjektive wie der objektive Grund scheint mir zu sein, dass ihre Geschlechtsreife eben noch unvollständig ist 

Dass ein zehnjähriges Mädchen schon schwanger werden kann, ist heute nichts Ungewöhnliches. Wenn es das aber tatsächlich wird, kann es das Kind nicht auf natürliche Weise zur Welt bringen, weil das Becken noch viel zu eng ist. Ohne ärztliche Hilfe müssten Mutter und Kind sterben. Aufgrund dieser Gefahr (die beim Tier ja nicht besteht) ist es beim Menschen für die Erhaltung der Art nützlich, dass Mädchen in diesem Alter besonders schamhaft sind.

Jungen in dem Alter sind es auch, aber weniger stark und aus einem anderen Grund, wohl eher, weil sie sich minderwertig fühlen gegenüber erwachsenen Männern.

Ein (wohl eher untergeordneter) Grund dafür ist die Kleinheit ihres Penis. Ein anderer ist eher phylogenetisch: Wenn der Affenknabe mit errigiertem Phallus herumläuft, wird er vom Oberaffen als Konkurrenz wahrgenommen und riskiert vom Oberaffen zwar nicht die Kastration, aber Prügel. 

Tatsächlich gibt es Sexualscham auch bei wild lebenden Schimpansen. Wenn zwei jugendliche Affen kopulieren, dann tun sie es heimlich und im Gebüsch, um nicht Prügel vom Oberaffen zu beziehen, der das Mädchen ja eigentlich selbst begatten möchte.

In einer geeigneten Umgebung wie dem FKK müsste nach der Pubertät diese Art von Scham eigentlich vorübergehen. Das tut sie allerdings nicht; auch dort ist es keineswegs gute Sitte, mit erigiertem Phallus herumzulaufen. Im kleinen Kreis einer WG ist das schon eher möglich, wird aber von den jungen Damen auch dort nicht gern gesehen.

Dass Männlein und Weiblein eine etwas andere Einstellung zu Sexualität haben, scheint mir dann doch eine angeborene Disposition zu sein. Die Rolle des Hormons Testosteron dabei bestreite ich natürlich nicht. Aber ich bin gespannt auf die weiteren Forschungsergebnisse.


Kajjo  04.05.2017, 15:51
  • Ich halte die Theorie, dass Sexualscham angeboren ist, für haltlos. Ich bin im Gegenteil fest überzeugt, dass sie rein anerzogen ist durch das soziale Umfeld.
  • Ich bin auch unter FKK-Bedingungen (Ostsee-Campingplatz) aufgewachsen und habe dort keinerlei Sexualscham gezeigt, jedoch mit Kindern, die sich selbst schamvoll verhielten, mich teilweise gefühlsmäßig angepasst. Kinder wachsen ja nie ausschließlich "schamlos" auf, sondern erleben im Umfeld, in den Medien, in Kindergarten Schule, Umkleiden und so weiter durchaus auch anderes Verhalten. 
  • Sozialadäquates Verhalten bedeutet eben auch situationsadäquates Verhalten -- am FKK-Strand kann man auch als Heranwachsender selbstsicher und ohne Scham sein, während man in der Schulumkleide sich durchaus der Blicke und Einschätzungen der Mitschüler bewusst ist. Nackt am Strand ist eben auch was anderes als nackt irgendwo anders.
  • Sicher ist, dass die Möglichkeit zur Empfindung von Scham angeboren ist und entsprechende physiologische und psychologische Reaktionen vorangelegt sind. Die Erziehung und das Umfeld regeln dann, in welchen Situationen man Scham empfindet.
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Ottavio  04.05.2017, 16:10
@Kajjo

Ich habe nie behauptet, Sexualscham sei angeboren. Ich habe behauptet, die Disposition dazu sei angeboren. Allerdings ist eine Disposition in der Tat mehr als eine reine Möglichkeit. Die Vorstellung, dass sie rein anerzogen sei durch das soziale Umwelt halte ich für eine Illusion. Es ist sehr schwierig, sie abzuerziehen und misslingt oft.

Ich sage nicht, dass es eine gefährliche Illusion ist. Aber es ist uns beiden wahrscheinlich bewusst, dass wir die Debatte hier nur stellvertretend führen für eine, die heute die Wissenschaftswelt spaltet. Eine ganz gefährliche Illusion ist es, zu meinen, alles (!), was Männer und Frauen unterscheidet, sei "rein anerzogen durch das soziale Umfeld".  Diese Illusion führt zu völlig falschen Erwartungen an das andere Geschlecht (ich sage bewusst nicht "gender"), die in bitteren Enttäuschungen enden müssen und es also auch tun.

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Mh, also meine Eltern beispielsweise laufen zu Hause nur nackt rum. Ich bin jetzt ausgezogen und laufe zu Hause auch nur nackt rum, aber ich habe trotzdem ein Problem damit mich vor anderen nackt zu zeigen.

Also, Erziehung ist da scheinbar jetzt nicht der richtige Gedanke.

Ich weiß nicht, ich schäme mich halt auch für bestimmte Teile meines Körpers. Finde manches zu dick oder zu dünn, der Penis könnte auch größer sein (gerade im schlaffen Zustand ist er ja meistens noch ganz klein und wenns kalt wird nooooch kleiner :D) und das möchte man ja auch nicht unbedingt so zeigen.

Also, ich denke immer, wenn ich einen Körper wie Brad Pitt mit einem Riesenommel hätte, dann würde ich auch gern öfter nackt sein, habe ich aber leider beides nichts, also behalte ich die Klamotten außerhalb der Wohnung lieber an. :D

Ein Fakt, es ist eine Sache der Gedanken. na zb am Strand im Bikini ganz normal, aber in Unterwäsche wo auch nich mehr oder weniger gesehen wird kommt das iiii, äh Schamgefühl. Ein weiterer Punkt ist, einfach nackt weils einfach angenehm ist, wird oft sehr schadhaft von anderen Menschen als sexuelles im Hintergrund ausgelegt. Simples Beispiel, google FKK und man landet auf Seiten mit sexuellem. Religion und Erziehung vermitteln Nacktheit oft als Schande und ähnlich, das fließt mit ein. Der natürliche Umgang mit Nackt wird somit sehr oft falsch dargestellt. Es ist eine Art Schutzinstinkt des Körpers, das zumindest die Zeit wo der Körper sich verändert, die meißten Menschen den Drang dazu haben auf keinen Fall nackt gesehen werden zu wollen. Genau deswegen das andere Menschen das nackt sein als negativ betrachten, haben auch viele die es einfach probieren wollen nackt zu sein, machen würden, zu viel Angst davor und verkneifen sich das lieber.


Das mag wohl stark an dem Umgang in z.b. der Familie mit solchen Themen liegen und wie man mit so etwas aufgewachsen ist...

Andere würden sich das niemals trauen.

frag die, die sich nicht trauen, einfach selbst................