War in den 60er Jahren der Holocaust noch großes Thema?
Oder hat die Bevölkerung dieses Thema eher verdrängt und die Aufarbeitung und das sich damit Auseinandersetzen kam erst später?
Weil in den 60er Jahren ging es ja wieder Bergauf und ich kann mir gut vorstellen das man sich mit so einem schrecklichen Thema nicht näher beschäftigen wollte.
4 Antworten
Andersrum!
In den Jahren nach dem Krieg gab es andere Sorgen und man hatte keine Zeit und wollte es vielleicht auch nicht aufarbeiten. Verdrängung und Vermeidung war das große Stichwort. Als sich die Gesellschaft wieder soweit im Griff hatte, die Wirtschaft lief und der Wiederaufbau fast fertig, fand man Zeit die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Zwischen 1963 und 68 liefen bei uns die großen Auschwitzprozesse, die alles wieder ans Tageslicht brachten und die wesentlich für die 68er-Revolten verantwortlich waren. Denn die Jungen erkannten, dass man nach 45 nichts aufgearbeitet hatte und alle Nazis immer noch im Dienst waren. ("Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren")
Seit dem gab es immer wieder Prozesse gegen Beteiligte am Holocaust, hier bei uns, in Österreich, in Israel, Polen usw.
Damals war es Massenmord. Den Begriff kannte man nicht. Hin und wieder in den Zeitungen, weil einzelne Täter gesucht und manche auch gefunden wurden. Wir hatten zuhause eineTageszeitung, Radio und einen TV der ja außer am Wochenende nur abends ein Programm brachte. Soviele Möglichkeiten gab es nicht wie heute sich zu informieren und die wöchentliche Arbeitszeit waren 48 Stunden.
Ich denke, da gab es dann eher zum ersten Mal richtige Diskussionen darum. Bis dahin hat man das Thema eher verdrängt und totgeschwiegen. In den 1960er Jahren begannen dann aber die Ausschwitzprozesse.
Mit größerem zeitlichen Abstand und einer bereits teilweise jüngeren aktiven Generation könnte man sich an das Thema heranwagen.
Ich glaube den Begriff hat es bis mitte 1950 garnicht gegeben und damals konntest du ja auch nicht einfach mal eben googeln. Da gab's nur Bücher, Fernsehen und Radio. Und die Leute damals wollten das warscheinlich auch vergessen und viele haben das bestimmt garnicht mitbekommen, die hatten ihre eigenen probleme.
Das Wort Holocaust wird seit 400 Jahren für Menschenverbrennungen verwendet. In der Antike (griech. holo = vollständig, caustus = verbrannt) wurde es für Tieropfer gebraucht. Eine britische Zeitung brachte das Wort in Zusammenhang mit dem Vernichtungsplan der Nazis für die Juden bereits 1942.
Dennoch wurde in Deutschland nach dem Krieg eher von Massenmord, Judenvernichtung oder Judenmord gesprochen. Das Wort fand über die TV-Serie "Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß" 1978 Eingang in den deutschen Sprachgebrauch.