Problemanalyse Unterm Rad; Leistungsdruck?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Na na na …. Das sieht ja wieder einmal nach Hausaufgabe aus !

Aber trotzdem – ich werde die Punkte anschneiden. Dann mußt du dir ein bißchen Mühe geben, die Formulierung auszuarbeiten. Mir ist klar, daß dieses Werk nicht so einfach zu umschreiben ist, da ich es kürzlich wieder einmal mir vorgenommen hatte – aus anderen Gründen, als den hier gestellten Fragen.

Eine komprimierte Darstellung des Buches kannst du hier in GF selbst lesen:

http://www.gutefrage.net/frage/beziehung-zu-emma-in-hermann-hessess-unterm-rad#answer33739373

es geht dort im Grunde um Ego-Bewußtsein der Menschen allgemein. Wie sie alle dieses Kind letztendlich nur für ihre eigenen Zwecke mißbrauchen, und wie ihnen nicht bewußt wird, daß das Kind darunter leidet. Es geht hier um eine unbewußte Gewaltanwendung gegenüber Schutzbefohlener.

In jeder Stufe der Entwicklung von Hans gibt es Menschen, die durch ihn sich selbst einen Vorteil zu erzielen suchen. Sie benutzen Hans für ihre persönlichen Ziele. Subtil fängt es in der Schule an, als sie ihn zum Landexamen in die Hauptstadt schicken. Er soll dort für Ruhm und Ehre sorgen, welche dann auf sie, als Lehrer und Förderer, zurückfallen wird.

So können sie sich mit fremden Federn schmücken, und sich im Ruhm dieses Kindes aalen. Diese Menschen nutzen die natürliche Wißbegierde des Kindes schon fast schamlos aus, als sie ihm noch seine Freizeit mit Lernen zu versüßen suchen. Dieses Schauspiel schildert Hesse perfekt, und doch enthält er sich beim Schreiben der offensichtlichen Kritik,

Das hierbei die Gesundheit des Kindes anfängt, ins Wanken zu geraten, kümmert die Oberen wenig. Ihnen geht es um das unbedingte Gelingen der Prüfung beim Landexamen, und dafür gehen sie auch – über Leichen. Niecht nur diese Herrschaften scheinen sich über den Gesundheitszustand von Hans keinerlei Gedanken zu machen, sondern auch die Bevölkerung sonnt sich im Erfolg dieses Knaben, ohne über die Hintergründe des erzielten Erfolges Gedanken zu machen.

Ohne Skrupel schickt man den Jungen nach Maulbronn in die Klosterschule, damit er dort sein Werk vollendet, welches diese Herren der Bildung bereits begonnen und geplant hatten – natürlich NUR zum Wohle des Kindes. Was sich aber dann im Kloster anzubahnen beginnt, damit hatten diese Herren nicht gerechnet. Hans kommt in der Klosterschule zur Besinnung.

Auch dort erscheinen diese Herrschaften, welche sich über die Kinder zu profilieren suchen, indem sie ihnen das Wissen täglich als Köder unverhohlen anbieten. Bereits schon in diesem zarten Alter wird auf Ruhm und Ehre viel Wert gelegt, doch die meisten Kinder bemerkten dieses Spiel noch nicht.

Laufend werden über die Kinder hinweg Entscheidungen getroffen, welche zwar nur sie betreffen, doch ein Mitspracherecht wird ihnen nicht eingeräumt. Und genau diese offensichtlichen Manipulationen nimmt Hesse zum Anlaß, diesen Mißstand des Öfteren in seinen Werken klar zum Ausdruck zu bringen.

Jetzt wird auch verständlich, warum Hans Giebenrat und Hermann Heilner in der Klosterschule anfingen, der Lehrerschaft aufzufallen. Sie machten sich ihre eigenen Gedanken, und diese verbreiteten sie auch unter ihren Mitschülern. Diese beiden Schüler waren aufgewacht, und sie begannen, dieses subtile Spiel der Lehrer zu durchschauen.

Zwar waren die gründe, warum beide das Kloster verließen unterschiedlich, doch beide konnten es nicht länger an dieser Stätte aushalten, ohne zugrunde zu gehen. Hesse schildert nur den Weggang von Hans, wie Heilner diesen Ort für immer verlassen hatte, bleibt im Dunkeln. Und von da an ging es Hans zunehmend schlechter, was seinen Gesundheitszustand betraf.

Ein Kind wird in den Mühlrädern der Bildung zermalen, und ein Wrack kommt an seine alte Wirkungsstätte als Versager zurück. Ein Drama mit vielen Akteuren. Das Drehbuch wird gespielt, ohne den Sinn zu hinterfragen. Das Experiment ist mißglückt. Natürlich muß es auch hierbei einen Schuldigen geben. Wie sonst könnte dieses naturbegabte Kind jemals scheitern?

Das Interesse an diesem ehemaligen Wunderknaben war wie weggeblasen, als ob es niemals bestanden hätte. Hans wurde zunehmend ignoriert. Ihm haftete der Geruch eines Versagers an. Seine Stadt hatte ihn fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel, nachdem er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte – und auch nicht mehr wollte.


kypros  26.03.2012, 04:01
Zum Buch:

Die speziellen Zeilen- und Seitenangaben kenne ich nicht, da ich keine Buchversion vorliegen habe. Konzentriere dich auf die Schulzeit, wie die einzelnen Fachlehrer ihn zu ködern suchen, um ihn in ihrem Fach auszubilden. Da wäre ein Gespräch mit dem Schulleiter, der ihn in den Ferien aufsucht, um ihn – nur ein paar Stunden – zu unterrichten.

Dann der Religionslehrer, welcher Latein, Hebräisch und Griechisch dem Kind versucht, schmackhaft zu machen. Doch auch der Mathematiklehrer ist mit von der Partie, wenn es darum geht, dem Knaben das Wissen einzupauken. Und genau diese Herrschaften waschen im Nachhinein ihre Hände in Unschuld.

Dann kommt die Zeit im Kloster. Dort wird das Schauspiel noch verfeinert. Lese die Unterhaltungen zwischen Giebenrat, Heilner und den anderen Mitschülern. Nimm diese Texte, in denen der Lehrer Hans regelrecht demütigt. Da sind einige Passagen ausführlich beschrieben. Und dann noch das Gespräch zwischen Hans und dem

Achte besonders auf die Unterhaltungen zwischen Hans und dem Schustermeister Flaig. Diese Dialoge sind sehr aufschlußreich. Selbst das Gespräch am Ende des Buches zwischen Flaig und dem Vater Giebenrat ist sehr – sehr aufschlußreich.

TEXT: im Internat Maulbronn

Die Lehrer aber sahen mit Schrecken den bisherigen tadellosen Schüler Giebenrath in ein problematisches Wesen verwandelt und dem schlimmen Einfluß des verdächtigen Heilner unterlegen.

Vor nichts graut Lehrern so sehr wie vor den seltsamen Erscheinungen, die am Wesen früh entwickelter Knaben in dem ohnehin gefährlichen Alter der beginnenden Jünglingsgärung hervortreten. An Heilner war ihnen ohnehin von jeher ein gewisses Geniewesen unheimlich - zwischen Genie und Lehrerzunft ist eben seit alters eine tiefe Kluft befestigt, und was von solchen Leuten sich auf Schulen zeigt, ist den Professoren von vornherein ein Greuel.

Für sie sind Genies jene Schlimmen, die keinen Respekt vor ihnen haben, die mit vierzehn Jahren zu rauchen beginnen, mit fünfzehn sich verlieben, mit sechzehn in die Kneipen gehen, welche verbotene Bücher lesen, freche Aufsätze schreiben, den Lehrer gelegentlich höhnisch fixieren und im Diarium als Aufrührer und Karzerkandidaten notiert werden.

Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner. Wer aber mehr und Schweres vom andern leidet, der Lehrer vom Knaben oder umgekehrt, wer von beiden mehr Tyrann, mehr Quälgeist ist und wer von beiden es ist, der dem anderen Teil seiner Seele und seines Lebens verdirbt und schändet, das kann man nicht untersuchen, ohne mit Zorn und Scham an die eigene Jugend zu denken.

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kypros  26.03.2012, 04:02
@kypros

Doch ist das nicht unsere Sache, und wir haben den Trost, daß bei den wirklich Genialen fast immer die Wunden vernarben und daß aus ihnen Leute werden, die der Schule zu Trotz ihre guten Werke schaffen und welche später, wenn sie tot und vom angenehmen Nimbus der Ferne umflossen sind, anderen Generationen von ihren Schulmeistern als Prachtstücke und edle Beispiele vorgeführt werden.

Und so wiederholt sich von Schule zu Schule das Schauspiel des Kampfes zwischen Gesetz und Geist, und immer wieder sehen wir Staat und Schule atemlos bemüht, die alljährlich auftauchenden paar tieferen und wertvolleren Geister an der Wurzel zu knicken. Und immer wieder sind es vor allem die von den Schulmeistern Gehaßten, die Oftbestraften, Entlaufenen, Davongejagten, die nachher den Schatz unseres Volkes bereichern.

Manche aber - und wer weiß wie viele? - verzehren sich in stillem Trotz und gehen unter. Nach gutem, altem Schulgrundsatz wurde auch gegen die beiden jungen Seltsamen, sobald man Unrat witterte, nicht die Liebe, sondern die Härte verdoppelt. Nur der Ephorus, der auf Hans als fleißigsten Hebräer stolz war, machte einen ungeschickten Rettungsversuch. Er ließ ihn auf sein Amtszimmer rufen, die schöne malerische Erkerstube der alten Abtswohnung, wo der Sage nach der im nahen Knittlingen heimische Doktor Faust manchen Becher Elfinger genossen hat.

Der Ephorus war kein unebener Mann, es fehlte ihm nicht an Einsicht und praktischer Klugheit, er hatte sogar ein gewisses gutmütiges Wohlwollen gegen seine Zöglinge, die er mit Vorliebe duzte. Sein Hauptfehler war eine starke Eitelkeit, die ihn auf dem Katheder oft zu prahlerischen Kunststückchen verleitete und welche ihn nicht dulden ließ, seine Macht und Autorität nur im geringsten bezweifelt zu sehen. Er konnte keinen Einwurf vertragen, keinen Irrtum eingestehen.

So kamen willenlose oder auch unredliche Schüler prächtig mit ihm aus, aber gerade die Kräftigen und Ehrlichen hatten es schwer, da schon ein nur angedeuteter Widerspruch ihn reizte. Die Rolle des väterlichen Freundes mit aufmunterndem Blick und gerührtem Ton beherrschte er als Virtuos, und er spielte sie auch jetzt. »Nehmen Sie Platz, Giebenrath«, sprach er freundschaftlich, nachdem er dem schüchtern eingetretenen Jungen kräftig die Hand gedrückt hatte.

»Ich möchte ein wenig mit Ihnen reden. Aber darf ich du sagen?« »Bitte, Herr Ephorus.« »Du wirst wohl selber gefühlt haben, lieber Giebenrath, daß deine Leistungen in letzter Zeit etwas nachgelassen haben, wenigstens im Hebräischen. Du warst bisher vielleicht unser bester Hebräer, darum tut es mir leid, eine plötzliche Abnahme zu bemerken. Vielleicht hast du am Hebräischen keine rechte Freude mehr?«

»O doch, Herr Ephorus.« »Überlege dir's nur! So etwas kommt vor. Du hast dich vielleicht einem anderen Fach besonders zugewendet?« »Nein, Herr Ephorus.« »Wirklich nicht? Ja, dann müssen wir nach ändern Ursachen suchen. Kannst du mir auf die Spur helfen?« »Ich weiß nicht... ich habe meine Aufgaben immer gemacht. ..« »Gewiß, mein Lieber, gewiß. Aber differendum est inter et inier. Deine Aufgaben hast du natürlich gemacht, das war ja wohl auch deine Pflicht.

Aber du hast früher mehr geleistet. Du warst vielleicht fleißiger, du warst jedenfalls mit mehr Interesse bei der Sache. Ich frage mich nun, woher dies plötzliche Nachlassen deines Eifers kommt. Du bist doch nicht krank?« »Nein.« »Oder hast du Kopfweh? Du siehst freilich nicht übermäßig blühend aus.« »Ja, Kopfweh habe ich manchmal.« »Ist dir die tägliche Arbeit zuviel?«

»O nein, gar nicht.« »Oder treibst du viel Privatlektüre? Sei nur ehrlich!« »Nein, ich lese fast nichts, Herr Ephorus.« »Dann begreife ich das nicht recht, lieber junger Freund. Irgendwo muß es doch fehlen. Willst du mir versprechen, dir ordentlich Mühe zu geben?«

Hans legte seine Hand in die ausgestreckte Rechte des Gewaltigen, der ihn mit ernster Milde anblickte. »So ist's gut, so ist's recht, mein Lieber. Nur nicht matt werden, sonst kommt man unters Rad.« Er drückte Hans die Hand, und dieser ging aufatmend zur Türe.

Herzliche Grüße

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