Ist Selbstbestimmung ein christlicher Wert?

9 Antworten

Vielen Dank für die zahlreichen Antworten! Ich kann mit allen etwas anfangen, hätte mich vllt. aber doch noch klarer ausdrücken sollen: genauer geht es in dem Vortrag mit der Fragestellung "Hilfe zum Sterben - den letzten Weg selbst bestimmen ?" darum, dass - kurz gesagt - Gott uns das Leben schenkt/einhaucht und in der Bibel zahlreiche Texte/Stellen zu dem Beginn unseres Lebens, den merjmalen, der Lebenszeit und auch dem Lebensende niedergeschrieben sind. Sprich: er gibt und nimmt uns das Leben; es ist in gewissem Maße also von ihm vorbestimmt.

Mit dem Wert der Selbstbestimmung (bzw. was dazugehört) soll gezeigt werden, dass es diesbezüglich durchaus Widersprüche gibt und man nicht nur von der zuerst genannten, scheinbar offensichtlichen "einen Seite" ausgehen kann bzw soll.

Oft heißt es, Gott lege den menschen nur auf, was er auch tragen kann. Ist es also sicher, dass ich mit der Situation fertig werden kann ? oder ist es trotzdem möglich, dass ich für mich anders entscheiden kann bzw. sogar muss, obwohl so viel schon "festgelegt" ist ?


Sturmwolke  29.05.2014, 18:20

Diese Fragestellung ist tatsächlich anders, als ich sie verstanden hatte. Vielleicht findest Du hier noch ein paar Anregungen.

http://www.jw.org/de/bibel-und-praxis/fragen/zeit-zu-sterben/

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isabelecdt 
Fragesteller
 29.05.2014, 19:03
@Sturmwolke

Danke, diesen Teil habe ich aber schon ausgarbeitet :) Zur Selbstbestimmung finde ich leider kaum etwas brauchbares; deshalb auch hier die Frage im Forum. Aber die Bibelstellen deiner Antwort sind auf jeden Fall hilfreich!

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Sturmwolke  30.05.2014, 14:41
@isabelecdt

Wenn es um den Wunsch zu sterben geht, ist vielleicht auch noch die Erfahrung von Elia interessant. Auch er hatte einmal den Wunsch zu sterben:

1. Könige 19:4
4 Und er selbst ging eine Tagereise weit in die Wildnis hinein und kam schließlich und setzte sich unter einen gewissen Ginsterstrauch. Und er begann zu bitten, daß seine Seele sterbe, und sprach: „Es ist genug! Nimm jetzt, o Jehova, meine Seele hinweg, denn ich bin nicht besser als meine Vorväter.“
.

Jehova hatte ihm wegen dieser Bitte keine Vorwürfe gemacht - sie aber auch nicht erfüllt. Stattdessen gab er Elia Kraft und eine ganze Liste neuer Aufgaben.
Ich finde diese Begebenheit sehr beeindruckend und auch sehr berührend.

http://m.wol.jw.org/de/wol/b/r10/lp-x/Rbi8/X/1986/11/19


Daß auch Hiob sterben wollte weißt Du?

Hiob 14:13:
13 O daß du mich im Scheờl verbärgest,
Daß du mich verborgen hieltest, bis dein Zorn sich abwendet,
Daß du mir eine Zeitgrenze setztest und meiner gedächtest!

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helmutwk  31.05.2014, 23:23
Mit dem Wert der Selbstbestimmung (bzw. was dazugehört) soll gezeigt werden, dass es diesbezüglich durchaus Widersprüche gibt und man nicht nur von der zuerst genannten, scheinbar offensichtlichen "einen Seite" ausgehen kann bzw soll.

Also dafür gibt es wohl keine Bibelstellen. Und warum das so ist, hat beispielsweise aicas aufgezeigt.

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Auch wenn das manche nicht so gerne hören, Selbstbestimmung, so wie ich es im ersten Moment verstehe, gibt es bei mir als Christ nicht. Ich unterstelle mein Handeln (im Idealfall) dem Willen Gottes. Was nicht per se was negatives wie Unterdrückung bedeutet. Sondern er weiss besser was gut für mich ist, offenbart mir seinen Plan und ich kann entspechend handeln.

Wenn Selbstbestimmung heisst, dass ich mich nicht von anderen Menschen beeinflussen lasse, dann ist Selbstbestimmung durchaus ein christlicher Wert. Wir Menschen haben selten einen gesamten Überblick über das, was in einer Entscheidung eine Rolle spielt. Wir gehen oft von uns selber aus. Und sehen auch nicht, dass Gott für jeden Menschen etwas anderes plant. Das führt dann nämlich oft dazu dass, wenn jemand etwas macht was andere Christen als "falsch" empfinden, es dann Probleme gibt, eine selbstbestimmte Entscheidung zu Unverständnis führt. Und dann muss ich trotzdem so handeln wie ich es für richtig halte. Nicht das was meine Mitmenschen, Mitchristen für richtig halten.

"Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen." (Apg 5,29)

Woher ich das weiß:Hobby – Bibelschule, gute Predigten, Bibellesen, Austausch

Aaleglatt  29.05.2014, 12:27

anniegirl, sehr weise Antwort, DH!

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Hallo isabelecdt,

möchte mich mdd 1945 anschließen und noch was ergänzen: Hermann Bezzel konnte sagen: Frömmigkeit ist, die Abhängigkeit von Gott als Glück zu bezeichnen. Oder die Jahreslosung 2014: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Psalm 73,28

Das ist ja das Paradoxe im christlichen Glauben. Je größer und fester die Beziehung zu Gott, um so mehr Freiheit, das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen, also wirklich die Möglichkeit,verantwortlich zu leben.

Diese Abhängigkeit von Gott, dieses Ihm-Gehören (biblisch: Sklave-Sein) führt zu einem vertrauensvollen Hören auf Gott und die Bereitschaft, richtige Entscheidungen zu treffen. Erst durch Gott werde ich frei, selbst zu entscheiden. – Ohne Gott werde ich betrogen und manipuliert und diese gottferne sogenannte Selbstbestimmung ist getarnte Fremdbestimmung mit dem falschen Etikette: Das ist Freiheit.

Das ist ein Lernprozess, in der Beziehung mit Gott diese von Gott geschenkte Freiheit zu entdecken und so lebensfördernd, verantwortlich mein Leben zu gestalten. Lernen bedeutet auch, dass nicht alles so perfekt läuft, weil man erst mehr und mehr entdeckt, was tatsächlich gut oder böse ist. Diese gelebte Verantwortung ist auch bereit, Fehler und falsche Entscheidungen zuzugeben und die Konsequenzen zu tragen – eben weil wir wissen, dass unser Wert nicht von unserem Image, nicht davon, wie Leute von uns denken, nicht von unseren Leistungen abhängt, sondern weil wir von Gott geliebte und gewollte Geschöpfe sind. – Deshalb ist Gott nahe zu sein unser Glück.

Also im Hören auf Gott und dem vertrauensvollen Gehorchen (kein Kadavergehorsam mit ausgeschaltetem Verstand, sondern gerade mit kräftigem Nachdenken und Lernen und Nachfragen und Forschen) werde ich erst frei, verantwortlich für mich selbst gute Entscheidungen zu treffen. Ich lasse mir meine Entscheidungen nicht mehr abnehmen, sondern mit Gottes Hilfe, in seiner Lebensschule (, die nicht immer einfach ist,) entdecke und lerne ich ja, was das Wesentliche im Leben ist.

Da wir vom Leben ohne Gott sehr geprägt sind, ist das keine so ganz einfache Sache. Unsere alte „Programmierung“ ist sehr misstrauisch oder sogar feindlich dem himmlisch Neuen gegenüber eingestellt. Diese Angst, zu kurz zu kommen. Deshalb brauchen wir ja Jesus Christus, der für uns die Strafe getragen hat, die auf ein Leben steht, dass Schuld auf sich lädt, weil falsche Entscheidungen getroffen werden. (Auch falsche Entscheidungen mit den besten Absichten können viel kaputt machen oder Gutes verhindern.) So erst wird ja Leben aus der Vergebung möglich, weil wir nicht selbst an unserer Schuld draufgehen. So befreit können wir vertrauensvoll lernen, richtig zu leben – mit dem Wissen, ich kann und ich brauche mir den Himmel nicht mit Brav-Sein verdienen.

Indem ich Gott als liebenden Vater entdeckt habe und damit weiß, dass Gott die vertrauenswürdigste Person des Universums ist, der mit uns Menschen keine Spielchen spielt, sondern uns unendlich ernst nimmt und unendlich liebt (und deshalb in Jesus Christus die Schuldfrage gelöst hat, indem dieser Sohn Gottes unsere Lebens-Schuld(en) auf sich genommen hat) – und mich ihm deshalb anvertraue – darin wurde mir der Himmel schon geschenkt.

Das macht frei zum Vertrauen und zum Hören und Lernen und Gehorchen. So entstehen dann Lieder und Gebete, die sagen: Jesus Christus, sei mein König, regiere in meinem Herzen. So gewinnt mein Leben den größtmöglichen Wert.

Und dieses Vertrauen wird einem geschenkt, trotz vieler vieler ungelöster Fragen. Man hat ja genug zu tun mit dem, was man gelernt hat, um es im Alltag umzusetzen. Gut, dass Jesus versprochen hat: (Matthäusevangelium am Schluss) „Mir ist gegeben alle Macht … Denn ich bin bei euch alle Tage, bis diese vergängliche Welt einer neuen unvergänglichen Welt Platz macht.“ – Dann sind wir Gott ganz nahe, dann sind wir zu Hause.


Aaleglatt  29.05.2014, 12:30

Das hast du wunderschön gesagt und den Kern getroffen, HeHo-Ha! Danke

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Der Begriff Selbstbestimmung taucht laut Grimmsches Wörterbuch erstmalig bei Schiller auf. In der heutigen Zeit aber redet der Papst häufig davon, auch im Hinblick auf die "sexuelle Vielfalt".

Hallo isabelecdt,

zwar wusste ich, dass da nichts kommen kann, aber um es Dir zu demonstrieren, habe ich den Begriff Selbstbestimmung in die Suchfunktion bei sämtlichen Übersetzungen dieser website eingegeben:

http://www.bibleserver.com/search/EU/selbstbestimmung/1

Das Resultat war jedesmal: Kein Treffer

Es ist natürlich vollkommen berechtigt, "von der Freiheit eines Christenmenschen" zu sprechen, und Christen haben das "vollkommene Gesetz der Freiheit" (Jak 1,25 SLA).

Vor alledem lassen sich Christen leiten von der Erkenntnis, des Lehrsatzes aus 2 Kor 5,15 (HFA):

15 Und Christus ist deshalb für alle gestorben, damit alle, die leben, nicht länger für sich selbst leben, sondern für Christus, der für sie gestorben und auferstanden ist.

Was uns mit am meisten daran hindert, ist die Selbstsucht. Wir Menschen neigen von Natur aus dazu, ichbezogen zu sein. Jesus empfahl aber eine ganz andere Geisteshaltung. Er sagte zu seinen Jüngern gemäß Matthäus 16,24 (HFA):

4 Danach sprach Jesus zu seinen Jüngern: "Wer mir nachfolgen will, darf nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen.

Jesus bewies in Wort und Tat, dass nicht Selbstsucht glücklich macht, sondern Geben und Dienen (Matthäus 20:28; Apostelgeschichte 20:35). Wenn wir nicht mehr für uns selbst leben, sondern Christus beständig folgen, finden wir heute schon große Befriedigung im Leben und haben dazu noch die Aussicht auf ewiges Leben.

Paulus erklärt in 1 Kor 6,19.20 (NLB):

Ihr gehört nicht euch selbst, 20 denn Gott hat einen hohen Preis für euch bezahlt.

Seit unserer Taufe sind wir Sklaven Gottes und Jesu Christi geworden und sind verpflichtet, seine Gebote zu halten, denn wir sind mit seinem kostbaren Blut erkauft worden (1. Petrus 1:18, 19).

Sklaven müssen ihrem Herrn gehorchen. Unsere Abhängigkeit ist jedoch freiwillig und beruht auf der Liebe zu unserem Herrn. Gott wie ein Sklave zu dienen hat nichts mit Unterdrückung gemein. Im Gegenteil, man findet einen Ausweg aus einer extremen Form der Sklaverei, die uns des Glücks beraubt. Paulus schrieb in Römer 6,22 (NEÜ):

22 Aber jetzt seid ihr vom Dienst der Sünde befreit und Sklaven Gottes geworden. Das bringt euch den Gewinn eines geheiligten Lebens und im Endergebnis das ewige Leben.

Unser Dienst als Sklaven Gottes trägt in dem Sinne Frucht zur Heiligkeit, dass wir den Vorteil eines heiligen, moralisch einwandfreien Lebenswandels verspüren. Außerdem führt er in der Zukunft zu ewigem Leben. Deshalb suchen Christen nicht nach Selbstverwirklichung und Selbstbestimung sondern sagen zu Gott und Jesus Christus wie in 2 Mo 21,5 (GNB):

»Ich liebe meinen Herrn; ich will nicht freigelassen werden«.


Aaleglatt  29.05.2014, 12:19

Sehr, sehr gute und tiefschürfende Antwort kdd. Hab vielen Dank!

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