Gibt es Faschismus ohne gesellschaftliche Hierarchie oder fixe Rollenzuteilung?

5 Antworten

Es fängt bereits bei der Definition von Faschismus an, da es keine eindeutige Definition gibt, und es sicherlich diskutierbar ist, was genau Faschismus ausmacht. Zudem sind die Definitionen, die gebräuchlich sind, oft sehr negativ geprägt, da sie von Personen stammen, die gegen Faschismus sind, das ist insofern relevant weil man das Wort so weiter entfremdet hat.

Hierarchien kommen praktisch in jedem System vor, daher sind sie auch im Faschismus vorhanden und kein besonderes Merkmal. Auch klare Vorstellungen von Rollenzuteilungen sind keineswegs faschistisch, da sie ebenfalls in jedem System vorkommen.

Das Konzept des Faschismus lässt sich nicht einfach auf eine einzelne Definition oder eine Handvoll von Merkmalen reduzieren. Das funktioniert in dieser Form schlicht nicht.

Eine andere Sache ist auch inwieweit das Führerprinzip im Faschismus auf lange Zeit besteht, entweder weil ein Diktator die Macht ans Volk zurück gibt (so auch schon vorgekommen)/stirbt etc. oder weil das auf dauer auch vom eigenne Volk nicht akzeptiert wird. Hier fehlt eine art Langzeitstudie, da jedes Regime das man als faschistisch bezeichnet hat quasi nie zeit hatte sich zu entwickeln da eben immer irgendwas dazwischen kam - i.d.r. Bürgerkriege, Weltkriege oder ähnlicher kleinkram...

Ist wirklich eine Gute Frage, aber über die Definition von Faschismus streitet man sich jetzt schon Jahrzehnte, und dafür das es eigentlich garnicht so klar ist wie man das alles definieren soll wird das Wort deutlich zu häufig in den Mund genommen.

Ich halte es da nach dem Historiker Bernd Martin, welcher im Kern erklärt hat das der Begriff Faschismus höchstens für die sogenannte Bewegungsphase zu verwenden ist, da die faschistischen Regime die aus diesen Bewegungen entstanden sind eben so unterschiedlich waren das ein überbegriff eben der Beschreibung all dieser Gruppen garnicht gerecht wird und damit eigentlcih eher abzulehnen ist.

Zu lesen im Volltext hier: https://freidok.uni-freiburg.de/data/2001 Sind ca 20 Seiten, also noch überschauhbar. Denke mal das wird dich bei der Frage brennend interessieren und hat viele Background infos.

Lg

DoctorInge 
Fragesteller
 25.04.2023, 05:41

Danke für die ausführliche Antwort und den Link!

Den werde ich mir dann mal anschauen. 😄

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Der Faschismus im eigentlichen Sinn als eine in Italien entstandene und dort an die Macht gekommene politische Bewegung ist genau definiert, man muss sich nur das Parteiprogramm der faschistischen Partei (PNF) durchlesen, das großteils auf dem Futuristischen Manifest von F.T. Marinetti beruht. Führerprinzip, Nationalismus, Verherrlichung der Gewalt, Rücksichtslosigkeit vor allem gegen Schwächere, Frauenverachtung usw. sind da genau festgeschrieben. Der Faschismus ist heute nicht mehr an der Macht, weshalb er seine hierarchische Struktur verloren hat. Es gibt verschiedene kleinere Gruppen, wie zum Beispiel die Vereinigung "Casa Pound", die sich ganz offiziell als "Faschisten des dritten Jahrtausends" bezeichnen, sowie Parteien, die faschistische Elemente in sich tragen, sich aber nicht zum Faschismus bekennen, ihn aber auch nicht explizit ablehnen wie z. B. Fratelli d'Italia. Das alles trifft auf Italien, das Ursprungsland des Faschismus zu. In anderen Ländern hat es Regimes gegeben, die sich den Faschismus zum Vorbild genommen haben. Heute bezeichnet man in übertragenem Sinn alle rechtsextremen Bewegungen als faschistisch, auch wenn sie nicht hundertprozentig mit dem eigentlichen Faschismus übereinstimmen.

Da es sich beim Fschismus um eine militärische Struktur handelt, gibt es dort eine feste Hierarchie, die offiziell nichts mit dem ursprünglichen Stand zu tun hat. Trotz dem haben sich Adelige dort immer besonders erfolgreich etablieren können.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Aktiver Politiker und Berufspolitiker
DoctorInge 
Fragesteller
 25.04.2023, 04:56
gibt es dort eine feste Hierarchie, die offiziell nichts mit dem ursprünglichen Stand zu tun hat

Wie soll ich mir das in der Praxis vorstellen?

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iQhaenschenkl  25.04.2023, 05:01
@DoctorInge

Dass ein Hilfsarbeiter theoretisch auch ganz oben in der faschistischen Hierarchie stehen kann.

Bestes Beispiel sind die so genannten "Blockwarte" während des 3. Reiches.Oft waren dies ganz dumme Menschen, die im zivilen Leben keinen Erfolg hatten, als "Blockwart" aber über Leben und Tod entscheiden konnten.

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Eromzak  25.04.2023, 05:55
@iQhaenschenkl

Der "Blockwart" steht aber nicht ganz oben in der faschistischen Hierarchie, der ist ganz unten in dieser. Der steht nur über dem der sich der Hierarchie nicht zugehörig fühlt.

Adelige nebenbeibemerkt arrangieren sich immer mit dem vorherrschenden Politischen Spieler, egal welcher Art dieser sein möchte, weil das der einzige ist der ihnen wegnehmen kann was ihr Geburtsrecht ist. Die etablieren also nicht die betreiben selbstschutz, dadurch das sie als Adlige eben in einem gewissen Fokus stehen (aus Sicht der Bevölkerung über den bekanntheitsgrad, aus Sicht des Regims wegen der oft größeren Finanziellen möglichkeiten), sicherlich gibts natürlich Adlige die auch aktiv da mitgemacht haben und nicht nur das nötigste getan haben, und das die sich aufgrund ihres Standes, des Geldes und der bekanntheit i.d.r. leicht etablieren können wenn sie das wollen ist ja auch quasi gegeben.

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iQhaenschenkl  25.04.2023, 06:10
@Eromzak

Dann solltest Du Dir mal die Hierarchie bei Hitler anschauen. Da waren durchaus sehr hohe Posten mit Underdogs besetzt.

Zudem hatte ein Blockwart eine unglaubliche Machtposition!

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Ja aber was ist Faschismus?

Soweit ich das weis, ist da ein konkretes rechtes Gedankengut halt fester Teil davon, aber ja, ansich, es kann sehr ähnliche Dinge geben.

Es kann ein totalitäres Denken geben, es gibt genau eine Warheit und alles muss dieser entsprechen, alles was dagegen ist ist dann "Böse". Hm ja ich meine es ist halt dann "hier begriff einfügen" eben das Böse halt. Und es geht auch soweit, dass es dann interne Säuberungen gibt, weil dann Leute nicht "Genug X sind" u.s.w.

Also würde man heute eine politische Strömung finden bei der das so ist, bei der es dann auch ganz strikte Hierachien gibt u.s.w. die auch eine gewisse Meinungshocheit haben wollen, die auch die Kontrolle darüber haben wollen, was richtig und falsch ist, würde man nun so etwas beobachten, wäre es ein Warnsignal.

Aber zumindest in De sind wir da gut gegen gesichert, wir haben hier einen gut ausgebauten Medienapparat, für den jeder ganz freiwillig zahlen darf, was um die 18 Euro und angeblich recht bald wohl was um die 25€ und die wissen ganz genau was Warheit ist und was nicht, da sind auch soweit ich es weiss mindestens ca. 1/3 Politiker mit drinn in den Aufsichtsräten, also da kann man ganz beruhigt sein, da wird am Ende die Warheit heraus kommen. Zum glück!

Nach Deiner obigen Beschreibung wäre die Gesellschaft im Westdeutschland der Nachkriegszeit bis hinein in die 70er Jahre faschistisch gewesen.

Das war sie aber nicht.

Zum Faschismus gehört mehr als altmodische Rollenbilder oder gegen LGBTIQ zu sein.

Pluralismus der Meinungen wird unterdrückt, die Regierung kontrolliert Presse und Justiz. Die Armee wird z.B. auch gegen Aufstände im Inneren eingesetzt.

Das beschreibt meiner Meinung nach das Leben in einem faschistischen Staat besser als die von Dir genannten Beispiele.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter
DoctorInge 
Fragesteller
 25.04.2023, 15:22

Natürlich setzt sich Faschismus nicht nur aus LGBTQ-Abneigung zusammen, das habe ich auch nicht gemeint. Kam vielleicht undeutlich herüber.

Die konkrete Frage wäre jetzt, ob man etwas Faschismus nennen könnte, wenn es die von dir genannten Elemente aufweist:

Pluralismus der Meinungen wird unterdrückt, die Regierung kontrolliert Presse und Justiz. Die Armee wird z.B. auch gegen Aufstände im Inneren eingesetzt.

Und mehr.

Aber nicht frauen- und LGBTQ-feindlich ist.

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vanOoijen  25.04.2023, 15:48
@DoctorInge

Geprägt wurde der Begriff von Mussolini.

Die offizielle Definition ist folgende:

nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung, Ideologie

Demnach sind 2 Grundbedingungen, dass es einen Führer geben muss und es keine Demokratie geben darf. Zudem war er bisher immer rechtsradikal und nationalistisch.

In Abgrenzung dazu sollte man aber auch Totalitarismus und Autokratie nicht aus den Augen verlieren.

Sowohl in Putins Russland wie auch in China gibt es faschistische Anklänge. "Reinrassiger" Faschismus laut Definition sind aber selbst diese Staaten nicht.

Eine unwissenschaftliche Definition von Faschismus, die ich mal gehört habe, war: Faschismus ist der Glaube an das Harte.

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