Geschichte - Die Radikalisierung der Revolution

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Das Thema (in der Überschrift genannt) ist die Radikalisierung der Französischen Revolution. Dies ist auf die Zeit 1792 – 1794 bezogen.

Zunächst waren die Girondisten vorherrschend, ab Juni 1793 die Montagnards (Angehörige der Berg-Partei). Durch einen Aufstand der Volksmenge von Paris (insbesondere die Sansculotten) vom 31. Mai bis 2. Juni 1793 wurden die Girondisten entmachtet, einige verhaftet und ein Teil von ihnen später hingerichtet.

Die Abgeordneten des Nationalkonvents kontrollierten die Regierung, seine Ausschüsse und Kommissare übernahmen dann zunehmend selbst Regierungsfunktionen.

Angegeben werden Ausschüsse (Wohlfahrt- und Sicherheitsausschuss) und Bereiche, in denen sie tätig waren (Kriegsführung - Verwaltung und Wirtschaft – Polizei). In einer Situation besonderer Bedrohung (Krieg mit anderen Staaten - am 20. April 1792 Kriegserklärung - und Bürgerkrieg im Inneren) übernahm der Wohlfahrtsausschuss die Führung (es waren auch noch andere Ausschüsse/Komitees vorhanden wie z. B. ein Allgemeiner Sicherheitsausschuss [Comité de sûreté générale], dessen Einrichtung vom Nationalkonvent am 2. Oktober 1792 beschlossen wurde).

Der Wohlfahrtsausschuss (Comité de salut public) wurde vom Nationalkonvent (dem Parlament) als Exekutivorgan (ausführende Einrichtung) am 6. April 1793 eingesetzt. Die Mitglieder des Wohlfahrtsauschusses kamen aus dem Nationalkonvent. Durch außerordentliche Vollmachten (die aber vom Nationalkonvent zu verleihen und regelmäßig zu bestätigen waren; die Entscheidungen des Wohlfahrtsausschusses waren also auf eine Billigung durch eine Mehrheit im Nationalkonvent angewiesen) war er eine Zeit lang praktisch die Regierung. Maximilian de Robespierre, ein führender Politiker der Montagnards (Berg-Partei), war vom 27. Juli 1793 - 27. Juli 1794 ein Mitglied des Wohlfahrtsausschusses unter 12 Mitgliedern und sehr mächtig.

Der Wohlfahrtssauschuss hatte die Aufsicht über die Kriegsführung und die Kontrolle über Ministerien, Polizei, Verwaltung und Wirtschaft.

Maximilian de Robespierre war Vorsitzender der Jakobiner, eines politischen Klubs.

Ein kleines Maximumgesetz setzte am 4. Mai 1793 Lebensmittelpreise staatlich fest (als Unterstützung in einer Versorgungskrise).

Am 26. Juli 1793 wurde die Todesstrafe für Wucherer (Kornaufkäufer, Schieber und Schwarzhändler) beschlossen.

Am 23. August 1793 wurde eine Massenaushebung („Levée en masse“), beschlossen.

Ein Gesetz über die Verdächtigen wurde vom 17. September 1793 beschlossen. Es richtete sich gegen alle, „die sich durch ihr Verhalten, durch ihre Verbindungen oder durch ihre Reden und Handlungen als Anhänger der Tyrannei und Feinde der Freiheit auswiesen.“ Beschuldigungen wurden erhoben und Leute angezeigt. Überwachungsausschüsse erhielten die Vollmacht, Haftbefehle gegen verdächtige Personen auszustellen. Hinrichtungsopfer konnten alle werden, die damals als Feind der Ordnung (die staatliche Ordnung bestand in einer Republik) und Gegner der Revolution beurteilt wurden.

Ein Gesetz über das große Maximum vom 29. September 1793 legte für die wichtigsten Lebensmittel (Grundnahrungsmittel, Bedarfsgüter und Rohstoffe) Höchstpreise fest und legte eine Anhebung der Löhne fest.

Die „Ventôse-Dekrete" (26. Februar /3. März 1794) erlaubten eine Beschlagnahmung des Besitz von „Verdächtigen“ zugunsten bedürftiger „Patrioten“ (kamen aber nicht mehr zur Ausführung).

Am 26. Juli 1794 wurde das Maximum der Löhne erneuert.

In Paris wurde am 10. März 1793 ein außerordentliches Strafgericht eingerichtet, das am 20. Oktober den Namen Revolutionstribunal (tribunal révolutionnaire) erhielt. Verurteilte wurden durch die Guillotine hingerichtet. In der Zeit der „Schreckensherrschaft“ („Terreur“) gab es zahlreiche Opfer. Ähnliche Gerichtshöfe gab es auch anderswo. Der Ausdruck „Schauprozesse“ bezieht sich anscheinend auf Prozesse vor dem Revolutionstribunal. Die Verhafteten hatten im Prozess vor dem Revolutionstribunal ihre Unschuld nachzuweisen. Ein Gesetz vom 10. Juni 1794 (Prairial-Gesetz) ließ dabei keinen Verteidiger als Rechtsbeistand zu. Anhörung von Zeugen wurde für überflüssig erklärt, wenn es vom Zeugenbeweis unabhängige Beweise materieller oder moralischer Art gebe. Als Urteile über als „Feinde des Volkes“ Angeklagte waren Freispruch oder Hinrichtung vorgesehen.

Vom Revolutionstribunal wurden auch Revolutionäre mit von der vorherrschenden Gruppe abweichender politischer Ausrichtung verurteilt. Robespierre hat verschiedene oppositionelle (gegnerische) Richtungen ausgeschaltet, die Girondisten, die Enragés (sozialrevolutionäre Gruppierung unter der Führung des Priesters Jacques Roux), radikalrevolutionäre politische Vertreter der Sansculottenbewegung wie Jacques-René Hébert (Hébertisten) und für eine Mäßigung der Schreckensherrschaft eintretende Politiker (Dantonisten; Georges Danton und Camille Desmoulins sind besonders bekannt; Vorwürfe der zu weitgehenden Nachgiebigkeit und Korruption).


Albrecht  19.11.2011, 23:31

Aus der Kommune von Paris wurden Abweichler herausgedrängt. Eine Verordnung erlaubte den Sektionen nur noch zwei Treffen innerhalb von zehn Tagen. Die „Schreckensherrschaft“ schränkte auch den Spielraum der Sansculotten ein.

Maximilien de Robespierre war ein politischer Moralist. Er handelte aus Überzeugung. Er glaubte an eine sich in einem Allgemeinwillen ausdrückende Vernunft. An Jean-Jacques Rousseau orientierte aufklärerische Ideale waren sein Leitbild. Tugend, Gerechtigkeit, Liebe zur Gleichheit (Gleichheit vor dem Gesetz und gleiche Chancen, aber nicht völlige Besitzgleichheit) sollten verwirklicht werden. Robespierre trat für die Revolution und eine demokratische Republik mit allgemeinem Wahlrecht ein. Er wollte sie in der schwierigen Bedrängnis (Krieg und innere Unsicherheit/Bürgerkrieg) erhalten und wirtschaftliche Probleme (Nahrungsmittelknappheit, Preisanstieg) bewältigen. Wer mit Privatinteressen nach seiner Meinung das Allgemeinwohl gefährdete, sollte überzeugt und bei Weigerung bestraft werden. Terror ohne Tugend hielt er für unheilvoll, rechtfertigte ihn („Terror ist nichts anderes als Gerechtigkeit, sofortige, unnachsichtige und unbeugsame Gerechtigkeit; er stellt daher eine Ausdrucksform der Tugend dar.“) aber als Mittel in Notlagen, in denen die Tugend ohne ihn hilflos sei (unter anderem in einer Rede über die Prinzipien der politischen Moral am 5. Februar 1794 im Nationalkonvent). Daraus ist aber ein überzogenes Vorgehen geworden, das Grundrechte und wichtige Freiheiten einschränkte und aufhob und wenig Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen zeigte (keine Meinungsvielfalt).

Die Phase in der Französischen Revolution (Zeitraum Juni 1793 bis Ende Juli 1794) und der Zustand deiner Herrschaft, die durch starken Druck und Verfolgung Angst und Schrecken auslöste, weil sich kaum jemand sicher fühlen konnte werden als „Schreckensherrschaft“ (französisch „Terreur“; von lateinisch terror = Schrecken) bezeichnet.

Die Revolution frisst ihre Kinder“: Ein Revolutionär, der Girondist Pierre Vergniaud, soll auf dem Weg zur Hinrichtung (31. Oktober 1793) gesagt haben: „Die Revolution, gleich Saturn, frisst ihre eigenen Kinder." Der römische Gott Saturn wurde mit dem Gott Kronos (Κρόνος) gleichgesetzt. Kronos verschlang nach der griechischen Mythologie seine Kinder von der Göttin Rhea, bis ihm statt Zeus ein Stein gebracht wurde. Der Satz (französisch: „La Révolution est comme Saturne: elle dévore ses propres enfants.") ist in leicht verkürzter Form zu einer Redensart geworden.

Revolutionäre wie die Girondisten (eine Bezeichnung für eine bestimmte politische Gruppe), die bei der Revolution mitgemacht haben und durch sie politisch bedeutend geworden sind, werden Opfer der weiteren Entwicklung der Revolution. Die hingerichteten Revolutionäre werden Kinder der Revolution genannt, weil sie in ihrer Bedeutung und ihren Gedanken aus ihr hervorgegangen sind.

Beispiele für den Satz sind hingerichtete Revolutionäre, darunter berühmte wie Jacques Pierre Brissot, Jeanne-Marie („Manon“) Roland de La Platière, Jacques-René Hébert, Georges Danton. Auch Maximilien de Robespierre selbst, der führend an der mit Hinrichtungen verbundenen Politik mitwirkte, wurde 1794 nach seinem Sturz hingerichtet.

Darstellungen zur Französischen Revolution enthalten Hinweise, z. B.:

Ernst Schulin, Die Französische Revolution. 4., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2004 (Beck's historische Bibliothek), S. 202 – 237

S. 222: „Die Terreur ist nur zu verstehen als Antwort auf die innere und äußere Bedrohung der Revolution. Es war eine schreckliche Antwort. Man mußte schon stark an den Sinn der Revolution glauben, sich in sie hineinfanatisieren, wenn man diese Antwort geben konnte. Aber die Krise war 1793 so, daß jede andere Antwort das Scheitern der Revolution bedeutet hätte.“

Wolfgang Kruse, Die Französische Revolution. Paderborn , München : Wien ; Zürich : Schöningh, 2005 (UTB : Uni-Taschenbücher : Geschichte ; 2639), S. 22 – 39

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Albrecht  19.11.2011, 23:33

S. 33: „Nachdem die französischen Armeen im Herbst 1792 in die österreichischen Niederlande und das Rheinland (Belgien) einmarschiert waren, begann sich das Blatt Anfang 1793 nach der Bildung der ersten antifranzösischen Koalition wieder zu wenden. Vor allem England und Spanien traten nun in den Krieg ein, und im März 1793 konnten die Truppen von General Dumouriez dem Gegenangriff der Österreicher in Belgien nicht mehr Paroli bieten. Als auch Preußen im Rheinland in die Offensive ging, Dumouriez nach einem gescheiterten Versuch, seine Soldaten zu einem Marsch auf Paris zu bewegen, zum Feind überlief und zugleich, angestachelt von den kurz zuvor beschlossenen Rekrutenaushebungen, Aufstände in der Vendée und in der Bretagne begannen, sah sich die französische Republik erneut von allen Seiten, von außen wie von innen, existentiell bedroht. Derr Konvent reagieret darauf mit der Einrichtung von Sondergewalten, die die Führung von Krieg und Bürgerkrieg effizienter gestalten sollten und im Inneren den Weg zum revolutionären Staatsterror eröffneten. „Seien wir schrecklich, damit nicht das Volk schrecklich sein muß“, so zog Danton die politische Lehre aus den Septembermassakern des Vorjahres. Nachdem bereits am 10. März auf seinen Antrag die Bildung eines politischen Revolutionstribunals beschlossen war[…], folgten am 21. März die Einrichtung von Überwachungskomitees in den Pariser Sektionen und am 6. April die Einsetzung eines Comité de salut publique, des öffentlichen Wohlfahrstauschusses, der eigentlich nur die Regierung kontrollieren sollte, de facto aber zunehmend selbst die politische Führung im Selbstbehauptungskampf des revolutionären Frankreich übernahm."

Hans-Ulrich Thamer, Die Französische Revolution. 3. Auflage, Original-Ausgabe. München : Beck, 2009 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2347), S. 40 – 89

S. 77: „Der Rumpfkonvent, der sich von allen Seiten eingekesselt und bedroht sah, reagierte nun mit Härte und entschlossener republikanischer Einmütigkeit. Nur unter Anspannung aller Kräfte, unter Verschärfung des revolutionären Drucks und auch mit Zugeständnissen an diejenigen, deren Unterstützung man brauchte, ließ sich die Revolution retten.“

S. 86 – 87 (zum Regierungssystem): „Robespierre hatte diesem ein doppeltes Ziel gesetzt: die Revolution zu retten und eine neue Gesellschaft zu schaffen. Das erste Ziel wurde durch die Zentralisierung der politischen Entscheidung und durch brutale Einschüchterung bzw. Zwang erreicht. Allerdings war der Preis dafür hoch. Die Terreur verursachte immenses menschliches Leid und forderte Zehntausende von Todesopfern; sie belastete die jakobinische Politik mit hohen moralischen Kosten. Das zweite Ziel einer tugendhaften, selbstgenügsamen Gesellschaft war an dem Machbarkeitswahn und der Praxisferne des Projekts gescheitert und hatte auch für die politischen Eliten der Revolution jeden Reiz verloren und nur Schrecken provoziert.“

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Bei der französischen Revolution ist die Radikalisierung ein relativ komplizierter Prozess. Vereinfachend kann man es so sagen:

unter den Revolutionären gab es eine gemäßigte Mehrheit und eine radikale Minderheit, der die bisher erreichten Errungenschaften nicht weit genug gingen. Als Frankreich in dem Krieg, in dem es steckte, und den die gemäßigte Mehrheit gewollt hatte, einige Niederlagen erlitt (1792) , nutzen die Radikalen das aus. Sie machten Stimmung gegen die Gemäßigten und konnten die Macht an sich reißen (Robespierre war einer ihrer Anführer). Sie wollten nun ihre radikalen Vorstellungen mit Gewalt durchdrücken und führten eine Diktatur ein, die Bespitzelung, Schauprozesse, Hinrichtungen etc. benutzte. (Schreckensherrschaft). Das ging soweit, bis sogar die Führer der Radikalen von anderen beschuldigt wurden, Feinde der Revolution zu sein und auch hingerichtet wurden (die Revolution frisst ihre Kinder).

Danach (1794) kehrte Frankreich wieder zu einem gemäßigterem System zurück.

Eine friedliche Revolution wird meist durch die Obrigkeit radikalisiert, die Staatsfeinde und Systemgegner zusammenprügelt und verhaftet. Zur Abschreckung werden Schauprozesse geführt, um die "Aufrührer" abzuschrecken und die Macht des Systems zu demonstrieren..


Otter123 
Fragesteller
 19.11.2011, 17:38

Danke !!

und hat dieser Wohlfahrt- und Sicherheitsausschuss:

  • Kriegsführung
  • Verwaltung und Wirtschaft
  • Polizei

das gefordert oder gegeben??

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Kaputtnik  19.11.2011, 17:53
@Otter123

Die gesellschaftliche Ordung sollte verändert werden, was dem Papst und dem König nicht in den Kram passte. Der König wurde verraten und das Volk unterdrückt. Die Armen konnten sich kein Essen mehr leisten, weil die Preise ins Unermessliche stiegen oder ihre Lebensmittel fürs Militär beschlagnahmt wurden. Das Volk war hungrig und zu recht wütend. Der Wohlfahrtsausschuss hat das wohl gefördert, da auch er unterdrückt wurde durch die Stiefellecker der Politik. Es wurden Gerüchte verbreitet und Robespierre hatte die alleinige Macht über das Volk zu richten ( natürlich nahm die Kirche und der Klerus grossen Einfluss). Tja, so treibt man einen Krieg vorran.....wie heutzutage.

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stonedog  19.11.2011, 22:49
@Kaputtnik

Der Klerus hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Einfluss mehr, und der König wurde schon Anfang 1793 hingerichtet.

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