Gab es in der Geschichte der Menschheit schon mal eine Klassenlose Gesellschaft (Urkommunismus)?Wenn ja warum ging der Urkommunismus zuende?

11 Antworten

Davon gehe ich nicht aus. Es gibt immer Menschen, die sich unterordnen wollen und die brauchen einen Anführer. Und es gab auch immer schon Menschen, die führen wollten. Insofern wird es NIE einen Kommunismus geben, wo alle füreinander da sind. Da wird es immer eine Rangliste geben, nach der einige privilegiert sind und andere nicht. Und was sich dann daraus ergibt, ist kein reiner Kommunismus.

De facto bilden sich in jeder Gesellschaft "Klassen" heraus, sobald ein Mensch mehr kann als andere, oder mehr Glück hat, oder mehr Pech hat, etc...

Auch Jäger und Sammler im Amazonas oder in Papua-Neuguinea haben Gesellschaftsstrukturen: einen Chef, Rolle der Männer, Rolle der Frauen.

Sie haben Regeln in der Gesellschaft und Tabus, die man nicht übertreten darf.

Forscher berichten, dass in diesen Gesellschaften auch oft viel Gewalt gegen Schwächere ausgeübt wird: man lässt Säuglinge sterben, wenn sie eine Missbildung haben, man erschlägt ältere Menschen mit der Axt, etc...

d.h. um zu einer "egalitären" Gesellschaft zu kommen, braucht man schon recht viel "Künstlichkeit"... Geld als Tauschmittel... das Konzept, dass es richtig ist, den Schwächeren zu helfen... ein Gesundheitssystem um Kranke zu pflegen... etc.

Nun bilden sich manchmal kleinere Gemeinschaften, die versuchen, auf ebene ihrer Gemeinschaft das "Egalitäre" umzusetzen.

Auch das ist schwierig.

Kibbutzim in Israel wurden gegen 1900 gegründet. Heute sind praktisch alle wieder zum Privateigentum zurück gekehrt.

Auch wenn du sagst, dass im Kibbutz alles allen gehört, gibt es doch Privilegierte.

z.B. gibt es Häuser, auch wenn die alle gleich gebaut sind, will man vielleicht lieber im Zentrum des Kibbutz, in der Nähe des Speisesaals leben, und nicht am Rand. Wer bestimmt, wer die begehrten Häuser im Zentrum kriegt?

Oder zwei Personen brauchen gleichzeitig das Auto des Kibbutz. Wer bestimmt, wer es kriegt?

Oder die Kleider werden immer wieder neu verteilt. Aber da gibt es neuere und ältere, schönere und weniger schön.. Wer kriegt die neuen und schönen?

Insofern ist Eigentum eigentlich gar nicht so schlecht, weil Eigentum auch Verantwortung ist: wenn du etwas kaputt machst, was dir gehört, dann hast du es nicht mehr, du musst ein neues besorgen.

In der Kommune ist das wurst, da kannst du ruhig kaputt machen, du kriegst Ersatz. Aber ist es wirklich fair, dass die einen immer kaputt machen und die anderen dann für den Ersatz zahlen müssen?

Roland Sperling  15.01.2020, 12:45

Hier scheint ein Missverständnis am Werk: eine klassenlose Gesellschaft bedeutet nicht, dass alle Menschen gleich sind bzw. alle über dasselbe Maß an Reichtum, Einfluss usw. verfügen. Dass Eingeborenenstämme (um es mal so etwas herablassend zu formulieren) einen "Chef" haben, bedeutet nicht, dass es eine "Klasse" der Chefs gäbe.

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Formsache  15.01.2020, 16:48
@Roland Sperling

Doch, sicher...

Der Chef hat Privilegien und auch Pflichten gegenüber den anderen Mitgliedern des Stammes. Oft ist die Funktion erblich.

Auch die Rollenteilung Mann/Frau bildet Klassen...

Dann ist man in solchen Gesellschaften als Frau nicht unbedingt vor Vergewaltigung geschützt, die Eheschliessungen sind bei manchen völkern auch gewaltsam (Frauen werden entführt).

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Ottavio  15.01.2020, 17:36
@Formsache

Der Klassenbegriff ist aber definiert und war es schon, bevor wir beide geboren waren. Klassen sind definiert durch das Verhältnis zu den Produktionsmitteln.

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Der Urkommunismus geht immer mit der Knappheit von Ressourcen zu Ende. Das geht auch aus der Definition hervor. Eine der Voraussetzungen des Kommunismus ist, dass Ressourcen und Güter im Überfluss vorhanden sind oder produziert werden können, so dass materielle Belange die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr bestimmen.

Also als Beispiel: sobald Wasser nicht ausreicht und rationiert werden muss entstehen irgendwelche Strukturen um die Rationirung zu regeln, die unweigerlich zu Konflikten(Konflikt heisst nicht gewalttätige Auseinandersetzung) führen. Und schon entstehen wir und die anderen.

In "vorgeschichtlicher" Zeit lebten die Menschen in sehr kleinen Gemeinschaften. Beim Homo sapiens neandertaliensis waren es in einer Horde etwa 35 Menschen, beim ersten Homo sapiens sapiens immerhin schon um die siebenhundert. In diesen kleinen Gemeinschaften gab es wohl auch schon Rangunterschiede - die gibt es schon bei den Schimpansen - , aber kein Privateigentum, also keine dadurch definierten Klassen.

In der Jungsteinzeit blieb es anfangs dabei, dass die Kerle im besten Mannesalter als Jäger mit den Herden zogen; Frauen, Kinder und Alte dagegen wurden sesshaft und bebauten Gartenland. Das urbare Land war das erste Eigentum von Produktionsmitteln, und es wurde von den Frauen auf die Töchter vererbt. Aber es war noch kein Privateigentum, sondern Gemeinschaftseigentum; also begründete es noch keine Klassen.

Später, in der Kupfer- und Bronzezeit, nach der Erfindung der metallenen Pflugschar begann der eigentliche Ackerbau und die systematische Urbarmachung von Ackerflächen. Dafür wurden kräftige Männer gebraucht, also wurden jetzt auch diese zunehmend sesshaft. Gleichzeitig gab es aber auch immer noch Männerhorden, die nicht sesshaft wurden, sondern weiter umherschweiften als Jäger - und als Krieger.

Es lohnte sich jetzt nämlich, Eroberungskriege zu führen, zuerst, um urbares Ackerland zu erobern und mit ihm die darauf siedelnden Frauen, dann aber auch, um die darauf siedelnden Männer nicht mehr einfach umzubringen, sondern als Sklaven zu unterwerfen. Vor gar nicht allzu langer Zeit war das, vor einigen Tausend Jahren, freilich unterschiedlich je nach Gegend.

Der Vater der Klassengesellschaften war der Krieg, die Völker der jeweiligen Sieger machten sich selbst zur herrschenden Klasse oder Kaste und erklärten das eroberte Land zu ihrem Eigentum, ohne es aber selbst zu bearbeiten. Und so war das immer wieder bis in die heutige Zeit.

Woher ich das weiß:Recherche

Jäger,- und Sammler-Gesellschaften sind klassenlose Gesellschaften, schließlich gibt es ja noch keinen Privatbesitz an Grund und Boden. Erst mit Seßhaftigkeit der Menschen, mit dem Beginn von Ackerbau und Viehzucht, kamen die ersten Keime einer Klassengesellschaft auf, also mit den veränderten Produktionsmitteln und deren Verwendungsart.