eure meinung zur "stunde null"?

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Mein Tipp:
Gib mal in die Suchfunktion oben rechts auf dieser Seite ein:
"Stunde Null Nachkriegsdeutschland".

Du kommst zur Frage von louei und einer interessanten Diskussion darüber, ob der Begriff berechtigt ist oder nicht.

Gruß, earnest


mydoggie 
Fragesteller
 27.06.2012, 19:28

danke!!! :D

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earnest  29.06.2012, 09:26
@earnest

Ich melde mich hier noch einmal, weil es mich wundert, daß außer Dorfbengel niemand die Berechtigung des Begriffs "Stunde Null" in Zweifel gezogen hat.

Die "Stunde Null" halt ich für einen Mythos, eine Legende, die einen völligen Neubeginn vorgaukelt.
Näher ausgeführt habe ich das vor einiger Zeit in o.a. Link.

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earnest  09.07.2012, 19:07
@earnest

Danke! Über dieses Sternchen freue ich mich ganz besonders.

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Ich bin so flexibel, die Position für Dich zu liefern, die Dir noch fehlt;-) Also die Gegenposition zur "Stunde Null".

1945 änderte sich ausser der Entfernung HitIers und der Beendigung der unmittelbaren Verbrechen relartiv wenig. Vor allem wurden die beiden 1949 folgenden deutschen Staaten eigentlich von Personal geschaffen und geprägt, das auch vorher schon da war. Im westdeutschen staat waren das Mitläufer oder sogar tragende Säulen des NS-Staates, im ostdeutschen waren es NS-Gegner, die auch schon vorher da waren.

Die persönlichen politischen Geschichten der Persönlichkeiten reichen jeweils zurück bis in die 30er und sogar 20er Jahre, in denen bspw. ein Kanzleramtsmninister Adenauers als Vorzeigejurist der Nazis die Rassengesetze erklärte und ein Ulbricht als DDR-Chef im Nazi-Zuchthaus gesessen hatte.

Genau so wie in der politischen Spitze sah es in der Wirtschaft, der Verwaltung, den Schulen, Hochschulen usw. etc. aus.

In Westdeutschland wurde so gut wie kein Nazi-Verbrecher bestraft. Wer noch aufgrund alliierter Urteile im Gefängnis gesessen hatte, wurde nach spätenstens 10 Jahren frei gelassen. solche Verbrecher konnten alles werden. Von den Nazis verurrteile Desereure waren hingegen vorbestrafte Kriminelle, die damit bspw. vom Lehrerberuf ausgeschlossen waren.

Sprich: für sehr viele Menschen war es eine graduelle Änderung, aber nicht der erhoffte Umbruch, der das grosse Wort einer "Stunde Null" hätte rechtfertigen können. Im Vordergrund der Erfahrung der Menschen stand das "Wirtschaftswunder".


earnest  29.06.2012, 09:22

DH!

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Ja, es ist gerechtfertigt von Stunde Null zu sprechen. Die Wirtschaft war am Ende und der Zweite Weltkrieg hatte alles zerstört. Nicht nur Gebäude, sondern auch Familien und Körper. Aber nicht nur in dieser Hinsicht, denn auch moralisch gesehen, gab es eine Stunde Null. Wer so viele Verbrechen begangen hat oder sie geduldet hat, ist meiner Meinung nach bei Stunde Null angekommen. Man hatte auch nichts mehr zu verlieren, denn alles war zerstört. Man musste wieder von ganz vorne beginnen, also bei der Stunde Null. Ja es ging dann wieder aufwärts, aber an der weiteren Entwicklung ist zu sehen, dass die Menschen trotzdem nichts dazu gelernt hatten. Der Begriff Stunde Null ist meiner Meinung nach gerechtfertigt. Hoffe, dass wir so etwas nie mehr erleben müssen.

Ja, es war in jeglicher Hinsicht die Stunde Null - wirtschaftlich, politisch und auch in Bezug auf das Ansehen Deutschlands gegenüber der übrigen Welt. Und wollte Deutschland weiterbestehen, dann musste aus dieser Asche wie der bekannte Phoenix ein neues Deutschland entstehen, anders und neu in jeglicher Hinsicht. Nur so konnte es wieder aufwärtsgehen. Und die Menschen haben in die Hände gespuckt und haben die Stunde Null genützt und haben etwas Großartiges geschafft. Der folgende Wirtschaftsboom war grandios.

Was ich allerdings bezweifle, ist, dass auch in der Gesinnung einiger eine Stunde Null stattfand. Und das finde ich das Traurige daran. Deutschland hat den Krieg zu Recht verloren, die ganze Welt wurde mit unendlichem Leid überzogen durch die kranken Phantasien eines Irren. Aber leider gibt es heute noch viele, die das verherrlichen und somit die Toten und das unmenschliche Leid schmähen.

Es liegt an denen, die die Stunde Null wirklich genutzt haben und auch an uns, dass die Anstrengungen beim Wiederaufbau und der Start von Null in ein besseres Deutschland wirklich von dem Bekenntnis durchdrungen ist: Das darf nie wieder geschehen. Nirgends auf der ganzen Welt.

Kein Krieg, keine Religion, kein Geld der Welt rechtfertigt es, Menschen leiden zu lassen und zu entwürdigen. Irgendwann wünsche ich mir eine solche Stunde Null für die ganze Menschheit :-) Aber nicht durch Krieg, sondern durch Einsicht...

LG Harlekinkatze


eletania  27.06.2012, 21:03

Kein Krieg, keine Religion, kein Geld der Welt rechtfertigt es, Menschen leiden zu lassen und zu entwürdigen.

Also da sieht die mehrheit der Menschlichen Bevölkerung das aber anders. Krieg war und ist ein legitimes Mittel um seinen Willen und seine Interessen durchzusetzen. Das liegt nunmal in der Natur des Menschen.

Und die Deutschen haben verloren weil sie nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und den 2 Frontenkrieg dennoch gewagt haben. Hätten die Deutschen sich an den nicht-angriffs-pakt gehalten wäre der Krieg vermutlich anders ausgefallen. Dazu kommen noch andere Fehler aber die führe ich nun hier nicht auß um nicht als unmensch dargestellt zu werden.

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Harlekinkatze  27.06.2012, 21:16
@eletania

Leider ist das so :-) Hast du vollkommen recht.

Ich bin mir auch bewusst, dass mein Wunsch ein frommer Wunsch ist >lach< höchstwahrscheinlich nicht erfüllbar. Aber auch wenn dem so ist, so kann ich doch das meinige dazu tun, um das vielleicht im kleinen Umfang zu verwirklichen - z.B. die Klappe aufmachen, wenn ich Ungerechtigkeiten sehe, zu helfen, wenn Schwächere angegangen werden, einfach Zivilcourage zeigen :-) und in meinem kleinen sozialen Umfeld das tun, was die Großen tun müssten...

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eletania  27.06.2012, 21:20
@Harlekinkatze

das hilft vielleicht einem aber die staaten werden ihr spiel trotzdem durchziehen auch wenn tausende sterben.

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Harlekinkatze  27.06.2012, 21:26
@eletania

das stimmt schon, aber wer sagt denn, dass wir ihr Spiel mitmachen müssen? Überleg mal: Wenn jeder Mensch auf der Welt das so handhaben würde, dann wäre die Welt schon mal sehr viel friedlicher.

Ist auch Utopie, ich weiß.... Aber viele Erfindungen und Fortschritte der Menschheit wären nicht gemacht worden, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die in utopischen Dimensionen gedacht haben (für ihre damalige Zeit gesehen)

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eletania  27.06.2012, 22:44
@Harlekinkatze

Ein anderer Ansatz. Wenn jeder an sich denkt ist an alle gedacht. Und mit diesem Ansatz ist wirklich an alle gedacht und jeder erreicht das was er will.

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Harlekinkatze  27.06.2012, 23:42
@eletania

das ist doch die Tendenz, die wir gerade erleben: Jeder denkt nur an sich selbst.

Man lebt in Hochhäusern mit hunderten von Parteien und keiner kennt den anderen. Da kann in der Nachbarwohnung ein Kind geschlagen werden, in der anderen stürzt eine alte Frau und bricht sich die Knochen oder stirbt und keiner merkt es...

Ist da dann allen geholfen???

DER Ansatz ist der falscheste von allen.

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eletania  28.06.2012, 00:00
@Harlekinkatze

Die frage ist dann ja nichtmehr ob allen geholfen wird sondern ob dir bzw mir dann geholfen wurde. natürlich wird es dann opfer geben aber denen die sich behaupten können geht es besser.

Den dieser ansatz ist einer der ältesten in der Geschichte der Evolution. Die starken überleben die schwachen sterben aus. Bei manchen ist es dann halt bedauerlich aber kollateralschäden sind nunmal nicht zu vermeiden.

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Harlekinkatze  28.06.2012, 00:12
@eletania

Ellenbogengesellschaft??? Nein danke...

Und was ist, wenn du dir nicht mehr selbst helfen kannst? Wenn du krank oder alt bist? Dann gehste einfach klaglos drauf, oder??? Oder würdest du dir dann nicht im Stillen wünschen, dass jetzt jemand da wäre, der dir hilft? Kinder sind hilflos, sollen sie verrecken, nur weil sie sich nicht behaupten können?

Naja, ich denke ich habe meinen Standpunkt klargemacht. Die Richtung, in die du das Ganze führst, ist nicht meine Richtung. Und sollte es auch für andere nicht sein.

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Harlekinkatze  28.06.2012, 13:19
@Harlekinkatze

Wir leben im 21. Jahrhundert - Mittelalter war mal.... Und selbst da gab es Stärkere, die den Schwachen geholfen haben.

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wolfgang11  29.06.2012, 11:56

Kommentar eines Zeitzeugen. Einiges ist richtig. Einiges zu korrigieren. Die Verwaltung war zusammengebrochen. Seitens der Alliierten wurde entnatifiziert. Es gab aber kaum Menschen in der Verwaltung, die nicht dem Regime treu ergeben waren, sonst wären sie nicht in der Verwaltung gewesen. Also gab es in der Verwaltung notgedrungen ehemalige Nazis. Dazu ein Ausspruch, den der erste Kanzler Adenauer bei der Vorstellung seines Kabinetts gegenüber den Alliierten gemacht haben soll, als man beanstandet hat, dass die meisten Kabinettsmitglieder Nazis seien, soll ich denn ein Kabinett aus Pimpfen bilden? Pimpfe waren 10 bis 14 Jahre alt.

Ein Beispiel, wie sich sowas wiederholt ist, ist die jüngste Vergangenheit. Bei der Wiedervereinigung hat man auch nicht das gesamte Personal in der DDR ausgetauscht:

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Harlekinkatze  29.06.2012, 12:35
@wolfgang11

Das ist richtig. D war gezwungen, aus dem wenigen, was noch vorhanden war, das Beste zu machen. Ob es in manchen Fällen das Beste war, sei jetzt mal dahingestellt. Das ist z.B. wie in einem Haus, das niedergebrannt ist. Die Familie, die alles verloren hat, wird versuchen alles noch zu retten, was irgendwie zu retten ist, um es wiederverwerten zu können für einen Neustart. Und da sind ganz bestimmt auch Dinge dabei, die sie ohne diesen Vorfall evtl. sogar entsorgt hätte.

Das Thema ist selbstverständlich sehr vielschichtig. Ich habe versucht, mit meinen Worten die Stunde Null aus meiner Sicht zu erklären. Das da viel, was dazu gehört, unter den Tisch fällt, ist mir schon klar :-)

LG Harlekinkatze

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Bin Zeitzeuge. Mit dem Ende des 2.Weltkrieg endete das Dritte Reich und damit die Diktaur. Deutschschland fing bei Null an. Die gesamte Versorgung war zusammengebrochen. Es gab 2 Monate keine Lebensmittelkarten und die vorherigen Hungerrationen vielen ganz weg. Das Geld war nichts mehr wert. Es herrschte die Zigarettenwährung. Die Menschen aus den Städten fuhren aufs Land und tauschten alles, was sie entbehren konnten gegen Lebensmittel. Deutschland war ein Trümmerhaufen.

Wer das nicht erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, was es heißt, bei Null wieder anzufangen.


mydoggie 
Fragesteller
 29.06.2012, 13:52

aber war es nicht auch im Krieg schon so, dass es kaum was zum essen gab, alles zerstört war,...? außerdem als die alliierten wieder eine demokratie aufgebaut haben, dann war doch vieles wie schon in der weimarer republik, die parteien, die staatsform,... eigentlich war da doch auch eine gewisse kontinuität, es war nichts grundlegend neues. oder seh ich das falsch?

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derdorfbengel  29.06.2012, 18:14
@mydoggie

"war es nicht auch im Krieg schon so, dass es kaum was zum essen gab"

Nein, zumindest das nicht. Deutschland hatte Gebiete in ganz Europa besetzt und plünderte die. Da wurde bspw. ein Dorf in Russland überfallen, alle Menschen in eine Scheune getrieben, alles ess- und verwertbare wie Möbel auf LKW verladen, dann die Häuser und die Scheune mit den Menschen drin, angezündet.

Jedenfalls sorgten die besetzen Ländern auf diese oder andere Arten für Deutschlands Versorgung, bis 1944. In den letzten Kriegsmonaten, als nichts menr besetzt war, sah das dann natürlich schon anders aus. Aber selbst dieser Mangel wurde im Nachhinein dann ausgeblendet, denn unter dem geliebten Führer war ja alles besser gewesen.

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wolfgang11  29.06.2012, 22:51
@derdorfbengel

Wars du dabei? Hast du das gesehen? Ich war als Soldat in Rußland. Natürlich wurden Lebensmittel beschlagnahmt. Aber nicht um sie nach Deutschland zu bringen, sondernu die Trupppen damit zu versorgen. Im Gegenteil. An der Front gab es Dörrgemüse aus Deutschland. Die Russen hatten noch genügend Kartoffeln um ihren geliebten Wodka zu brennen. Sie haben nicht gehungert. Weißt du welche entfernung da zu überbrücken war? was glaubst du, wie die in Deutschland angekommen wären?. Natürlich tiefgefroren in Kühlwagen, die es noch nicht gab. Was glaubst du für wen die Russen gekämpft haben? Für ihren geliebten Stalin? Oder die Engländer für ihren geliebten Churchil? Alle konnte sich das nicht auswählen. Sie MUSSTEN genau wie wir. Da wurde niemand gefragt. Ich habe den Rückzug vom Donez zum Dnjeper mitgemacht. Da sind in der Tat ganze Dörfer niedergbrannt worden. Aber die Bevölkerung hat die Dörfer vorher geräumt und zog in langen Treks gen Westen. Wenn wirklich in einer Kirche Zivilisten verbrannt worden sind, waren das vielleicht Partisanen? Mit diesen hinterhältigen Heckenschützen wurde nicht lange gefackelt. Das waren keine Soldaten, sondern Zivilisten.

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wolfgang11  29.06.2012, 23:51
@mydoggie

Auch im Krieg wurden die Rationen immer kleiner. Aber die Verwaltung funktionierte noch. Mit dem Kriegsende und dem Zusammenbruch hat die Bevölkerung die Lager geplündert. Deutschland war in 4 Bestzungszonen aufgeteilt. Das 3. Reich gab es nicht mehr und auch keine Republik nach Weimarer Muster. Es war alles zusammengebrochen.

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