Erwachsenentaufe / Glaubenstaufe?

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Im Frühjahr 1524 wurde in einigen Landgemeinden von den Prädikanten offen zur Verweigerung der Säuglingstaufe aufgerufen. Der Rat der Stadt Zürich erließ daraufhin am 11. August 1524 einen Befehl, alle Kinder taufen zu lassen:  Eß söllent ouch angentz die, so ungetouffte kind habent, dieselbigen touffen lassen, und welcher dass nit tätte, der sol 1 march silber zuo buoß geben. [11] Dieser Anordnung widersetzte sich der Kreis um Manz und Grebel. Der Tauffrage kam nun eine zentrale Stellung in der Auseinandersetzung mit Zwingli zu. Man nahm brieflichen Kontakt mit anderen Reformatoren wie  Karlstadt und  Thomas Müntzer auf, was gleichzeitig eine Art von Selbstbesinnung war. Ende 1524 wurde in den sogenannten beiden  Dienstagsgespräche zwischen Zwingli und dem Kreis um Grebel und Manz ein weiterer Verständigungsversuch unternommen. [12] Die Gespräche verliefen ergebnislos, sodass Felix Mantz seine Taufanschauungen schriftlich darlegen wollte. Dazu verfasste er die  Protestation und Schutzschrift, ein Verteidigungsschreiben an den Stadtrat. Mantz wehrte sich gegen den Vorwurf des Aufruhrs und forderte eine schriftliche Auseinandersetzung mit Zwingli, in der die Kindertaufe auf ihre biblische Begründung überprüft werden solle.
Auf den 17. Januar 1525 bot daraufhin der Rat Vertreter beider Seiten zu einer öffentlichen Disputation ins Rathaus von Zürich auf, damit beide Gruppen ihre Tauflehre anhand der Schrift begründen konnten. Der Ausgang zu Gunsten Zwinglis war allerdings schon von vornherein gegeben. [13] Am 18. Januar erließ der Zürcher Rat ein vernichtendes  Mandat gegen die Täufer. Alle Kindertaufverweigerer wurden aufgefordert, ihre neugeborenen Kinder unverzüglich taufen zu lassen. Wer dieser Aufforderung nicht innerhalb von acht Tage nachkäme, werde des Landes verwiesen. Der in Zollikon aus der Kirche entfernte Taufstein sollte unmittelbar wieder aufgestellt werden. In einem zweiten Mandat vom 21. Januar 1525 wurde das  Verdikt noch verschärft. Grebel und Mantz wurde jede weitere Agitation gegen die Kindertaufe untersagt und das Unterrichten in ihren  Bibelschulen ( besonderen Schulen) wurde verboten, was einem faktischen Versammlungsverbot der Kindertaufgegner gleichkam. [14] Die Nichtzürcher unter den Täufern (unter ihnen: Reublin,  Brötli, Castelberger und  Hätzer; Simon Stumpf war schon früher weggewiesen worden) wurden aufgefordert, das Gebiet Zürichs innerhalb von acht Tagen zu verlassen. Der Beschluss war endgültig; eine weitere Disputation wurde ausgeschlossen. [15]

https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4ufer#Radikale_Anf%C3%A4nge_in_Z%C3%BCrich

RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 13:15

Danke für den Link. Mich wundert aber, warum 1500 Jahre lang diese Diskussion nicht geführt wurde und warum sie gerade dann losbrach. Waren die Christen so langen nicht in der Lage, die 'wahre Lehre' zu erkennen? Oder gibt es die gar nicht bezüglich Taufe?

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Bodesurry  24.05.2021, 15:29
@RStroh

Es geht, wie in anderen Fällen, um eine Interpretation der Bibeltexte. Es gibt, aus meiner Sicht, nur eine einzige Stelle, bei der man eine Kindstaufe annehmen kann (ganze Familie getauft). Es gibt aber auch keine klare Anweisung, dass man nur Erwachsene taufen darf.

Doch eines ist klar, zuerst kommt der Mensch zum Glauben und dann wird getauft. Ein Baby kann sich sicher nicht dafür oder dagegen entscheiden. Diese Problematik hat man mit der Konfirmation/Firmung umgangen. Die Jugendlichen sollen zu diesem Zeitpunkt die Kindstaufe bestätigen.

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RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 15:53
@Bodesurry

Weißt Du, seit wann es die Praxis der Firmung in der röm. Kath. Kirche gibt? Gibt es Ähnliches auch bei den Orthodoxen Kirchen (die ja auch Kindertaufe haben)?

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Bodesurry  24.05.2021, 18:11
@RStroh

Nein, das wusste ich nicht. Folgende Info habe ich dazu gefunden:

In der Urkirche waren Taufe und Firmung ein einziges Sakrament. Erst seit dem 2./3. Jahrhundert (siehe Tertullian, Hippolyt von Rom) begann man allmählich, die Taufe in zwei verschiedene Ritualschritte aufzuteilen, woraus dann im Laufe der Zeit die Firmung hervorging. Besonders durch zwei große Theologen des Mittelalters, Hugo von St. Victor sowie Thomas von Aquin, wurde die Firmung letztlich zu einem eigenständigen Sakrament weiterentwickelt, was durch das Lehramt der Kirche im Jahre 1439 (Konzil von Florenz) nochmals offiziell bestätigt wurde.

https://www.vivat.de/magazin/lebenskreis/firmung/

Orthodoxe Kirche ????

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In der 6. Auflage des Evangelischen Erwachsenenkatechismus findet man folgende Informationen:

"Wahrscheinlich kam die Kindertaufe erst im Jahr 200 n. Chr. auf. Jedoch herrscht noch bis 400 n. Chr. die Erwachsenentaufe vor." (S. 549).

Die Kindertaufen nehmen etwa ab dem 5. Jhd. zu (S. 548).

"War die Taufe im ersten Jahrtausend der Christenheit weithin unumstritten, so begannen spätestens in der Reformationszeit wichtige Diskussionen über deren Verständnis und Praxis." (S. 549)

Da das Christentum in ihren Ursprüngen immer auf einer freiwillige Entscheidung beruht, so ist doch klar, dass schon bevor die Kindertaufe eingeführt wurde, was ja nur unter Christlichem Deckmantel geschah um die Macht über die Bevölkerung zu erhalten.

Also war die Erwachsenentaufe, denn für eine solche Entscheidung muss man ja schon ein gewisses Alter haben zuerst da.

Dazu kannst du einfach die Bibel lesen.

Liebe zwingt niemanden.

RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 11:28

Danke, ich kenne die theologische Grundlage der Erwachsenentaufe. Mir geht es um die Praxis in der Kirche. Ich vermute nämlich, dass die Praxis der Kindertaufe mit dem Aufkeimen der Ersatztheologie zu tun hat, mir fehlen aber die kirchenhistorischen Beweise. Mir gibt die Gleichsetzung der Kindertaufe mit der Beschneidung im Judentum zu Denken. Als ob die Kindertaufe in ihrer Bedeutung die Beschneidung ersetzt, also den Beleg zur Zugehörigkeit zum Gottesvolk. Wenn das so wäre, ist das Ersatztzeologie in Reinkultur. Aber ich kann mich ja irren. Weißt Du etwas dazu?

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Kosmike  24.05.2021, 12:27
@RStroh

Tut mir leid, darüber habe ich vor vielen Jahren gelesen und weiss nicht mal genau wo.

Kann dir also nicht mal mehr eine Quelle geben.

Ich weiss nur, dass diese lehre wie auch so vieles mit dem Bündnis der Christen mit dem Römischen Reicht zusammenhängt

Diese Bewegungen waren ja schon zu Zeiten des Paulus aktiv am Wirken.

wie auch die Beschneidung die von Judenchristen gefordert wurde.

Es ist der selbe geist, nur so viel weiss ich darüber noch. Aber den genauen Hergang und die Geschichte wie es dazu kam, dazu kann ich nicht mehr genauere angaben machen.

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Bei den ersten Christen (erstes Jahrhundert) war klar, dass nur erwachsene (mündige) Personen getauft wurden. Das ergibt sich aus der Apostelgeschichte.

Was danach war, also ab dann als die Christen begannen, die Kindertaufe zu praktizieren, weiss ich leider nicht. Ist eine gute Frage. Bin gespannt, ob sich was findet.

Edit: Vielleicht hilft dir das hier weiter: https://de.wikipedia.org/wiki/Taufe#Geschichtliche_Entwicklung

Woher ich das weiß:Hobby
RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 11:24

Danke für den Link zur Wikipedia. Gibt es dazu Ergänzungen oder Korrekturen? Warum haben die Täufer erst um 1500 das Thema neu aufgerollt? Was geschah davor?

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annie80  24.05.2021, 11:34
@RStroh

Vorher wurde quasi jeder, der nicht auf RKK-Linie war, auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Dann kamen Luther, Zwingli, da war wohl die Zeit reif für die Reformation. Wobei auch diese erst mal gegen die Kindertaufe waren. Auch sie kämpften (ich glaube, aus verschiedenen Gründen) gegen die sog. Wiedertäufer an.

Der erste Schritt war m.E. dass der Mensch aus Glauben gerettet ist - nicht aus Werken - und dass jeder normale Mensch Zugang zur Bibel haben sollte (sehr vereinfacht zusammengefasst). Eine weitere Veränderung - die Abschaffung der Kindertaufe und damit fehlende Registrierung von Geburten, somit Steuerzahler - wäre damals zu weit gegangen.

Die Wiedertäufer wurden ja lange verfolgt.

Es ging damals also (nach meinem Verständnis) nicht nur um Theologie, sondern auch um Politik. Damals gab es ja noch keine Trennung von Kirche und Staat. Die Wiedertäufer waren glaub auch alle Pazifisten, das ging den anderen Reformatoren zu weit.

Es ist ähnlich wie heute mit dem Umweltschutz: Die aktuelle Situation ist nicht ideal, aber viele Vorschläge (der Grünen) gehen der Allgemeinheit zu weit.

Ich weiss nicht ob dir das weiterhilft, aber viel mehr weiss ich da auch nicht.

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RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 12:31
@annie80

Das hilft mir weiter. Nur Luther wird mir immer fremder. Habe ich Dich richtig verstanden, dass Luther sowohl gegen die Kindertaufe als auch gegen die Wiedertäufer war? Das klingt für mich erst mal unlogisch.

Mir ist nur bekannt, dass die Wiedertäufer um 1500 aufkamen. Was war davor, immerhin sind das 1500 Jahre, eine lange Zeit. Fiel da nimandem die Diskrepanz auf?

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annie80  24.05.2021, 13:11
@RStroh

Nein, Luther war für die Kindertaufe. Was ich wiederum unlogisch finde, denn ihm war ja klar, die Taufe "rettet" nicht, sondern der Glaube. Es ist also unnötig, Kinder zu taufen.

Vielleicht findest du hier etwas, das dir weiterhilft: http://kindertaufe.cmop.info/files/Luther-Kindertaufe.pdf

Das Problem in den 1500 Jahren vorher war (so sehe ich es jedenfalls), dass sich das Christentum zur Staatsreligion entwickelte, also Macht und Religion einhergingen. Und als es die biblischen Texte nur noch in Latein gab, dies aber nicht mehr vom normalen Menschen verstanden wurde, war es sowieso vorbei. Sollte es Gelehrte gegeben haben, denen die Diskrepanz auffiel, gingen sie damit nicht an die Öffentlichkeit oder wurden zum Schweigen verdammt (nehme ich an).

Ausserdem entwickelte sich in den ersten Jahrhunderten die Lehre der Erbsünde. Der Mensch ist von Geburt an sündig, und die Taufe befreit ihn davon, somit auch davon, in die Hölle zu kommen.

Über die Anfänge der Kindertaufe findest du z. B. hier was: https://de.wikipedia.org/wiki/Kindertaufe#Die_Kindertaufe_in_der_Alten_Kirche

Diese Diskrepanz bestand aber auch nach dem Entstehen der Täuferbewegung. Ich kann mich noch an die 80er, 90er erinnern, wenn in einer katholischen Familie ein Säugling nicht in den ersten drei Monaten getauft wurde, galt es in der Verwandtschaft als halber Heide.

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RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 13:28
@annie80

Die Lehre von der Erbsünde machte ja auch die - unbiblische - 'unbefleckte Empfängnis' Mariens notwendig (das feiern wir ja immer noch am 15.August..). Da ist einiges schief gelaufen.

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RStroh 
Fragesteller
 24.05.2021, 15:55
@annie80

Die Verbrennung am Scheiterhaufen ist seit 1000 nChr. belegt. Was war vorher?

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